Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich
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Die Verordnung sieht eine Reihe von Übergangsbestimmungen vor (Art. 98); sie entfaltet ihre Geltung erst sechs Monate, nachdem die Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union ihre Überzeugung von der vollständigen Funktionsfähigkeit des Clinical Trials Information System (CTIS) kundgetan hat (vgl. Art. 99 UAbs. 2 i.V.m. Art. 82 Abs. 2). Nachdem das Management Board der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) am 21. April 2021 ein positives Votum abgegeben hat und die erforderliche Mitteilung der Kommission am 31. Juli 2021 im Amtsblatt veröffentlicht worden ist, sind die Geltungserlangung der Verordnung und die Freischaltung des CTIS für den 31. Januar 2022 vorgesehen.[49] Zur Umsetzung der mit der Verordnung verbundenen Änderungen in das nationale Recht hat der Bundesgesetzgeber bereits am 20. Dezember 2016 das Vierte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (4. AMG-ÄndG)[50] verabschiedet. Ein Teil der Vorschriften dieses Gesetzes ist am 24. Dezember 2016 in Kraft getreten; andere Neuregelungen treten erst zu dem Zeitpunkt in Kraft, in dem die VO (EU) 536/2014 Geltung erlangt.[51] Auch die sog. GCP-Verordnung (ausf. dazu Rn. 18) wird mit der Geltungserlangung der VO (EU) 536/2014 für die in deren Anwendungsbereich fallenden klinischen Prüfungen ersatzlos entfallen;[52] dies gilt nicht für klinische Prüfungen mit Blut- und Gewebezubereitungen, auf die sowohl das AMG in seiner bisherigen Fassung als auch die GCP-Verordnung bis zum 23. Dezember 2024 weiterhin Anwendung finden wird (vgl. § 148 Abs. 3 AMG n.F.).[53] Bis zum Inkrafttreten der Neuregelungen richtet sich die Zulassung klinischer Prüfungen weiterhin nach dem AMG und der GCP-Verordnung in ihrer derzeitigen Fassung, die im hier behandelten Zusammenhang maßgeblich auf die Umsetzung der bereits erwähnten EU-Richtlinie 2001/20/EG zurückgeht.[54] Als Umsetzungsakte sind die einschlägigen Vorschriften im Lichte dieser Richtlinie auszulegen.[55]
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Von Bedeutung für den Bereich der medizinischen Forschung ist des Weiteren Art. 3 Abs. 2 EUGrCh. Die Vorschrift schreibt den in der oben (Rn. 5, 7) erwähnten Biomedizinkonvention des Europarates dokumentierten bioethischen Grundkonsens[56] dahingehend fort, dass im Rahmen der Medizin und der Biologie die freie Einwilligung des Betroffenen nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Einzelheiten (lit. a), das Verbot eugenischer Praktiken (lit. b), das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen (lit. c) sowie das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen (lit. d) zu beachten sind. Die Regelung bildet damit eine Schranke u.a. für die in Art. 13 EUGrCh gewährleistete Forschungsfreiheit.[57]
III. Nationales Recht
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Auf nationaler Ebene gewährleistet Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre. Dabei bildet die Wissenschaftsfreiheit[58] den Oberbegriff, dem Forschung und Lehre zugeordnet sind; er umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG „vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe“.[59] Die zahlreichen spezialgesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet der medizinischen Forschung greifen nicht unerheblich in die Wissenschaftsfreiheit ein; eine Rechtfertigung für derartige Eingriffe kann sich aus den immanenten Schranken der Grundrechte sowie anderen Werten von Verfassungsrang ergeben. Für den vorliegenden Kontext sind insofern v.a. die Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) relevant.[60] Dabei ist der Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen.[61]
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Sind von der medizinischen Forschung Minderjährige betroffen, so ist auch das in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Elternrecht tangiert.[62] Gemäß §§ 1626, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB obliegt die Personensorge beiden Elternteilen; sie hat sich stets am Wohl des Kindes zu orientieren (vgl. § 1627 S. 1 BGB). Vor diesem Hintergrund scheidet eine Einwilligung in die Teilnahme an ausschließlich fremdnütziger Forschung aus.[63] Als gesetzliche Vertreter sind die Eltern befugt, für das Kind die Einwilligung in ärztliche Heileingriffe zu erklären, sofern hierin kein Sorgerechtsmissbrauch zu sehen ist. Die elterliche Entscheidungsbefugnis wird allerdings sukzessive von der zunehmenden Grundrechtsmündigkeit des heranwachsenden Minderjährigen überlagert (vgl. Rn. 79).
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Die bedeutendste einfachgesetzliche Rechtsquelle für den Bereich der medizinischen Forschung bildet das Arzneimittelgesetz, das v.a. in seinen §§ 40 ff. detaillierte Regelungen für die Durchführung klinischer Prüfungen enthält. Keine Anwendung finden die in Rede stehenden Vorschriften auf nicht-interventionelle Prüfungen i.S.v. § 4 Abs. 23 S. 3 AMG, auf den individuellen Heilversuch sowie auf den sog. Off-Label-Use, d.h. den Einsatz von Arzneimitteln außerhalb des zugelassenen Gebrauchs.[64]
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Erwähnenswert ist überdies die Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCP-Verordnung). Der Zweck dieser Verordnung, die in Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/20/EG entstanden ist[65] und ihre Rechtsgrundlage in § 42 Abs. 3 AMG findet, besteht nach § 1 Abs. 1 GCP-V darin, die Einhaltung der guten klinischen Praxis bei der Planung, Durchführung und Dokumentation klinischer Prüfungen am Menschen und deren Berichterstattung sicherzustellen, um so zu gewährleisten, dass die Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen der betroffenen Person geschützt werden und die Ergebnisse der klinischen Prüfung glaubwürdig sind. Bei klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln, die aus einem gentechnisch veränderten Organismus oder einer Kombination von gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten, ist darüber hinaus gemäß § 1 Abs. 2 GCP-V der Schutz der Gesundheit nicht betroffener Personen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge bezweckt. Zum Wegfall der GCP-Verordnung mit der Geltungserlangung der VO (EU) 536/2014 vgl. bereits oben Rn. 13.
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Weitere gesetzliche Regelungen zu Einzelfragen der medizinischen Forschung finden bzw. fanden sich (in der Vergangenheit) im Medizinproduktegesetz (nunmehr: Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz[66]) sowie im Strahlenschutzgesetz und in der Strahlenschutzverordnung. Das Berufsrecht der Ärzteschaft widmet sich der medizinischen Forschung in § 15 MBO-Ä (bzw. in den entsprechenden Bestimmungen der Berufsordnungen der Landesärztekammern).