Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz
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Nach § 3 darf die Polizei ihre Maßnahmen nur innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken treffen. Mit dieser Aussage wird an die Geltung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) für polizeiliches Handeln erinnert. Dieser Grundsatz enthält als erstes Element den Vorrang der Verfassung, d. h., polizeiliche Maßnahmen müssen stets verfassungskonform sein (Einzelheiten s. u. § 4). Der Vorrang des Gesetzes, das zweite Element, bedeutet, dass polizeiliche Maßnahmen nicht gegen (höherrangige) Rechtssätze verstoßen dürfen. Welche formellen und materiellen Anforderungen diese stellen, hängt auch von der Art der polizeilichen Maßnahme ab (Einzelheiten s. u. RN 10 ff.). Das dritte Element, der Vorbehalt des Gesetzes, besagt, dass niemand zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung gezwungen werden kann, wenn nicht ein Gesetz oder eine auf Gesetz beruhende Bestimmung es verlangt oder zulässt (so Art. 58 VerfBW).
c) Erforderlichkeit der Maßnahme
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Nach § 3 darf die Polizei nur solche Maßnahmen treffen, die „erforderlich erscheinen“. Das ist der Fall, wenn die Maßnahme notwendig ist, um eine bestimmte polizeiliche Aufgabe rechtmäßig, vollständig und zeitgerecht wahrzunehmen (VGH BW, DÖV 1995, 424, 426).
Beispiel: Die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen, die gem. § 81 b 2. Alt. StPO zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung angefertigt werden, ist dann nicht mehr erforderlich, wenn keine Anhaltspunkte vorliegen, dass die betreffende Person künftig kriminell in Erscheinung treten wird und die Unterlagen hierbei die Ermittlung fördern könnten (VGH BW, NJW 1987, 2762, 2763, 2764). Vgl. auch § 41 Abs. 3.
Den Begriff „erforderlich“ in diesem Sinne verwendet das Polizeigesetz recht häufig.
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Der Begriff „erforderlich“ in diesem Sinne ist nicht identisch mit dem Begriff „geeignet“ (dazu s. u. § 5, RN 3), denn eine an sich geeignete Maßnahme kann durchaus nicht erforderlich sein.
Beispiel: Im Beispielsfall bei RN 7 ist die weitere Aufbewahrung zwar zur Gefahrenabwehr an sich geeignet, aber nicht notwendig.
Vor allem ist der hier angesprochene Begriff der Erforderlichkeit von demselben Begriff zu unterscheiden, mit dem teilweise der Grundsatz des geringsten Eingriffs im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (s. u. § 5, RN 6) bezeichnet wird. Das wird leider häufig in der Literatur übersehen.
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Ob eine Maßnahme erforderlich ist, ist eine Rechtsfrage und daher der vollen verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterworfen. Da aber die Beurteilung der Erforderlichkeit von Maßnahmen häufig nur aufgrund einer Prognose über die künftige weitere Entwicklung möglich ist, beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle in diesen Fällen darauf, ob die Prognose die zutreffenden Tatsachen berücksichtigt hat und die getroffenen Wertungen sachgerecht und nachvollziehbar sind. Abzustellen ist hierbei auf den Kenntnisstand der Polizei zum Zeitpunkt ihres Einschreitens (vgl. VGH BW, VBlBW 1981, 182; NJW 1987, 2762).
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Die Polizeiverfügung – eine der bedeutsamsten Maßnahmen im Polizeirecht – ist ein Verwaltungsakt (§ 35 LVwVfG), der ein Ge- oder Verbot zur Gefahrenabwehr ausspricht.
Beispiel: Das Gebot, einen bissigen Hund anzuleinen, zur Dienststelle zu kommen, das ausgeübte stehende Gewerbe anzuzeigen, die Straße bei Eisglätte zu streuen, ein kontaminiertes Grundstück zu sanieren oder das Verbot, belastetes Gemüse zu verkaufen, eine Peep-Show zu betreiben, an Sonntagen einen Trödelmarkt abzuhalten.
Das Polizeigesetz kennt den Begriff „Polizeiverfügung“ nicht, dennoch ist es sinnvoll an ihm – zur Unterscheidung von anderen polizeilichen Verwaltungsakten – festzuhalten. Eine Polizeiverfügung erfüllt alle Merkmale des § 35 Satz 1 LVwVfG: Sie ist eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde (dazu zählen nach § 1 Abs. 2 LVwVfG auch die Polizeidienststellen, sofern sie zu eigenverantwortlichem Handeln im eigenen Namen nach außen befugt sind) zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (Polizeirechts) und sie ist auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet.
Eine Polizeiverfügung kann auch eine Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG) sein, d. h. ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihrer Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
Beispiele: Die Anordnung an alle Hausbesetzer, das Haus zu räumen. Aufforderung an Demonstranten, den Versammlungsort zu verlassen. Das über Rundfunk verbreitete Verbot, in allen von Typhus betroffenen Gebieten Endiviensalat zu verkaufen (BVerwG, NJW 1961, 2077). Die – allerdings rechtswidrige – Anordnung, während eines Volksfestes in bestimmten Bereichen einer Gemeinde keine alkoholischen Getränke mitzuführen und zu verzehren, VG Karlsruhe, NVwZ-RR 2009, 22.
Allgemeinverfügungen in Form der Benutzungsregelung sind auch die in Verkehrszeichen enthaltenen Ge- oder Verbote (BVerwG, NJW 1997, 1021, 1022. VGH BW, NJW 1991, 1698; VBlBW 2004, 216). Desgleichen über Funk und Fernsehen angeordnete Fahrverbote oder beschränkungen (vgl. § 45 Abs. 4 StVO).
Keine Allgemeinverfügung ist ein in persönlicher Anrede gehaltenes Blankoformular der Ortspolizeibehörde, das im Adressfeld und der namentlichen Anrede durch den Polizeivollzugsdienst aufgrund eigener tatsächlicher Feststellungen und eigener Bewertung ergänzt und dem Betroffenen übergeben wird (VG Sigmaringen, NVwZ-RR 1995, 327).
Ebenso wenig adressatenbezogene Allgemeinverfügung ist die Anordnung, die sich an alle Mitglieder der Drogen- oder Punkerszene richtet, sofern im Zeitpunkt des Erlasses diese Personen nicht bestimmt oder bestimmbar sind, was i. d. R. auch nicht der Fall sein wird. Allerdings kann es sich um eine Benutzungsregelung (§ 35 Satz 2 3. Alt. LVwVfG) handeln (vgl. aber auch oben § 1, RN 43a).
10a
Polizeiverfügungen sind der Platzverweis, das Aufenthaltsverbot, der Wohnungsverweis, das Rückkehrverbot und das Annäherungsverbot. Sie haben in § 30 eine spezielle Regelung erfahren.
10b
Auch die Meldeauflage ist eine Polizeiverfügung. Sie verpflichtet den Betroffenen, sich zu einer bestimmten Zeit bei einer Polizeidienststelle oder behörde zu melden. Auf diese Weise sollen als Störer angesehene Personen (z. B. Hooligans) von bestimmten Ereignissen (z. B. Fußballspiele)