Handbuch Arzthaftungsrecht. Alexander Raleigh Walter

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Handbuch Arzthaftungsrecht - Alexander Raleigh Walter

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die Hemmungswirkung der Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB darauf an, dass der Antrag zulässig ist. Das ist er insbesondere dann nicht, wenn die Haftung der Beklagtenpartei nicht alternativ zur Haftung des Streitverkündeten steht, sondern auch aus der Sicht des Streitverkünders unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ein Anspruch gegen den Streitverkündeten besteht.[153] Die Streitverkündung kann also bei mehreren, an einer fehlerhaften Behandlung beteiligten Behandlern problematisch sein.

      159

      Ein typischer und zulässiger Fall der Streitverkündung ist dann gegeben, wenn darüber Streit besteht, ob ein Durchgangsarzt einen Fehler im Bereich seiner öffentlich-rechtlichen Aufgabe oder im Bereich der von ihm übernommenen Behandlung begangen hat. Hier kann es im Fall der Klage gegen die Berufsgenossenschaft aus Amtshaftung geboten sein, dem Durchgangsarzt den Streit zu verkünden oder umgekehrt bei einer Klage gegen den Durchgangsarzt der zuständigen Berufsgenossenschaft. Die Ansprüche stehen bei fahrlässiger Handlung des Durchgangsarztes im Verhältnis der Alternativität.

      160

      Wie bereits unter Rn. 52 ff. angesprochen, ist Streitgegenstand der Klage auf Schadensersatz aus fehlerhafter Behandlung grundsätzlich die Behandlung als einheitlicher Lebenssachverhalt. Treten im Rahmen der Begutachtung andere als die ausdrücklich gerügten Behandlungsfehler zu Tage, sind auch diese Streitgegenstand und die Verjährung ist auch insoweit durch das Verfahren gehemmt.

      161

      Dagegen werden Aufklärungsrüge und Behandlungsfehlervorwürfe als unterschiedliche Streitgegenstände gewertet,[154] so dass die allein auf fehlerhafte Behandlung gestützte Klage Ansprüche aus unzureichender Risikoaufklärung nicht hemmt.[155]

      162

      Allerdings kann sich eine Kenntnis vom Aufklärungsfehler erst im laufenden Verfahren ergeben, wenn der klagende Patient fest davon ausgeht, dass er durch ein fehlerhaftes Vorgehen geschädigt wurde, dann aber im Rahmen der Begutachtung erfährt, dass es sich bei der Schädigung um ein bekanntes dem Eingriff anhaftendes Risiko handelt. Dennoch bietet es sich an, vorsorglich und hilfsweise für den Fall, dass ein Behandlungsfehler verneint wird, die Aufklärungsrüge zu erheben.

      163

      Unterschiedliche Streitgegenstände nimmt das OLG Köln in einer Entscheidung vom 5.3.2018 an hinsichtlich der vom Erben eingeklagten Schmerzensgeldansprüche des Verstorbenen und der später wegen eigener psychischer Folgeschäden geforderten Schadensersatzansprüche.[156] Letztere waren nach Ansicht des OLG verjährt, weil die Verjährungshemmung sich zunächst auf die ererbten Ansprüche beschränkte.

      164

      Wer als Anwältin/Anwalt der Patientin/des Patienten nicht vom eigenen Haftpflichtversicherer in die höchst unangenehme Rolle des „damaligen Bevollmächtigten und jetzigen Streithelfers der Arztseite“[157] gedrängt werden möchte, weil die Hoffnung des Haftpflichtversicherers auf eine Abwehr der Anwaltshaftung nur noch auf der Behauptung ruht, einen schadenskausaler Behandlungsfehler habe es gar nicht gegeben, sollte in allen Grenzsituationen das Gebot des sichersten Weges im Blick behalten. Dieser Hinweis darf in einem an die Praxis und insbesondere an die anwaltlichen Praktiker gerichteten Handbuch nicht fehlen, auch wenn dies nicht der Ort für eine anwaltshaftungsrechtliche Ausarbeitung ist. Unabhängig davon verschlechtert auch dort, wo die Schwelle zur Anwaltshaftung noch nicht überschritten ist, eine unnötig in Kauf genommene Verjährungsdiskussion die Position der Klägerin/des Klägers.

      165

      Zunächst ist aber einer Argumentationsfigur entgegenzutreten, die bei Verjährungsdiskussionen gelegentlich in Schriftsätzen der Passivseite zu finden ist und die dahin geht, der Klägerseite sei grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen, weil sie nicht dem Gebot des sichersten Weges gefolgt sei oder weil sie keinen Einredeverzicht eingeholt habe. Die Frage nach grob fahrlässiger Unkenntnis ist eine gänzlich andere als die nach dem sichersten Weg oder die nach der Sinnhaftigkeit der Einholung eines Einredeverzichts. Dass die Aktivseite zu einem früheren Zeitpunkt etwas hätte tun können, liegt in der Natur der mindestens dreijährigen Verjährungsfrist, sagt aber nichts dazu aus, ob eine für die Klagerhebung ausreichende Kenntnis in verjährungsrelevanter Zeit vorgelegen hat. Und ohne ausreichende Kenntnis oder ohne grob fahrlässige Unkenntnis beginnt die Verjährung nicht und muss auch kein Einredeverzicht eingeholt werden.

      166

      Dennoch haben die verschiedenen Fallkonstellationen und die vorstehend zu den einzelnen Themen aufbereiteten Entscheidungen der Obergerichte und des Bundesgerichtshofs gezeigt, dass zur Frage der Kenntnis, der grob fahrlässigen Unkenntnis und zur Frage der Verjährungshemmung noch eine erhebliche Bandbreite von Argumentationsmustern in der Welt ist.

      167

      Kommen wir zurück auf die Diskussion, inwieweit Unmutsäußerungen oder Vorwürfe der Patientenseite als durchgreifendes Indiz für eine bereits vorliegende Kenntnis von einer schadenskausalen Standardunterschreitung zu werten sind, führen die „patientenfreundlichen“ Stimmen in der Literatur[158] gewichtige Argumente an. Dennoch sollte die Anwältin/der Anwalt auf Aktivseite grundsätzlich dort, wo dies zum Zeitpunkt der Beauftragung noch möglich ist, schon die Diskussion über diese Frage vermeiden. Dort, wo nicht lediglich Unmutsäußerungen oder Unzufriedenheit in verjährungsrelevanter Zeit festzustellen sind, sondern bereits konkrete Vorwürfe ausformuliert oder gar Schadensersatzforderungen geltend gemacht wurden, ist es für die Gerichte schwer erkennbar, dass hier noch keine den Schadensersatzanspruch begründende Umstände bekannt gewesen sein sollen, der Patient bzw. sein Anwalt lediglich den Versuch einer Substantiierung unternommen hat.

      168

      Dabei muss in der anwaltlichen Vertretung auf Aktivseite ein Phänomen im Blick behalten werden, auf welches J. Prütting hinweist, dass nämlich in der I. Instanz und gelegentlich auch in der II. Instanz eine Tendenz zu beobachten ist, dass auch im Interesse der Erledigung des Geschäftsaufkommens Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis leichter bzw. früher angenommen wird.[159] Das unausgesprochene, manchmal sogar direkt angedeutete Motto, was sollen wir hier die Verjährung verneinen und die ganze Beweisaufnahme durchführen, wenn dann möglichweise in der II. Instanz Verjährung angenommen wird, gehört zu der nicht ganz seltenen Erfahrung der Praxis.

      169

      Die Klagabweisung wegen Verjährung führt dann gelegentlich zum Aufgeben der Patientenseite. Geht die Sache in die Berufung und korrigiert das Oberlandesgericht die verjährungsrechtliche Beurteilung der I. Instanz, kommt es erst in der II. Instanz zu der sachverständig beratenen Klärung des Anspruchsgrundes. Und da diese Klärung selbst bei Bestätigung eines Behandlungsfehlers oft nur zu einem Teilerfolg führt, steht am Ende der Teilerfolg mit einer die Klägerseite belastenden Kostenquote für zwei (evtl. auch drei + Zurückverweisung) Instanzen. Dem nicht rechtschutzversicherten Mandanten bleibt von dem erzielten Erfolgt nach Abzug der ihm auferlegten Kosten dann ein deutlich geminderter Betrag, wenn überhaupt etwas übrigbleibt.

      170

      Verjährungsdiskussionen sollten daher soweit irgend möglich von Aktivseite vermieden werden. Soweit noch Klärungsbedarf vor einer Klagerhebung gesehen wird oder soweit sich Verhandlungen hinziehen und nicht eindeutig feststellbar ist, dass die Verjährung noch gehemmt

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