Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz

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Polizeigesetz  für Baden-Württemberg - Reiner Belz Polizeirecht kommentiert

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gestützt (VGH BW, VBlBW 2000, 474, 477). Umstritten ist, ob diese Maßnahme zwingend einer speziellen Ermächtigung bedarf (verneinend: BVerwG, NVwZ 2007, 1439, 1441; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2006, 613).

      Bei Auslandsbezug wird die Meldeauflage häufig von Ausreiseverboten und Pass- bzw. Ausweisbeschränkungen flankiert (vgl. § 7 ff. PassG; § 6 Abs. 7 PAuswG); vgl. OVG Bremen, DÖV 2009, 86.

       10c

      Für die Anordnung einer Ausgangssperre, wie sie in Frankreich zur Bekämpfung krimineller Unruhen in den Vororten großer Städte angeordnet worden ist, fehlt es an einer speziellen gesetzlichen Grundlage. Ein Rückgriff auf die Generalklausel verbietet sich, denn ein derart schwerer Eingriff in die Rechte vieler Bürger (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 11 GG) kann nur durch ein Gesetz, das die tatbestandlichen Voraussetzungen konkret umschreibt, zugelassen werden (s. o. RN 2b).

      Freiheitsbeschränkende Maßnahmen bei einem zivilen Notstand sehen z. B. § 10 ZSKG und § 29 LKatSG vor.

       10d

      Ein begünstigender Verwaltungsakt ist keine Polizeiverfügung, da dieser kein Ge- oder Verbot ausspricht, sondern eine Berechtigung begründet oder bestätigt oder eine Belastung beseitigt.

      Beispiele: Gewährung einer Entschädigung nach §§ 100 ff.; Aufhebung einer Beschlagnahmeanordnung, § 38.

      Nur begünstigender Verwaltungsakt ist grundsätzlich die sog. Einweisungsverfügung, die dem Obdachlosen das Recht auf Nutzung einer Unterkunft (z. B. eine beschlagnahmte Wohnung, s. u. § 38, RN 14 f.) einräumt. Belastend ist sie nur, wenn die zugewiesene Wohnung nicht den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft genügt (anders VGH BW, NVwZ-RR 1995, 326, 327).

       11

      Die formellen Rechtmäßigkeitsanforderungen an eine Polizeiverfügung bestimmen sich zunächst nach einem einschlägigen Spezialgesetz, andernfalls nach dem Polizeigesetz oder letztendlich nach dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz. Im Einzelnen müssen die folgenden formellen Voraussetzungen vorliegen:

      – die Polizei muss zuständig sein (sachlich, instanziell, funktionell und örtlich);

      – sie muss beim Erlass die bestehenden Verfahrensvorschriften einhalten (z. B. Anhörung Beteiligter – § 28 LVwVfG, Verbot der Mitwirkung ausgeschlossener Personen – § 20 LVwVfG, Begründung der Entscheidung – § 39 LVwVfG);

      – die Polizeiverfügung muss in der dafür vorgeschriebenen Form erlassen werden, wobei grundsätzlich Formfreiheit besteht (§ 37 Abs. 2 LVwVfG).

       12

      Bei den materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen sind zu prüfen:

      – die Ermächtigungsgrundlage muss wirksam sein und ihre Tatbestandsvoraussetzungen müssen vorliegen. Ist die polizeiliche Generalklausel Ermächtigungsgrundlage, muss eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gegeben sein (gilt auch für die Allgemeinverfügung, vgl. VG Karlsruhe, NVwZ-RR 2009, 22); konkret ist eine Gefahr, bei der sich die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts aus einem bestimmten einzelnen (realen) Sachverhalt ergibt.

      – die Polizeiverfügung muss sich an den richtigen Adressaten wenden (z. B. §§ 6, 7, 9);

      – die Maßnahme muss hinreichend bestimmt sein (§ 37 Abs. 1 LVwVfG);

      – soweit die Ermächtigungsgrundlage Ermessen einräumt, muss dieses fehlerfrei ausgeübt werden (s. u. RN 24 ff.). Außerdem darf die Maßnahme nicht gegen höherrangiges Recht (z. B. Grundrechte) verstoßen.

       13

      Um wirksam zu werden, bedarf die Polizeiverfügung der Bekanntgabe (§ 43 Abs. 1 LVwVfG) nach § 41 LVwVfG oder nach den Vorschriften des Landesverwaltungszustellungsgesetzes. Grundsätzlich setzt die Bekanntgabe die Verfahrenshandlungsfähigkeit (§ 12 LVwVfG) voraus. Die an eine nicht handlungsfähige Person gerichtete Verfügung (zur Zulässigkeit s. u. § 6, RN 4) muss also dem (oder den) gesetzlichen Vertreter(n) bekanntgegeben werden (vgl. § 6 Abs. 1 LVwZG). Muss jedoch sofort gehandelt werden und erscheint der gesetzliche Vertreter nicht oder nicht rechtzeitig erreichbar, ist eine Bekanntgabe auch an den Handlungsunfähigen zulässig.

      Beispiel: Ein Polizeibeamter bemerkt, dass ein ca. 10-Jähriger mit dem Auto seiner Eltern losfahren will. Er erlässt gegenüber dem Kind die Anordnung, auszusteigen und den Autoschlüssel herauszugeben.

      In derartigen Fällen nur ein Handeln nach § 8 Abs. 1 (unmittelbare Ausführung) zuzulassen, ist schon deswegen nicht sinnvoll, weil die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme bei unvertretbaren Handlungen (wie im obigen Beispiel) nicht zur Anwendung gelangen kann.

      Sofern Verkehrszeichen Allgemeinverfügungen sind, werden sie durch Aufstellung nach den Vorschriften der StVO bekanntgegeben (besondere Form der öffentlichen Bekanntgabe). Sie äußern damit ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Zeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht. Verkehrsteilnehmer ist nicht nur der Fahrer, sondern auch der Halter, solange er Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Fahrzeug ist (BVerwG, NJW 1997, 1021, 1022; VGH BW, Beschl. v. 2.3.2009 – 5 S 3047/08).

      Eine fehlerhafte Polizeiverfügung führt i. d. R. zur Rechtswidrigkeit mit der Konsequenz, dass – aus Gründen der Rechtssicherheit – die Verfügung dennoch gilt, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs. 2 LVwVfG). Nichtig und damit (innerlich) unwirksam ist eine Polizeiverfügung nur unter den Voraussetzungen des § 44 LVwVfG. Zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Polizeiverfügung stehen formlose Rechtsbehelfe (Gegenvorstellung, Fachaufsichtsbeschwerde und Dienstaufsichtsbeschwerde) und förmliche Rechtsbehelfe (Widerspruch und Klage) zur Verfügung.

       15

      Im Widerspruchsverfahren, das mit Erhebung des Widerspruchs beginnt (§ 69 VwGO), wird die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Polizeiverfügung überprüft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Erfolg hat der Widerspruch, wenn dieser zulässig und begründet ist. Über den Widerspruch entscheidet zunächst die Ausgangsbehörde, d. h. die Polizeibehörde oder Polizeidienststelle, welche die Polizeiverfügung erlassen oder abgelehnt hat. Sie erlässt einen Abhilfebescheid (§ 72 VwGO), sofern sie den Widerspruch für begründet hält. Andernfalls ergeht ein Widerspruchsbescheid (§ 73 VwGO). Zuständig ist hierfür grundsätzlich die nächsthöhere Behörde (§ 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO), d. h. die Behörde, die die Fachaufsicht über die Ausgangsbehörde hat. Bei Verwaltungsakten einer Polizeidienststelle nach § 105 Abs. 2 ist gem. § 16 AGVwGO nächsthöhere Behörde die unterste nach § 118 zur Fachaufsicht zuständige allgemeine Polizeibehörde.

      Beispiel:

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