Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz

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Polizeigesetz  für Baden-Württemberg - Reiner Belz Polizeirecht kommentiert

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Anspruch auf polizeiliches Einschreiten

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      Der Verpflichtung oder Berechtigung zum polizeilichen Handeln steht nicht automatisch das Recht des Bürgers auf eine konkrete Maßnahme oder auf fehlerfreie Ermessensausübung gegenüber. Das ist nur der Fall, wenn die anzuwendende Norm die Interessen des Einzelnen schützt und dieser Schutz bezweckt ist, mithin ein subjektiv-öffentliches Recht vorliegt. Die Generalklausel und die speziellen Ermächtigungsgrundlagen des Polizeigesetzes – nicht aber § 2 Abs. 2 – können ein solches sein. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 1 (von dem Einzelnen … Gefahren abzuwehren), sondern auch aus den individualbezogenen Schutzgütern (z. B. Leben, Gesundheit, Freiheit), die vom Begriff „öffentliche Sicherheit“ umfasst sind.

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      Kann sich der Bürger auf ein subjektiv-öffentliches Recht berufen, so steht ihm bei gebundener Verwaltung ein Anspruch auf das Handeln und/oder die vom Gesetz festgelegte Maßnahme zu. Bei Ermessensnormen besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens. Hat sich aber das Ermessen „auf null“ reduziert (s. o. RN 30), erwächst ein Anspruch wie bei der gebundenen Verwaltung.

      Beispiel: Im ersten Beispielsfall bei RN 33 hat der Obdachlose nicht nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, sondern einen Anspruch auf die Zuweisung einer ganztägigen Unterkunft.

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      Die Befugnis der Polizei zum Einschreiten kann im Einzelfall verwirkt sein, nämlich dann, wenn seit der Möglichkeit des Einschreitens längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die das spätere Tätigwerden der Polizei als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Bloßes längeres Untätigbleiben der Polizei schafft jedoch keine Vertrauensgrundlage, die eine Verwirkung rechtfertigen könnte (VGH BW, NVwZ-RR 1996, 387, 389 f.; VBlBW 2008, 339, str., vgl. auch VGH BW NVwZ-RR 2000, 589, 591).

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      Ob hinsichtlich der Befugnis zum polizeilichen Einschreiten gegen einen bestimmten Störer eine Verjährungsfrist in analoger Anwendung der §§ 194 ff. BGB gilt, ist umstritten, wird aber von der wohl h. M. verneint (vgl. VGH BW, NVwZ-RR 1996, 387, 390; 2000, 589, 591; VBlBW 2008, 339). Diese „Ewigkeitshaftung“ ist berechtigt und hat ihren Grund darin, dass die Befugnis und evtl. die Pflicht der Polizei zu gefahrenabwehrendem Handeln nicht mit einem zivilrechtlichen Anspruch gleichgesetzt werden kann.

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      Dagegen bestehen hinsichtlich einer Verjährung von Polizeikostenersatzansprüchen (z. B. nach durchgeführter unmittelbarer Ausführung einer Maßnahme nach § 8 Abs. 1) grundsätzlich keine Bedenken, denn bei diesen handelt es sich „lediglich“ um vermögensrechtliche Ansprüche. Überwiegend wird deshalb hier die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (analog § 195 BGB) anerkannt. Wurde ein Verwaltungsakt in der Form eines Kostenbescheids erlassen und ist dieser unanfechtbar, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre, § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG. Vgl. auch § 100, RN 7 und § 102, RN 4.

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      Für den Kostenersatz für Amtshandlungen nach dem LVwVG (Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) gelten gemäß § 31 Abs. 6 LVwVG die besonderen Verjährungsvorschriften der §§ 17 und 23 LGebG. Letztere finden unmittelbar Anwendung für Gebühren und Auslagen, die aufgrund des LGebG erhoben werden. Bei einer Erhebung aufgrund des KAG gelten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 a KAG die Verjährungsvorschriften der AO (§§ 228–232), vgl. § 127, RN 9.

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      Polizeiliche Maßnahmen können erhebliche Kosten verursachen.

      Beispiele: Kosten für die Begleitung eines Schwertransports, für den Einsatz bei einem Fußballspiel, für die Bergung und das Abschleppen eines Kfz.

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      Welcher Träger der öffentlichen Verwaltung für die Kosten der Polizei aufzukommen hat, regelt § 127 (s. u. § 127, RN 1 ff.).

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      Fraglich ist, ob die Polizei bzw. ihr Kostenträger Ersatz vom Pflichtigen verlangen kann, was im Einzelfall als durchaus gerechtfertigt erscheint.

      Beispiele: Bei einer Ersatzvornahme erledigt die Polizei praktisch ein „Geschäft“ des Pflichtigen. Die Begleitung eines Schwertransports begünstigt den Unternehmer.

      Anspruch auf Zahlung einer Gebühr gegen den Veranstalter für den Mehraufwand bei kommerziellen Hochrisiko-Veranstaltungen wie etwa Bundesliga-Fußballspielen (BVerwG, Urt. v. 29.3.2019 – 9 C 4.18; hierzu Brüning, NVwZ 2019, 1416).

      Unumgänglich für einen derartigen Kostenersatzanspruch ist jedoch wegen des Gesetzesvorbehalts eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (z. B. § 4 Abs. 4 Bremer GebBeitrG für gewinnorientierte Hochrisiko-Veranstaltungen; in BW ist eine entsprechende Vorschrift nicht vorhanden). Näher dazu s. u. § 127, RN 8 f.

       Durch polizeiliche Maßnahmen auf Grund dieses Gesetzes können im Rahmen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland eingeschränkt werden

      1. das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes),

      2. die Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes),

      3. die Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes)

      4. das Brief, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 des Grundgesetzes),

      5. die Freizügigkeit (Artikel 11 des Grundgesetzes),

      6. die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes),

      7. das Eigentum (Artikel 14 des Grundgesetzes).

      Literatur: Alberts, Die Bedeutung des Zitiergebots, Art. 19 Abs. 1 Satz 2, insbesondere für die neuere Polizeigesetzgebung, JA 1986, 72; ders., Freizügigkeit als polizeiliches Problem, NVwZ 1997, 45; Becker, Grundrechtliche Grenzen staatlicher Überwachung zur Gefahrenabwehr, NVwZ 2015, 1335; Bünnigmann, Polizeifestigkeit im Versammlungsrecht, JuS 2016, 695; ders., Polizeifestigkeit im Presserecht, JuS 2016, 894; Frenz, Terrorismus und Menschenwürde, DÖV 2015, 305;

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