Rechtsgeschichte. Susanne Hähnchen

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Rechtsgeschichte - Susanne Hähnchen

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zu finden. Zu Kodifikationen unter Einbeziehung von Juristenschriften kam es in den westgotischen Königreichen (Rn. 214). Der byzantinische Kaiser Justinian erhob schließlich eine umfangreiche Sammlung von Zitaten aus der klassischen Rechtsliteratur (Digesten) zum Gesetz (Rn. 218).

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      Am Anfang des Prinzipats waren Juristen auch als Rechtsberater Privater tätig. Dies erfolgte nach wie vor aufgrund eines unentgeltlichen Mandats (Rn. 131, 156). Einigen dieser Juristen verlieh der Kaiser das ius respondendi ex auctoritate principis, kurz ius respondendi, also das Recht, mit kaiserlicher Autorität Anfragen zu beantworten. Hinter den Gutachten stand damit die besondere Autorität des Kaisers.

      Die sog. Respondierjuristen stammten anfangs durchweg aus dem Senatsadel, der also bevorzugt wurde. Als erstem Ritter wurde das ius respondendi dem Masurius Sabinus von Tiberius, der Nachfolger des Augustus, verliehen. Im Laufe der klassischen Zeit finden sich dann zunehmend Ritter und aus den Provinzen Stammende unter den bedeutenden Juristen.[9]

      Von der Hochklassik an wirkten diese Männer zunehmend in den Beratungsgremien (consilia) der Kaiser. Fast alle gehörten sie der politisch führenden Schicht an und bekleideten hohe politische Ämter, so in der Spätklassik das Amt des praefectus praetorio, des höchsten Ministers und damit das des „zweiten Mannes“ nach dem Kaiser.

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      Die klassische juristische Literatur[10] umfasste vor allem drei Gattungen. Viele Autoren schrieben libri ad Sabinum (Bücher zu Sabinus). Das waren systematische Darstellungen des ius civile, des Zivilrechts im engeren Sinne (im Gegensatz zum prätorischen Recht). Die Bezeichnung geht zurück auf das (nicht erhaltene) Zivilrechtssystem des Masurius Sabinus.

      Daneben gab es seit Servius (Rn. 113) Kommentare zum prätorischen (und ädilizischen) Edikt. Diese Gattung nannte man ad edictum.

      Außerdem sammelten die meisten Klassiker ihre Stellungnahmen zu praktischen Fällen als quaestiones (Anfragen), responsa (Antworten) oder digesta (von digerere, aneinander reihen, vgl. das englische Wort digest). Außerdem schrieben sie zu Einzelfragen (Monographien).

      Diese libri (Bücher) waren Buchrollen auf Papyrus. Folianten aus gebundenen Einzelseiten (Pergament) kamen erst in nachklassischer Zeit auf.[11] Von den Originalwerken der Klassiker ist so gut wie nichts auf uns überkommen. Mit Ausnahme der Institutionen des Gaius (Rn. 168), einem Anfängerlehrbuch, stehen fast nur die Zitate zur Verfügung, die Justinian in seinen Digesten (Rn. 218) zusammenstellen ließ.

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      Früh- und Hochklassik sind gekennzeichnet durch zwei Juristenschulen, die Sabinianer und die Proculianer. Diese waren keine Schulen im heutigen Sinne, also keine organisierten Unterrichtsanstalten. Sie pflegten jedoch die Traditionen bestimmter Lehrmeinungen, weshalb man vom Schulengegensatz spricht. Letztlich waren es wohl Vereinigungen im Sinne von Innungen oder vielleicht auch Klubs, über deren Verfassung wir nichts Näheres wissen. Als Vorstand wurde das jeweils angesehenste Mitglied auf Lebenszeit berufen.

      Ursache der Entstehung verschiedener Schulen soll nach der Überlieferung die Rivalität zwischen dem kaisertreuen Capito und dem kritischen Labeo (Rn. 165) gewesen sein. Vermutlich entstanden die Schulen aber erst eine Generation später, wofür die Benennung nach ihren frühklassischen Häuptern spricht: nach Sabinus (auch Cassianer nach Cassius) und Proculus.

      Man hat versucht, die beiden Schulen nach generellen Merkmalen zu charakterisieren. Es ist jedoch schwer zu sagen, ob wirklich grundlegende Unterschiede bestanden.[12] Die Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Schule zeigt sich in unterschiedlichen Ansichten der Juristen zu Streitfragen. Die Proculianer stellten dabei eher auf Begriffe und systematische Zusammenhänge ab, wohingegen die Sabinianer eher auf sachlogische Lösungen bedacht waren und daher Treu und Glauben (bona fides) eine besondere Bedeutung zumaßen.

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      Beispielsweise beim dauerhaften Austausch von Sachen nahmen die Sabinianer einen Kaufvertrag an, die Proculianer hingegen wegen der fehlenden Gegenleistung in Geld einen Tausch (permutatio). Letztere sahen in der vorleistenden Hingabe zu Tauschzwecken lediglich einen gültigen Übereignungsgrund (causa traditionis), keinen verbindlichen, gegenseitigen Vertrag (vgl. aber Rn. 188). Allerdings hatte der gegenseitige Vollzug der Leistungen auch nach dieser Ansicht die gleichen Wirkungen wie ein Kauf, nur dass mit einer actio in factum geklagt werden musste, nicht mit der Kaufklage. Hintergrund des Streits war also letztlich die Frage, mit welcher Klage man vorgehen musste. Entsprechend unserer heute rein materiell-rechtlichen Sichtweise verweist § 480 BGB ganz unproblematisch auf die Vorschriften über den Kauf.

      In der Frage, ob eine durch Verarbeitung (specificatio) entstandene neue Sache dem Eigentümer des Materials gehören sollte oder dem Verarbeitenden, entschieden sich die Sabinianer für den Eigentümer des Materials, die Prokulianer für den Verarbeitenden. Damit folgten die Juristen einem philosophischen Streit darüber, ob das Wesen einer Sache in ihrer äußeren Gestalt (forma = Proculianer im Anschluss an Aristoteles) oder ihrem Material (materia = Sabinianer im Anschluss an die Stoa) liege. Justinian wählte eine im Ansatz wohl schon in der Spätklassik (durch Paulus) aufgekommene Zwischenlösung: die Sache wurde Eigentum des Stoffeigentümers, wenn die Verarbeitung rückgängig gemacht werden konnte. Wirtschaftlich betrachtet geht es darum, ob bei einer vom Eigentümer nicht gewollten Verarbeitung das Material oder die Arbeit wertvoller ist, weshalb heute nur darauf abgestellt wird (vgl. § 950 BGB).

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      Die wichtigsten klassischen Juristen sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. Unter Augustus wirkte M. Antistius Labeo. Er gehörte zur senatorischen Opposition gegen das Prinzipat des Augustus. Politisch gelangte er bis zur Prätur; das Angebot des Augustus, consul suffectus zu werden, lehnte er ab. Trotz seiner politisch konservativen Ansichten, regte er für das Privatrecht zahlreiche Neuerungen an. Labeos Werk ist allerdings fast nur durch Zitate seiner Ansichten in den Schriften späterer Autoren bekannt. Möglicherweise hat er die prokulianische Schule begründet. Sein Schüler Proculus war jedenfalls als Schulenoberhaupt Namensgeber.

      Von Masurius Sabinus war ebenfalls schon die Rede. Sein berühmtes, aber verloren gegangenes Hauptwerk waren drei Bücher zum Zivilrecht (libri tres iuris civilis). Deren System, an welchem sich spätere Juristen orientierten (Rn. 163), sah vielleicht so aus: Erbrecht – Personenrecht – Obligationenrecht – Sachenrecht. Gegenüber dem „republikanischen“ System des Quintus Mucius Scaevola (Rn. 113) waren demnach Sachen- und Schuldrecht vertauscht.

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      Zur Hochklassik leitet Iavolenus Priscus über. Von ihm stammt die Warnung omnis definitio in iure civili periculosa est (Dig. 50, 17, 202 – jede Definition im Zivilrecht ist gefährlich). Er war Haupt der Sabinianer und Lehrer des Publius Salvius Iulianus

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