Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz
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Keine Ordnungsverstöße sind im Zusammenhang mit der Haltung von Hunden oder anderen Tieren erkennbar. Maßnahmen, die sich gegen bissige oder kotabsetzende Hunde richten, ergehen zum Schutz der Gesundheit (VGH BW, NVwZ 1992, 1105; VBlBW 1990, 29) oder zum Schutz verwaltungsrechtlicher Normen (Hundekot als Abfall i. S v. § 3 Abs. 1 KrWG). Gegen den Halter eines ständig bellenden Hundes kann zur Verhinderung der weiteren Begehung einer Ordnungswidrigkeit (§ 117 OWiG) und damit zum Schutz der öffentlichen Sicherheit eingeschritten werden. Streunende Hunde oder andere Tiere können Verkehrsunfälle verursachen. Maßnahmen dagegen ergehen also zum Schutz von Leben, Gesundheit und Vermögen. Das Halten gefährlicher Tiere kann u. U. eine Ordnungswidrigkeit nach § 121 OWiG sein, unsachgemäßes Halten kann gegen das Tierschutzgesetz verstoßen. Maßnahmen gegen sog. Kampfhunde (z. B. Leinenzwang, Maulkorbpflicht) sind rechtlich problematisch, weil es einen verlässlichen Rechtsbegriff „Kampfhund“ nicht gibt (vgl. VGH BW, NVwZ 1992, 1105; 1999, 1016; BVerfGE 110, 141; Orlikowski-Wolf, VR 2002, 369). Zur neuen „Kampfhundeverordnung“ s. u. § 17, RN 15. Die Zulässigkeit von Anlagen, die der Tierhaltung dienen, bestimmt sich nach Baurecht und/oder Bundes-Immissionsschutzrecht.
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Im Juni 2021 einigten sich die Innenminister der Länder auf einen Erlass, in dem die Reichskriegsflagge als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung angesehen wird, wenn sie eingesetzt wird, um bewusst an die Fahnenaufmärsche der Nationalsozialisten zu erinnern, bei ihrem Hissen ausländerfeindliche Lieder gesungen werden oder sie bei paramilitärisch anmutenden Versammlungen verwendet wird. Hintergrund der Entscheidung ist, dass die Reichskriegsflagge in der jüngsten Vergangenheit von rechtsextremistischen Gruppen bei Versammlungen immer öfter als Symbol und Ersatz für die verbotene Hakenkreuzfahne verwendet wurde. Zur Frage, ob die öffentliche Sicherheit tangiert ist s. o. RN 25.
39b
Dass „wildes Plakatieren“, das Bemalen von Flächen oder das Anbringen von Graffiti die öffentliche Ordnung tangiert, ist nicht ersichtlich (a. A. OLG Stuttgart, NVwZ 1987, 171). Fraglich erscheint auch die Annahme einer Sondernutzung (§ 16 StrG), da hier kaum der Gemeingebrauch anderer beeinträchtigt wird. Richtig ist Folgendes: Wird durch derartige Handlungen rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört (§ 303 Abs. StGB) oder das Erscheinungsbild der Sache maßgeblich verändert (§ 303 Abs. 2 StGB), kann zum Schutz der öffentlichen Sicherheit eingeschritten werden. Sind diese Tatbestände nicht erfüllt, erscheint ein Ordnungsverstoß kaum vorstellbar.
39c
Der in der Praxis häufig verwendete Begriff „Ordnungsstörungen“ trägt wenig zur Lösung polizeirechtlicher Probleme bei. Soweit damit Verhalten oder Zustände beschrieben werden, die die „öffentliche Ordnung“ tangieren, ist er überflüssig. Wenn man aber den Begriff „Ordnungsstörung“ für Erscheinungen verwendet, die allein das gewünschte positive Erscheinungsbild einer Kommune trüben (z. B. das Herumlungern Jugendlicher oder Stadtstreicher), ohne dass die Gefahrenschwelle überschritten wird, erweckt man den Eindruck, als sei polizeiliches Einschreiten bereits zulässig, was aber nicht der Fall ist. Im Übrigen ist das (häufig mit der objektiven Situation nicht übereinstimmende) Sicherheitsgefühl der Bürger kein polizeiliches Schutzgut und ebenso wenig dürfen Personen, deren soziale Situation Maßnahmen des Sozialstaates herausfordert, zusätzlich mit den Mitteln des Polizeirechts ausgegrenzt werden.
Unter diesem Blickwinkel ist der in den letzten Jahren wiederholt vorgenommene Versuch mancher Kommunen, gestützt auf das Merkmal „öffentliche Ordnung“, unerwünschten Verhaltensweisen „im Kampf gegen die urbane Unordnung“ im Wege einer entsprechenden Polizeiverordnung entgegenzutreten, mit einer gewissen Skepsis zu betrachten.
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Eine Gefahr ist eine Sachlage, bei der die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Kurz: hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts.
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Gefahrenabwehr dient der Abwendung eines Schadens. Ein solcher ist eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung eines polizeilichen Schutzgutes. Darin unterscheidet er sich von bloßen Belästigungen, Geschmacklosigkeiten oder Unbequemlichkeiten, die noch keine Gefahr darstellen. Die Abgrenzung ist nicht immer einfach, zumal sich aus Belästigungen – je nach Ort, Zeit und Intensität – ein Schaden entwickeln kann.
Beispiele: Damenboxkämpfe, Damenringkämpfe oder Damenschlammkämpfe „Oben-Ohne“ sind grundsätzlich eine Geschmacklosigkeit (VG Karlsruhe, GewArch 1978, 163; a. A. BayVGH, NVwZ 1984, 254). Das vereinzelte Bellen eines Hundes ist regelmäßig keine Belästigung, anders dann, wenn dieses ständig und evtl. auch nachts erfolgt. Zur Lärmbelästigung durch Kuhglocken vgl. VGH BW 1996, 232.
Ob eine Beeinträchtigung nicht unerheblich ist, beurteilt sich aus der Sicht des sogenannten Durchschnittsbürgers.
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Für den Schadenseintritt muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen. Diese liegt zwischen der bloßen Möglichkeit und der Gewissheit des Eintritts des Schadens. Wo genau im Einzelfall, ist abhängig von der Wertigkeit der zu schützenden und der Rechtsgüter, in die durch die polizeiliche Maßnahme eingegriffen wird (VGH