Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz

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Polizeigesetz  für Baden-Württemberg - Reiner Belz Polizeirecht kommentiert

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eine hinreichend konkrete Grundlage gefunden haben (VGH BW, VBlBW 1993, 227 f.), oder sie können aufgrund des gewohnheitsrechtlich bestehenden öffentlich-rechtlichen Hausrechts durch Verwaltungsakt ergehen (VGH BW, JW 1994, 2500, 2501). Zu ihrer Durchsetzung ist die Hinzuziehung des Polizeivollzugsdienstes unter den Voraussetzungen des § 105 Abs. 5 möglich.

      Beispiel: Ein Schüler weigert sich, einem Schulverweis nachzukommen. Der vom Schulleiter herbeigerufene Polizeivollzugsdienst „geleitet“ den Schüler vom Schulgelände.

      Dagegen ist die Ordnungsgewalt des Landtagspräsidenten gem. Art. 32 Abs. 2 VerfBW mit der Befugnis verbunden, selbst polizeiliche Maßnahmen zu ergreifen (BWStGH, NJW 1988, 3199, 3200).

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      Als kollektive Rechtsgüter werden solche angesehen, deren Schutz mit Rücksicht auf die Allgemeinheit, vornehmlich also auf das Leben in der staatlich organisierten Gemeinschaft, geboten ist (BVerwG, DVBl. 1974, 299 f.). Dazu zählen z. B. die öffentliche Wasserversorgung, die Volksgesundheit und die Natur und Landschaft (VGH BW, VBlBW 1987, 109, 110). Polizeilicher Schutz dieser Güter ist jedoch nur im Rahmen der vorhandenen Gesetze (z. B. Wassergesetz, Naturschutzgesetz, Infektionsschutzgesetz, Tiergesundheitsgesetz, Gentechnikgesetz, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) möglich, denn es ist nicht Aufgabe der Polizei, neue Standards zu setzen.

      Insofern ist die eigenständige Nennung dieses Schutzgutes im Grunde überflüssig. Wenn dann sogar „die Erhaltung und Verbesserung der Reinlichkeit des öffentlichen Raums“ dem Schutzgut öffentliche Sicherheit zuzuordnen sein soll (so VGH BW, VBlBW 2006, 103, 104), ist der Weg zum kollektiven Schutzgut „Kehrwoche“ nicht mehr weit.

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      Die Polizei hat auch die durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsgüter des Einzelnen zu schützen. Zu diesen Individualrechtsgütern gehören u. a. Leben, Gesundheit, Freiheit, Würde, Ehre, Eigentum.

      Beispiele: Untersagung eines sogenannten Zwergenweitwurfs, der einen Verstoß gegen die Würde des Menschen darstellt (VG Neustadt, GewArch 1992, 296).

      Einschreiten gegen gesundheitsbeeinträchtigendes Hundegebell (VGH BW, BWVPr. 1975, 60; VBlBW 1982, 142; 1996, 196), lärmende Kuhglocken (VGH BW, VBlBW 1996, 232) oder gegen herumstreunende Hunde, die Unfälle verursachen können.

      Untersagung der Leistung aktiver Sterbehilfe zum Schutz des Lebens (VG Karlsruhe, NJW 1988, 1536; VGH BW, NVwZ 1990, 378).

      Zum Betrieb eines Laserdromes angesichts der Menschenwürde s. u. RN. 36.

      Soweit die Präsentation von Plastinaten Verstorbener (Ausstellung, „Körperwelten“) der (populär-)wissenschaftlichen Vermittlung anatomischer Gegebenheiten dient, sie in einem sachlichen, auch der postmortalen Würde des Toten angemessenem Rahmen stattfindet und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird, widerspricht sie nicht den bestehenden bestattungsrechtlichen Regelungen, insbesondere dem § 25 BestattG (VGH BW, VBlBW 2006, 186). Ein Verbot der Ausstellung insgesamt aufgrund der §§ 1, 3 wäre daher unzulässig.

      Ein durch Polizeiverordnung erlassenes Taubenfütterungsverbot dient dem Schutz des Eigentums an Gebäuden und der Abwehr von Gesundheitsgefahren (VGH BW, VBlBW 2006, 103, 104).

      Schuss auf einen Geiselnehmer oder Amokläufer zum Schutz des Lebens der bedrohten Personen.

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      Auch das Vermögen, d. h. die Summe aller geldwerten Rechte, gehört zu den geschützten Individualgütern.

      Beispiele: Die Polizei stellt zur Sicherung einer Forderung die Personalien des Schuldners gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 fest.

      Zur Durchsetzung des Besitz- und Nutzungsrechts an Pkw und Garage wird ein davor parkendes Fahrzeug abgeschleppt (VG Freiburg, NJW 1979, 2060).

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      Die umfassende Einbeziehung der Individualrechte in das Schutzgut „öffentliche Sicherheit“ bedeutet nicht zugleich eine umfassende Zuständigkeit der Polizei. Zum Schutz ausschließlich privater Rechte darf nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 eingeschritten werden.

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      Zu den Individualrechten zählen auch die staatsbürgerlichen Rechte (z. B. Wahlrecht) und die Grundrechte. Aufgabe der Polizei ist es, ihre ungehinderte Ausübung zu gewährleisten (vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 2).

      Beispiele: Schutz einer Versammlung vor externen Störungen, Art. 8 GG (VGH BW, NVwZ-RR 1990, 602, 603). Schutz des Lebens einer obdachlosen Familie, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, durch Beschlagnahme einer Wohnung (VGH BW, VBlBW 1985, 18). Schutz rechtmäßig Streikender, Art. 9 Abs. 3 GG, vor Übergriffen von Streikbrechern. Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) durch Beschlagnahme einer Bildaufnahme, die unbefugt hergestellt wurde (VBlBW 1995, 282, 283; 2008, 375).

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      Bei ausschließlichen Selbstgefährdungen liegt grundsätzlich keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vor, sodass sich ein polizeiliches Eingreifen verbietet (Näheres s. u. RN 51).

      Prinzipiell stellt jeder (drohende) Verstoß gegen Normen der Rechtsordnung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Folgende Einschränkungen sind aber geboten: Sofern Rechtsgüter ausschließlich durch Normen des Privatrechts geschützt sind, ist die Polizei nur subsidiär unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 zuständig. Außerdem ist es nicht Sache der Polizei, bei jeder Verletzung einer Norm des öffentlichen Rechts einzuschreiten. Polizeirechtlich relevant sind lediglich Verstöße gegen die normativen Ge- oder Verbote des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts und des Verwaltungsrechts (VGH BW, NVwZ 1994, 1233, 1234).

      Schutz der Strafgesetze und Ordnungswidrigkeitentatbestände bedeutet vorbeugende Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (nicht zu verwechseln mit der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“, s. u. RN 46).

      Beispiele:

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