Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz

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Polizeigesetz  für Baden-Württemberg - Reiner Belz Polizeirecht kommentiert

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      „Beruf“ ist jede erlaubte, auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. Die Berufsfreiheit, die sowohl die Freiheit der Berufswahl wie auch die Freiheit der Berufsausübung umfasst, unterliegt dem Vorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, wobei die Zulässigkeit von Eingriffen einer Stufenfolge unterliegt („Dreistufentheorie“; BVerfGE 7, 377). Einschränkungen der Berufswahl sind nur aufgrund eines speziellen Gesetzes (vgl. z. B. § 1 GewO), nicht aber nach dem Polizeigesetz zulässig. Letzteres kann allerdings Grundlage für Eingriffe in die Berufsausübung sein, sofern spezielle Rechtsgrundlagen fehlen (BVerwG, NVwZ 2002, 598 – Laserdrom). Dass Art. 12 GG nicht in § 4 genannt ist, steht dem nicht entgegen, weil für dieses Grundrecht wegen seines Regelungsvorbehalts nicht das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG gilt (s. o. RN 1).

       (1) Kommen für die Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe mehrere Maßnahmen in Betracht, so hat die Polizei die Maßnahme zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

       (2) Durch eine polizeiliche Maßnahme darf kein Nachteil herbeigeführt werden, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.

      Literatur: Erbel, Die Unmöglichkeit von Verwaltungsakten, 1972; Grupp, Das Angebot des anderen Mittels, VerwArch Bd. 68 (1978) 125; Heintzen, Konkretisierungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, DVBl. 2004, 721; Ossenbühl, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, Jura 1997, 617 Michael, Grundfälle zur Verhältnismäßigkeit, JuS 2001, 654 u. 764; Voßkuhle, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, JuS 2007, 429.

      Inhaltsübersicht

       1

      § 5 enthält eine Teilregelung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit i. w. S., auch Übermaßverbot genannt. Dieser Grundsatz wird zumeist aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet, ergibt sich aber bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst. Er enthält drei Komponenten, wobei die Terminologie nicht einheitlich ist:

      – Grundsatz der Geeignetheit,

      – Grundsatz des geringsten Eingriffs (auch Grundsatz der Erforderlichkeit oder des mildesten Mittels genannt), Abs. 1,

      – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i. e. S. (auch Grundsatz der Angemessenheit oder Proportionalität genannt), Abs. 2.

      Diese Komponenten sind in dieser Reihenfolge zu prüfen, weil dadurch der polizeiliche Handlungsspielraum zunehmend eingeengt wird.

       2

      Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bindet jedes polizeiliche Handeln ohne Weiteres. Darüber hinaus weist das Polizeigesetz außer in § 4 an mehreren Stellen auf diesen Grundsatz hin, so z. B. in §§ 9 Abs. 1, 33 Abs. 1 Nr. 1 und 3, 31 Abs. 3, 36 Abs. 1 Nr. 1 und vor allem in den Bestimmungen über den Polizeizwang (§ 63 ff.). Zur Bindung des Ermessens durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit s. o. § 3, RN 32.

       a) Der Grundsatz der Geeignetheit

       3

      Geeignet sind nur solche Maßnahmen, die zur Gefahrenabwehr als legitimem Ziel dieser Maßnahme auch tauglich sind. Es genügt, wenn sie einen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten, komplette Gefahrenabwehr ist also nicht Voraussetzung, ein „Schritt in die richtige Richtung“ reicht aus. Ungeeignet und damit rechtswidrig ist eine Maßnahme erst dann, wenn sie sich als objektiv oder evident untauglich erweist (VGH BW, VBlBW 2004, 20, 24).

      Beispiel: Auch wenn es in Folge einer Videoüberwachung zu einer Verlagerung der Kriminalität kommt, ist sie nicht ungeeignet, da es nach h. M. zumindest im überwachten Bereich zu einer Abnahme der Kriminalität kommt (VGH BW, VBlBW 2004, 20, 24).

      Für die Beurteilung der Geeignetheit ist auf den Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahmen (exante) und auf die dort vorliegenden Tatsachen und Erkenntnisse abzustellen. Eine Maßnahme wird also nicht fehlerhaft, wenn sich ihre Ungeeignetheit später herausstellt.

       4

      Nicht geeignet sind Maßnahmen, die etwas Unmögliches anordnen. Wird z. B. durch eine Polizeiverfügung etwas tatsächlich Unmögliches aufgegeben, ist diese Verfügung nichtig, § 44 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG.

      Beispiel: Die Anordnung, einen Platz innerhalb von 15 Minuten zu räumen, wenn der Abmarsch sichtbar für längere Zeit blockiert ist.

      Rechtswidrig oder nichtig sind grundsätzlich auch solche Maßnahmen, die etwas rechtlich Unmögliches, also etwas, das gegen öffentliches oder privates Recht verstößt, anordnen.

       Beispiel: Anlässlich einer Fahrzeugkontrolle wird festgestellt, dass der Fahrer betrunken ist. Die an den Beifahrer gerichtete Anordnung, den Fahrer nach Hause zu fahren, ist rechtswidrig, wenn dieser keinen Führerschein hat (vgl. § 1 Abs. 1 StVZO).

      Ergeht in Fällen einer dinglichen oder obligatorischen Mitberechtigung eine polizeiliche Anordnung nur an einen der Mitberechtigten, wird diesem etwas zivilrechtlich Unmögliches aufgegeben, wenn der oder die andere(n) Mitberechtigte(n) mit dem Angeordneten nicht einverstanden ist (sind).

      Beispiel: Die Polizei ordnet die Beseitigung eines morschen Baumes, der auf die Straße zu stürzen droht, gegenüber A an. Eigentümer des Grundstücks sind A und B, die beide nichts unternehmen wollen. Die Verfügung gibt dem A etwas rechtlich Unmögliches auf, da er gegen den Willen des B nicht

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