Handbuch Arzthaftungsrecht. Alexander Raleigh Walter
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V. Kenntniszurechnung bei einem Wechsel des SVT
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Vertreter von Krankenkassen müssen, wenn nach dem Schadensereignis ein Kassenwechsel stattgefunden hat, in ihrer „Anamnese“ die Zurechnung der Kenntnis der Vorgängerkasse beachten. Kommt es z.B. in einem schweren Geburtsschadenfall nach Ablauf der Elternzeit dazu, dass das zunächst über die Mutter bei der A-Krankenkasse mitversicherte Kind in die Familienversicherung des Vaters bei der D-Krankenkasse wechselt, und hatten Ermittlungen der der A-Krankenkasse vor dem Wechsel dort zu einer Kenntnis geführt, wird diese Kenntnis der D-Krankenkasse (und der bei ihr gebildeten Pflegekasse) ganz unabhängig davon zugerechnet, ob dort tatsächlich Kenntnis vorhanden ist. Der nachfolgende SVT erwirbt die Ersatzforderung, was den eingetretenen Verjährungsbeginn anbelangt, so, wie sie sich bei dem Rechtsübergang befindet.[111]
I. Verjährungshemmung durch außergerichtliche Verhandlungen, § 203 S. 1 BGB
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Mit der Schuldrechtsmodernisierung ist das Institut der Verjährungshemmung, welches zuvor nur für den Bereich der deliktischen Ansprüche in § 852 Abs. 2 BGB a.F. geregelt war, allgemein in das Verjährungsrecht in § 203 S. 1 BGB n.F. überführt worden. Es besteht Einigkeit, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu § 852 Abs. 2 BGB a.F. nunmehr auch nach § 203 S. 1 BGB n.F. gelten. Neu ist hingegen § 203 S. 2 BGB, in welchem es aber nicht mehr um Verjährungshemmung geht, sondern lediglich um eine vom Gesetzgeber gewollte Nebenwirkung der Verjährungshemmung. § 203 S. 2 greift in den Fällen, in denen nach Ende der Verjährungshemmung von der Verjährungsfrist nur weniger als 3 Monate übrig wären. In diesen Fällen wird durch § 203 S. 2 BGB nicht die Verjährungshemmung, sondern die Verjährungsfrist auf 3 Monate nach Ende der Verjährungshemmung verlängert.
1. Beginn der Verjährungshemmung
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Nach der zu § 852 Abs. 2 BGB a.F. ergangenen Rechtsprechung ist der Begriff des Verhandelns weit auszulegen. Es genügt danach jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort oder eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Nicht erforderlich ist, dass eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird. Es reicht aus, dass der Verpflichtete Erklärungen abgibt, die den Geschädigten zu der Annahme berechtigen, der Verpflichtete lasse sich jedenfalls auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadenersatzansprüchen ein.[112] Es muss noch nicht einmal über den Anspruch als solchen verhandelt werden. Es reicht bereits, dass der Gläubiger zur Vermeidung von Verjährungsdiskussionen an den Schuldner herantritt und mit diesem in Verhandlungen über einen Verjährungsverzicht eintritt, solange der Verpflichtete sich auf derartige Verhandlungen einlässt.[113]
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Werden aufgrund des Aufforderungsschreibens des Gläubigers Verhandlungen aufgenommen, dann wirkt die Hemmung auf den Zeitpunkt der ersten Geltendmachung des Anspruches, also des Zugangs des ersten Aufforderungsschreibens, zurück.[114] Jedoch wirken neue Verhandlungen nach einem Abbruch oder Einschlafen der Verhandlungen nicht auf den Zeitpunkt der ersten Geltendmachung zurück, sondern auf den Zugang der die neuen Verhandlungen einleitenden Schreiben oder Erklärungen.[115]
118
Spezifika für den Arzthaftungsbereich ergeben sich daraus, dass oft mehrere Schuldner in Anspruch genommen werden sollen und gelegentlich unklar bleibt, ob sämtliche Schuldner von der Verjährungshemmung erfasst sind. Darüber hinaus bereitet die Frage des Abbruchs oder des Endes der Verjährungshemmung Schwierigkeiten, insbesondere wenn es darum geht, ob Verhandlungen „eingeschlafen“ sind.
2. Erstreckung der Verjährungshemmung auf angestelltes medizinisches und nicht medizinisches Personal
119
Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer eines Krankenhausträgers führen nach Ansicht des OLG Düsseldorf zur der Verjährungshemmung auch gegenüber den dort angestellten, an der Behandlung beteiligten und über das Krankenhaus mitversicherten Ärzten, wenn nach den gesamten Umständen davon auszugehen ist, dass ein für alle Beteiligten eintrittspflichtiger Haftpflichtversicherer bei den Regulierungsverhandlungen mit dem Patienten auch für den verantwortlichen Arzt tätig wird.[116] Enger sieht dies das OLG Jena, welches meint, dass Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer des Krankenhausträgers die Verjährung gegen den behandelnden Krankenhausarzt nur dann hemmen, wenn nach den gesamten Umständen zweifelsfrei und eindeutig davon auszugehen ist, dass der Haftpflichtversicherer bei den Regulierungsverhandlungen auch für den bei ihm mitversicherten Arzt tätig geworden ist.[117]
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Soweit mit einem Krankenhausträger direkt verhandelt wird und keinerlei Klarstellung dahingehend erfolgt, dass von diesem die Verhandlungen auch für den verantwortlichen Arzt geführt werden, tritt nach Ansicht des OLG Oldenburg eine Verjährungshemmung im Verhältnis zum Arzt nicht ein.[118] Das OLG Oldenburg regt in der zitierten Entscheidung an: „Um Zweifeln hinsichtlich einer Verjährungshemmung vorzubeugen, sollten deshalb Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer stets ausdrücklich im Hinblick auf einen mitversicherten Arzt geführt werden.“ Dieser Rat sollte vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Jena allgemein beherzigt und es sollte auf Klarstellung gedrungen werden.
3. Ende der Verjährungshemmung:
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Die Verjährung ist gehemmt, bis eine Partei die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert oder die Verhandlungen in anderer Weise abbrechen lässt.
a) Ausdrücklicher Abbruch der Verhandlungen
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Für die Beendigung der Verhandlungen reicht es nicht, dass der Ersatzpflichtige seine Einstandspflicht verneint. Vielmehr muss er zugleich klar und eindeutig den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck bringen. Dies schließt der BGH aus der Bedeutung des Abbruchs von Verhandlungen für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche. Hier muss durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht mehr weiterverhandelt wird.[119]
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Das OLG Oldenburg hatte diese Grundsätze in einer Arzthaftungssache mit Urteil vom 23.8.2006 wie folgt angewandt: „Zwar hat die Beklagte zu 1. in dem Schreiben einleitend mitgeteilt, ‚dass die geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht anerkannt werden können‚ und ihre Auffassung anschließend eingehend begründet. Das allein reicht zur Beendigung der Hemmung jedoch nicht aus. Beendet werden Verhandlungen (nur) durch ein doppeltes Nein des Schuldners zum Anspruch überhaupt und zu weiteren Gesprächen über diesen (. . .). Erforderlich ist insoweit eine Verweigerung der Fortsetzung von Verhandlungen, die durch ein klares und eindeutiges Verhalten einer Partei zum Ausdruck kommen muss.“[120]
124
Kontrastierend