Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz

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Polizeigesetz  für Baden-Württemberg - Reiner Belz Polizeirecht kommentiert

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die in den Aufgabenkreis der Polizei fallen. Neben der Gefahrenabwehr gehören dazu die anderen Zwecken dienenden Aufgaben, wie z. B. die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Einen Hinweis auf den formellen Polizeibegriff gibt § 1 Abs. 2.

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      Unter Polizei im materiellen Sinne (hier geht es um den spezifischen Inhalt polizeilichen Handelns) versteht man die Tätigkeit, die auf die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gerichtet ist. Diese Aufgabe wird der Polizei allgemein durch § 1 Abs. 1 zugewiesen, d. h., Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst haben prinzipiell dieselbe Aufgabe. Wie sich aus § 2 Abs. 2 ergibt, können allerdings auch andere, nichtpolizeiliche Stellen mit der Aufgabe der Gefahrenabwehr betraut sein.

      Zur Gefahrenabwehr durch andere, nichtpolizeiliche Stellen, vgl. die Erläuterungen zu § 2 Abs. 1.

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      Ausgangspunkt für den Begriff „Polizeirecht“ ist der materielle Polizeibegriff: Polizeirecht ist das Recht der Gefahrenabwehr. Als allgemeines Polizeirecht bezeichnet man die Normen und Grundsätze, bei denen die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung den alleinigen und unmittelbaren Gesetzeszweck bildet. Es hat in Baden- Württemberg seinen Niederschlag im Polizeigesetz gefunden. Das besondere Polizeirecht regelt dagegen Gefahrenabwehr in speziellen Lebensbereichen, wobei die entsprechenden Gesetze häufig auch andere Zwecke verfolgen. Zum besonderen Polizeirecht zählt man z. B. Abfallrecht, Aufenthaltsrecht, Bauordnungsrecht, Bodenschutzrecht, Gewerbe- und Gaststättenrecht, Immissionsschutzrecht, Katastrophenschutzrecht, Seuchenrecht, Straßenverkehrsrecht, Versammlungsrecht und das Wasserrecht. In der Praxis hat das besondere das allgemeine Polizeirecht in vielen Bereichen verdrängt. Letzterem kommt heute nur noch eine Reservefunktion zu.

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      Schutzgüter der Gefahrenabwehr sind – wie in fast allen anderen Bundesländern auch – die „öffentliche Sicherheit oder Ordnung“. Bei diesen Begriffen handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die vor der Subsumtion einer Auslegung bedürfen. Ein Beurteilungsspielraum steht der Polizei hierbei nicht zu, d. h., Auslegung und Subsumtion unterliegen voll der gerichtlichen Kontrolle. Öffentliche Sicherheit und öffentliche Ordnung sind alternative Schutzgüter (§ 1 Abs. 1: „oder“). Zunächst ist das Merkmal „öffentliche Sicherheit“ zu prüfen. Wird dieses bejaht, erübrigt sich ein Eingehen auf das Merkmal „öffentliche Ordnung“. Nur wenn ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit nicht vorliegt, bleibt Raum zur Prüfung des Merkmals „öffentliche Ordnung“. Die häufig anzutreffende Praxis, Maßnahmen undifferenziert auf beide Merkmale zu stützen, ist nicht nur dogmatisch zweifelhaft, sie führt häufig auch zu falschen Ergebnissen.

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      Trotz der außerordentlichen Weite des Inhalts der Begriffe „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“ wird ihre Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot und damit mit dem Rechtsstaatsprinzip angenommen, weil sie seit langer Zeit durch Lehre und Rechtsprechung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend präzisiert seien (BVerfGE 54, 143, 144; BVerwG, NVwZ 2002, 598; 2007, 1439, 1440) – eine Auffassung, die hinsichtlich des Begriffs „öffentliche Ordnung“ jedoch nicht uneingeschränkt geteilt wird (s. u. RN 32, 33).

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      Die heute gängige Auslegung des Begriffs „öffentliche Sicherheit“ geht auf die amtliche Begründung zu § 14 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes zurück. Schutz der öffentlichen Sicherheit bedeutet danach Schutz der durch die Rechtsordnung geschützten Güter, wie z. B. den:

      – Schutz des Bestandes des Staates, der Funktionsfähigkeit seiner Einrichtungen und Schutz kollektiver Rechtsgüter,

      – Schutz von Individualgütern,

      – Schutz der Güter, die durch Normen des Straf-, Ordnungswidrigkeiten- oder Verwaltungsrechts geschützt sind.

      Beim Einschreiten zum Schutz der öffentlichen Sicherheit kann es immer nur darum gehen, eine drohende Verletzung von Rechtsnormen abzuwehren. Rechtmäßige Handlungen und Zustände können also die öffentliche Sicherheit nicht tangieren. Gegen den, der von seinen Grundrechten, gesetzlich eingeräumten Befugnissen oder von einer behördlichen Erlaubnis Gebrauch macht, darf die Polizei nicht einschreiten. Die Verletzung von nicht durch die Rechtsordnung erfassten Gütern kann allenfalls für das Tatbestandsmerkmal „öffentliche Ordnung“ bedeutsam sein.

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      Die herkömmliche Auslegung des Begriffs „öffentliche Sicherheit“ umfasst auch die in § 1 Abs. 1 Satz 2 besonders genannten Schutzgüter „verfassungsmäßige Ordnung“ und „ungehinderte Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte“, sodass ihre Erwähnung eigentlich überflüssig ist. Ebenso wenig kann daraus eine Rangfolge der Schutzgüter als Maßstab für polizeiliches Handeln abgelesen werden, denn welches Schutzgut im Kollisionsfall „vor Ort“ Vorrang genießt, kann nicht abstrakt festgelegt werden.

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      Ein Blick auf die einzelnen Schutzgüter zeigt, dass die Schutzrichtung sowohl individual- als auch gemeinschaftsbezogen ist. Diesen Aspekt spricht § 1 Abs. 1 Satz 1 noch einmal ausdrücklich an: „… von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren …“. Um zusätzlich zu prüfende Tatbestandsmerkmale handelt es sich hierbei nicht.

       aa) Schutz des Bestandes des Staates

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      Schutz des Bestandes des Staates bedeutet Schutz vor Angriffen gegen die „Grundfesten“ unseres Staates und damit Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung, wie sie im Grundgesetz ihre Verankerung gefunden hat. Nichts anderes meint der Begriff „verfassungsmäßige Ordnung“ in § 1 Abs. 1 Satz 2. Diese Grundordnung ist umfassend durch die Bestimmungen des Staatsschutzstrafrechts, §§ 80 a ff., 105 ff., 109 ff., 111 ff. StGB geschützt. Eine präventive polizeiliche Tätigkeit in diesem Bereich ist also in der Regel eine solche zur vorbeugenden Verhütung dieser Straftaten (s. u. RN 24).

      Beispiel: Auf einem Flohmarkt werden T-Shirts, die mit dem Konterfei Adolf Hitlers versehen sind, nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 beschlagnahmt. Über das Internet wird rassistische Propaganda

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