Unternehmenskaufvertrag. Christoph Louven
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Enthält ein Informationsmemorandum oder der Datenraum fehlerhafte oder unvollständige Informationen, kann daraus eine Haftung des Verkäufers und ausnahmsweise, bei Inanspruchnahme besonderen Vertrauens, auch der Zielgesellschaft und deren Repräsentanten nach §§ 311 Abs. 2,280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB begründet sein. Der Verkäufer wird daher versuchen, schon in der Vertraulichkeitsvereinbarung seine Haftung, soweit möglich (also nicht bei eigenem vorsätzlichen Verhalten, wohl bei vorsätzlichem Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen, § 278 Satz 2 BGB), auszuschließen. Sind die Klauseln der Vertraulichkeitsvereinbarung nicht mit den Bietern individuell ausgehandelt worden und als AGB zu qualifizieren, dann wäre auch ein Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit unwirksam und aufgrund des Verbots geltungserhaltender Reduktion von AGB insgesamt unwirksam.242 Handelte es sich bei den Aufklärungspflichten des Verkäufers gegenüber dem Käufer um Kardinalpflichten, wie das in der Literatur für möglich gehalten wird, wäre insoweit sogar ein Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam.243 Ob es sich um AGB handelt, ist eine Frage des Einzelfalls.244 Formularmäßig für sämtliche im Auktionsverfahren offengelegten Informationen die Haftung auszuschließen, soll einem Ausschluss der grundlegenden Aufklärungspflicht des Verkäufers gleichkommen können und jedenfalls unwirksam sein.245 Gegenüber dem Käufer ist eine Unwirksamkeit der Vertraulichkeitsverpflichtung praktisch von keiner großen Relevanz, weil der spätere Unternehmenskaufvertrag regelmäßig einen individuell ausgehandelten und wirksamen Haftungsausschluss enthalten wird.
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Auch Kontakt- und Abwerbeverbote (sowohl in Bezug auf Mitarbeiter wie auch auf das Management der Zielgesellschaft und deren Kunden und Lieferanten) sind üblich. Aus Sicht des Verkäufers dürfte es oft sachgerecht sein, dies auf verbundene Unternehmen des Verkäufers zu erstrecken. Der Kaufinteressent wird dies oft als nicht praktisch handhabbar ablehnen. Kontakt- und Abwerbeverbote unterliegen allerdings denselben rechtlichen Grenzen wie Kontakt- und Abwerbeverbote in Unternehmenskaufverträgen.246 Ausnahmen werden oft dahingehend vereinbart, dass z.B. finanzierende Banken (die bei einer Syndizierung in der Lage sein müssen, auch eine auf Verkäuferseite tätige Bank anzusprechen247) oder Portfoliogesellschaften von Private Equity-Fonds diesem Verbot nicht unterliegen.
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Rückgabe- und Vernichtungsverpflichtungen sehen oft eine Ausnahme für den praktisch sehr relevanten Fall vor, dass bei Rückgabe und Vernichtung Aufbewahrungspflichten (etwa aus internen Compliance-Richtlinien) nicht erfüllt werden können und dass die Daten technisch in den IT-Systemen des Kaufinteressenten nur sehr schwer oder gar nicht gelöscht werden können.248 Akzeptiert der Verkäufer solche Ausnahmen, wird er umgekehrt oft darauf Wert legen, dass sich entweder die Vertraulichkeitsvereinbarung auch über deren Laufzeit auf solche Informationen erstreckt oder solche Informationen nach Ablauf der Vertraulichkeitsverpflichtung nur zum Zweck der Speicherung verwendet werden dürfen.249 Ist der Kaufinteressent zur Rückgabe/Vernichtung verpflichtet, erschwert dies im Streitfall den Nachweis, welche Unterlagen und Informationen er bekommen hat bzw. umgekehrt nicht erhalten hat.250
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Auch ohne ausdrückliche Regelung begründet die Verletzung der Vertraulichkeitsverpflichtung (bei einem Schaden) Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche.251 Allerdings sind Kausalität und ein bezifferbarer Schaden oft praktisch kaum darzulegen und zu beweisen,252 sodass Schadensersatzansprüche nur äußerst selten prozessual durchgesetzt werden können. Abhilfe böten Vereinbarungen zu pauschaliertem Schadensersatz und Vertragsstrafen, die wiederum im Verhandlungswege selbst in Bieterverfahren regelmäßig nicht durchsetzbar sind253 und zudem den Begünstigten nur vom Nachweis des Schadens, nicht vom Nachweis der Verletzung befreit.254 Eine Verpflichtung der Organe der Zielgesellschaft, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, besteht – wie gesehen – im Regelfall nicht.255 Vertragsstrafen (Penalties) können im anglo-amerikanischen Rechtskreis und Geltung dessen Vertragsstatuts anders als pauschalierter Schadensersatz (Liquidated Damages) zudem prozessual schwer durchsetzbar sein.256 Allerdings hat es im englischen Recht jüngst eine Annäherung an das deutsche Recht gegeben. Danach sind Vertragsstrafen grundsätzlich nicht mehr unwirksam.257 Für NDAs unter amerikanischem Vertragsstatut wäre aber nach wie vor ein pauschalierter Schadensersatzanspruch (Liquidated Damages) empfehlenswert (wenn er verhandelt werden kann). Bereits nach dem (allerdings bei Individualvereinbarung dispositiven258) § 340 Abs. 2 BGB findet eine Anrechnung der Vertragsstrafe auf den Schadensersatzanspruch statt und bleibt die Geltendmachung eines weitergehenden Schadens möglich, was die Parteien in der Praxis oft nochmals klarstellen.259
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Realistischer in Verhandlungen durchsetzbar erscheint grundsätzlich eine Vereinbarung, die die Beweislast für die Verletzungshandlung umkehrt, sofern ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen.260
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Unternehmenskaufverträge sehen regelmäßig vor, dass frühere Vereinbarungen der Parteien zu der Transaktion (wie etwa eine Vertraulichkeitsvereinbarung) durch die Regelungen des Kaufvertrags abgelöst werden. Daher erscheint es ratsam, genau zu prüfen, ob sämtliche Regelungen der Vertraulichkeitsvereinbarung, die für eine Partei bzw. die Parteien wichtig sind, auch im Unternehmenskaufvertrag enthalten sind. Dies dürfte für die Vertraulichkeitsverpflichtungen regelmäßig der Fall sein. Etwa für eine Haftungsbegrenzung in Bezug auf die Fehlerfreiheit und Vollständigkeit von offengelegten Informationen dürfte dies nicht der Regelfall sein und wäre durch den Unternehmenskaufvertrag sicherzustellen.
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Zuständig sollten im Streitfall die ordentlichen Gerichte sein, die eine strikte Durchsetzung der Vertraulichkeitsverpflichtung erleichtern.261 Aus Verkäufersicht kann es ratsam sein, auch am Sitz des Beklagten einen Gerichtsstand zu begründen, um so Schwierigkeiten im Falle der Vollstreckung zu vermeiden.262
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Praxistipps:
Ausgehend vom Inhalt einer typischen Vertraulichkeitsvereinbarung, sollte sich der Verkäufer fragen:
– Wird auf Seiten des Kaufinteressenten die richtige Gesellschaft Partei der Vertraulichkeitsvereinbarung? Sollte die Konzernobergesellschaft Partei werden? Soll sie verschuldensunabhängig dafür Sorge tragen, dass die erwerbende Konzerngesellschaft und andere Konzerngesellschaften ihre Verpflichtungen aus der Vertraulichkeitsvereinbarung erfüllen?
– Soll es dem Kaufinteressenten erlaubt sein, sich mit anderen Bietern in einem Bieterkonsortium an dem Bieterverfahren zu beteiligen?
– Soll es dem Kaufinteressenten erlaubt sein, seine Finanzierungspartner exklusiv zu binden?
– Bedarf es im Hinblick auf kartellrechtlich sensible Informationen besonderer Regelungen, etwa zum Kreis der zugelassenen Personen, zu eingeschränkten Verwendungszwecken, „Chinese Walls“? Oder sogar einer gesonderten Clean-Team-Vereinbarung?
– In dem Bewusstsein, dass es regelmäßig äußerst schwierig ist, sie zu vereinbaren: