Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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angenommene Schrift von Armin Hatje mit dem Titel „Die gemeinschaftsrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung.“ Es geht Hatje um den nationalen Vollzug des Gemeinschaftsrechts, der sich „immer deutlicher als ein Problem der angemessenen rechtlichen Beeinflussung des staatlichen Verwaltungshandelns durch die EG […]“ darstelle. Ausdrücklich schlägt er den Bogen zur Verfassungsdebatte.[250] Der Autor folgt konzeptionell dem Ansatz Jürgen Schwarzes, sieht eine Gesamtkodifikation des EG-Verwaltungsrechts für den indirekten Vollzug jedoch skeptisch, weil diese angesichts der mitgliedstaatlichen Systemheterogenität so abstrakt sein müsste, dass ihr Nutzen fraglich sei.[251] Auch Hatje nimmt zu Manfred Zuleegs Eigenwert-These[252] Stellung, indem er den Strukturen des nationalen Verwaltungsrechts zwar einen Eigenwert zumisst, aber dafür eintritt, sie auch im Integrationsprozess neu zu überdenken und veränderungsoffen zu sein.[253] Die Schrift endet mit dem Hinweis, dass auch die Grundlagen des europäischen Verwaltungsrechts „konkretisiertes europäisches Verfassungsrecht“ seien.[254]

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      Verwaltungsrecht als Ordnungsidee

      Einen prägenden Beitrag zur Grundlagen- und Europäisierungsdebatte schließlich leistet die 1998 in erster Auflage veröffentlichte Monografie „Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee“ von Eberhard Schmidt-Aßmann.[255] Der Autor bezeichnet es als „wichtigste Zukunftsaufgabe verwaltungsrechtlicher Systembildung“, ein europäisches Verwaltungsrecht zu entwickeln, das „mehr als die Summe der durch das EG-Recht überformten und in diesem Sinne ‚europäisierten‘ nationalen Verwaltungsrechtsordnungen“ sei.[256] Er arbeitet u. a. gemeinsame verfassungsrechtliche Grundannahmen der beteiligten Verwaltungsebenen heraus und tritt dafür ein, sich von der Fixierung auf das Thema der Europäisierung des nationalen Rechts zu lösen, „wie sie die deutsche Diskussion in den zurückliegenden Jahren beherrscht hat.“[257] Die Systembildung müsse eine „europäische Verwaltungsrechtswissenschaft“ als gemeinsame Aufgabe aus einer Verbindung entscheidungsbezogener und theoriegeleiteter Zugänge entwickeln. Schmidt-Aßmanns Monografie wird als gelungener Versuch gesehen, die auch durch den „Prozeß der europäischen Einigung“ bewirkte Erosion und den Verlust überkommener Systemelemente zu analysieren und im Sinne einer produktiven Einmischung zu verarbeiten.[258]

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      Impulse durch überstaatliche Rechtsprechung und -setzung

      Die Zeit der Anverwandlung der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft an „Europa“ seit Mitte der 1980er Jahre wird durch Impulse aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs angetrieben und auch thematisch strukturiert. Ausgangspunkt dieses – bis in die Gegenwart hineinreichenden – Stroms an Rechtsereignissen ist die vielbeachtete Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Deutsche Milchkontor aus dem Jahr 1983. Eine Verordnung, die die Pflicht zur Rücknahme von Verwaltungsakten regelt, lässt das Rücknahmeermessen der deutschen Behörde aus § 48 VwVfG entfallen.[259] Verstärkt durch die erste Entscheidung in der Rechtssache Alcan entwickelt sich eine umfassende Debatte über den Vertrauensschutz im Verwaltungsverfahren, die bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre anhält.[260] Im Jahr 1990 wird[261] durch die Rechtssachen Francovich und Bonifaci eine Debatte über die Staatshaftung ausgelöst, die mehr als ein Jahrzehnt den Weiterungen der EuGH-Rechtsprechung folgt.[262] Die Debatten laufen nun weitgehend parallel, weil weitere Entscheidungen in kurzer Folge getroffen werden, 1991 zum vorläufigen Rechtsschutz gegen den Gemeinschaftsrechtsvollzug[263] und zur gemeinschaftsrechtswidrigen Richtlinienumsetzung durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften.[264] Neben dem Sachverwaltungsrecht und dem Verfahrens- und Prozessrecht ist verstärkt seit den 1990er Jahren auch die insgesamt „wenig beachtete Materie“[265] des Verwaltungsorganisationsrechts in die Debatte einbezogen. Ein starker Impuls für die Europäisierung geht – neben der Rechtsprechung des Gerichtshofs – von der Sekundärrechtsetzung der Gemeinschaften aus. Mit dem Umweltrecht entsteht nun ein Referenzgebiet,[266] das in den ersten Jahrzehnten fehlte oder sich unter den gegebenen akademischen Bedingungen nicht ausbilden konnte.[267] Der völkerrechtliche Einfluss auf das deutsche Verwaltungsrecht ist gegenständlich am besten an der Aarhus-Konvention[268] aus dem Jahr 1998 festzumachen. Die Verwaltungsrechtswissenschaft macht die von seinerzeit 35 europäischen Staaten und der EU geschlossene Konvention zum Forschungsgegenstand und braucht ihr umweltrechtliches Referenzgebiet dazu nur auszudehnen, wird nun allerdings auch wieder stärker mit Beiträgen aus der Völkerrechtswissenschaft konfrontiert. Schließlich ist die Rolle des Europarates zu erwähnen, der über Empfehlungen seines Ministerkomitees u. a. soft law über gute Verwaltung geschaffen hat, die auch in der Rechtsprechung des EGMR über die Auslegung und Anwendung der Verfahrensrechte (Art. 6 EMRK) in Form von verfahrensrechtlichen Mindeststandards in völkerrechtliche Pflichten übersetzt werden.[269]

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      Neusetzung des verwaltungsrechtswissenschaftlichen Bezugspunktes

      Die Europäisierung ist heute Allgegenwart, der Prozess ist Status geworden. Die in ihrem Ton integrationsfreundliche Verbundsemantik[270] markiert einen Verflechtungszustand des nationalen und des europäischen Verwaltungsrechts, in dem zwar weiterhin „Europa“ auf die Verwaltungsrechtsordnungen der Mitgliedstaten einwirkt, dies jedoch seinen Neuigkeitswert verloren hat und der Veränderungsdruck nicht mehr überrascht oder sogar verschreckt.[271] Mehr noch, die Verbundsemantik hat die synthetisierende Kraft, den Konflikt zwischen EU und Mitgliedstaaten – und ihrem jeweiligen Rechtswissenschaften – zu entschärfen.[272] Dieser Zustand ist nicht das Ergebnis einer erst in den 1980er Jahren erwachten Verwaltungsrechtswissenschaft, die – wie andere Teilfächer der Rechtswissenschaft – das organisierte Europa bis dahin mehr oder minder ignoriert und erst allmählich dessen Bedeutung erkannt hatte. Die Zunahme der verwaltungsrechtlichen Literatur, die sich mit europäischen Einflüssen beschäftigt, den Transfer dogmatischer Figuren beschreibt und dieses auch in Lehrbüchern und Forschungsfragen abbildet, ist ein empirisch zutreffender Befund, der jedoch andere Gründe hat. Die Vertreter der Verwaltungsrechtswissenschaft in den 1950er und 1960er Jahren, deren Zahl verglichen mit der heutigen personellen Stärke des Faches deutlich geringer war, nahmen wahr, dass mit Gründung der Montanunion auch im Recht „etwas passiere“.[273] Einzelne, auch aus der älteren Generation, haben dazu aus ihrem bisherigen Erfahrungshorizont heraus veröffentlicht, wenngleich „an der Materie“ noch vielfach Völkerrechtler saßen und keineswegs ausgemacht war, ob es sich bei den Gemeinschaften nicht doch um modernisierte Formen der internationalen Staatenkooperation handelt. Dass das Gründungsjahrzehnt der Gemeinschaften, besonders der Montanunion, zudem eine Zeit des ausgedehnten Verwaltungsrechtsvergleichs durch die beteiligten Völkerrechtswissenschaftler, Praktiker und ihre Doktoranden war, ist bislang nur am Rande wahrgenommen worden. Die deutsche Verwaltungsrechtswissenschaft war in diesen Jahren neben dem Zustand des Faches in der Sache überwiegend mit dem Wiederaufbau des Rechtsstaates befasst. Die Montanunion und die Gemeinschaften insgesamt hatten, das wird heute in anachronistischen Rückprojektionen häufig übersehen, bis in die 1970er Jahre nicht die beherrschende, repräsentative Stellung als Ausdruck des organisierten Europas, sondern standen neben zahlreichen weiteren Organisationen. Dass in der ersten Hälfte der 1960er Jahre noch keine Vorlagen deutscher Gerichte an den EuGH bekannt waren[274] und Beiträge zur Sekundärrechtsflut und der Vollzugsteilung zwischen Gemeinschaftsbehörden und nationalen Behörden veröffentlicht wurden,[275] die die Arbeitslinien überhaupt erst erfassbar machten, verdeutlicht, dass es noch nicht an der Zeit war, dies „gesetzt“ in Lehrbüchern und Curricula abbilden zu können. Die stark europäisierten Sachgebiete, wie das Landwirtschafts- und das Außenwirtschaftsrecht, hatten für die universitäre Lehre zudem keine Bedeutung, das Kartellrecht wurde von der Zivilrechtswissenschaft bearbeitet und es gab darüber hinaus kein lehrfähiges Referenzgebiet. Entscheidend für den Umschwung war der Wechsel des konstitutionellen Bezugspunkts der Verwaltungsrechtswissenschaft, die ihre strenge Akzessorietät zu demokratisch legitimierten Grundrechten und zur Rechtsstaatlichkeit

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