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Wer also medizinisch hinreichend beraten davon Kenntnis erhält, dass dem behandelnden Arzt ein Fehler vorzuwerfen ist, welcher unter Anlegung eines objektiven Facharztstandards schlechterdings nicht verständlich ist, kann sich auf fehlende oder unzureichende Kenntnis wegen Unsicherheiten in der Kausalität dann nicht mehr berufen, wenn der Fehler zumindest geeignet war, den Schaden hervorzurufen.
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In einem vom OLG Hamm entschiedenen Geburtsschadenfall hatten die Anwälte des Kindes im Jahr 2001 aus einem geburtshilflichen Privatgutachten den Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers hergeleitet. In einem zweiten Schritt 2002 war ein neuropädiatrisches Privatgutachten eingeholt worden, in welchem es als möglich eingestuft wurde, dass ohne diesen Fehler die eingetretene Schädigung vermieden worden wäre. Hier lagen nach der nachvollziehbaren Ansicht des OLG Hamm die Voraussetzungen für einen Verjährungsbeginn spätestens Ende 2002 vor und ein erst Ende 2006 ausgesprochener Einredeverzicht mit dem üblichen Vorbehalt, „soweit noch nicht verjährt“, konnte der Verjährungseinrede nicht mehr entgegengehalten werden.[58]
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Zu dem gleichen Ergebnis wird man kommen müssen, wenn die Kenntnis von Umständen vorliegt, die auf dem Umweg über einen Befunderhebungsfehler auf einen (fiktiven) groben, für die Verursachung der eingetretenen Schädigung geeigneten Behandlungsfehler schließen lassen.
V. Kenntnis der vom Patienten beauftragten Anwälte und Wissensvertretung
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Dass es bei Minderjährigen auf die Kenntnis der sorgeberechtigten Eltern und bei unter Betreuung stehenden Erwachsenen auf die Kenntnis ihrer Betreuer in deren Wirkungskreis ankommt[59] und dass ein mit der Prüfung und Verfolgung von Schadensersatzansprüchen beauftragter Rechtsanwalt Wissensvertreter des Geschädigten wird[60], gehört nicht zu den Besonderheiten des Arzthaftungsrechts und muss hier nicht vertieft werden.
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In seiner Entscheidung vom 26.5.2020[61] hatte der BGH dazu Stellung zu nehmen, welches Wissen einer vom Patienten beauftragten Kanzlei ihm zugerechnet werden kann. Die von dem Patienten beauftragte Kanzlei soll nach Ansicht der Beklagtenvertreter in verjährungsrelevanter Zeit (2006) in einem anderen Fall medizinisches Fachwissen dargelegt haben, welches dem Kläger im Streitfall hätte nutzbar gemacht werden müssen. Die Klägervertreter hatten dagegen eingewandt, dass beide Fälle von unterschiedlichen Sozien der Kanzlei bearbeitet worden seien.
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Konkret ging es in diesem Fall um die Folgen einer Schulterdystokie unter der Geburt. Die Beklagtenvertreter hatten gemeint vortragen zu dürfen, die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten in einem ganz anderen Fall, in welchem es auch um die Folgen einer Schulterdystokie ging, 2006 eine medizinische Bewertung vorgenommen, die in gleicher Weise auf die Umstände des konkreten Falles zutrafen. Auch wenn der andere Fall durch einen anderen Sozius bearbeitet wurde, hätte der Sozius, der den konkreten Fall bearbeitete, die medizinische Fachkenntnis seines Kollegen schon 2006 für seinen Fall nutzbar machen müssen. Mit den Beklagtenvertretern sah das OLG Koblenz darin, dass das nicht geschehen war, eine grob fahrlässige Unkenntnis der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Jahr 2006, die dem Kläger zuzurechnen sei, da seine Prozessbevollmächtigten Wissensvertreter seien.
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Der BGH hat sich in seiner Entscheidung gegen eine derartige Wissenszusammenrechnung medizinischer Fachkenntnisse einer Kanzlei ausgesprochen. Er weist auf die grundsätzlich anzuerkennende Gepflogenheit hin, innerhalb einer Anwaltssozietät die Bearbeitung der Mandate einzelnen Sozien zur eigenverantwortlichen Erledigung zu übertragen. Auch wenn für eine Anwaltssozietät das Erfordernis eines effektiven Informationssystems zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation und des Informationsaustausches zwischen den Sozien bestehe, könne das für das einzelne Mandat eingebrachte oder erworbene Fachwissen außerhalb von Rechtskenntnissen aus nicht juristischen Wissensgebieten wie beispielsweise der Medizin im Regelfall nicht zu dem in einer Sozietät notwendig auszutauschenden und in ein Informationssystem einzuspeisenden Wissen gehören. Die Vorstellung, in einer Kanzlei mit mehreren Anwälten, die auf Aktivseite Arzthaftungsfälle bearbeiten, könne das in den einzelnen Akten gesammelte medizinische (Halb-)Wissen in einer Art Kenntnis-Pool allen Mandanten zur Verfügung stehen, ist praxisfremd und verkennt die Notwendigkeit interdisziplinärer Bearbeitung arzthaftungsrechtlicher Mandate.
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Anzumerken bleibt zu der Entscheidung des BGH vom 26.5.2020 noch ein Aspekt, der dort keine Beachtung gefunden hat: Der in das Berufungsverfahren von den Beklagtenvertretern eingeführte Schriftsatz der Klägervertreter mit Parteivortrag aus einem anderem Verfahren hätte nicht zur Erörterung gestellt werden dürfen, zumal Parteivortrag ohnehin nicht als Beleg für medizinische Fachkenntnisse herhalten kann. Die Klägervertreter hätten diesen Parteivortrag detailliert nur unter Verstoß gegen ihre Verschwiegenheitspflichten oder um den Preis eines Parteiverrats zu Lasten des Mandanten in dem anderen Verfahren kommentieren können. Egal ob beide Verfahren von demselben Sozius oder von unterschiedlichen Sozien bearbeitet wurden, muss es als ausgeschlossen angesehen werden, dass eine Kanzlei in einem Verfahren A offenlegt, worauf Parteivortrag in einem Verfahren B beruht – auf tatsächlicher medizinischer Fachkenntnis, auf Internetrecherchen der Eltern des im Verfahren B vertretenen Kindes oder z.B. auf einer nicht zur Vorlage bestimmten gutachterlichen Stellungnahme. Auch ohne die Frage nach einer Wissenszusammenrechnung sollten Klägervertreter sich zu derartigen Hinweisen der Beklagtenvertreter aus anderen Mandatsverhältnissen grundsätzlich nicht einlassen.[62]
C. Kenntnis von unzureichender Risikoaufklärung oder Alternativaufklärung
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Die für den Schadenersatzanspruch gegen den Arzt oder Krankenhausträger erforderliche Kenntnis ist in Fällen unzureichender Risikoaufklärung oder Aufklärung über Behandlungsalternativen dann gegeben, wenn der Patient Kenntnis davon hat, dass im ersteren Fall sich in dem Schaden ein bekanntes Risiko verwirklicht hat, über welches hätte aufgeklärt werden müssen, über welches jedoch nicht aufgeklärt wurde. Dazu gehört allerdings auch das Wissen, dass der Schaden nicht auf ein fehlerhaftes Vorgehen zurückgeht.[63]
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In der zweiten Fallvariante, der unterbliebenen Aufklärung über Behandlungsalternativen, muss der Patient Kenntnis davon haben, dass es zu dem zum Schaden führenden Eingriff eine gleichwertige, wenn auch mit unterschiedlichen Risiken behaftete Alternative gegeben hätte, die ihn, wäre er darüber aufgeklärt worden, vor einen Entscheidungskonflikt gestellt hätte.
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Die Schwierigkeit bei der Kenntniserlangung liegt in diesen Fällen gerade nicht in der Feststellung eines Abweichens vom medizinischen Standard, sondern erschöpft sich in der Frage, ob der schlechte Ausgang als mögliches Risiko vorhersehbar, aber für den Patienten wegen unzureichender Aufklärung überraschend war.
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Das Gleiche gilt auch für die Fälle,