Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Handbuch des Verwaltungsrechts - Группа авторов страница 48

Жанр:
Серия:
Издательство:
Handbuch des Verwaltungsrechts - Группа авторов

Скачать книгу

Neues, setzt aber den Ton und die Stichworte für die Zukunft und nimmt indirekt den Fortbestand des nationalen Verwaltungsrechts an: Eine zentrale Rolle werde die Herausbildung eines kohärenten europäischen Verwaltungskooperationsrechts haben.[200] In demselben Jahr erschien erstmals eine monographische Gesamtdarstellung des europäischen Verwaltungsrechts, die Thomas von Danwitz vorlegte.[201] Sie beginnt mit einem rechtsvergleichenden Teil und erörtert, nach einem Kapitel über die Grundlagen, das Eigen-, Gemeinschafts- und Kooperationsverwaltungsrecht.[202] Ein Handbuch aus dem Jahr 2011 buchstabiert das europäische Verwaltungsrecht auch in seinem besonderen Teil aus.[203] Der methodische Standard, die Kategorien und die Begriffe sind gesetzt.

      41

      Überblick 1990er Jahre

      Die erste Hälfte der 1990er Jahre sah einen erheblichen Zuwachs der Literatur: Allein zwischen 1991 und 1995 erschienen wenigstens zehn Beiträge von neun Autoren in Festschriften, Handbüchern, Sammelbänden und Zeitschriften, die sich mit der Europäisierung und den Rückwirkungen auf das nationale Verwaltungsrecht beschäftigten.[204] Zu berücksichtigen sind ferner die in diesem Zeitraum getroffenen Entscheidungen einiger Rechtswissenschaftler, ihre Habilitationsschriften diesem Thema zu widmen, die dann in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre erschienen.[205] Im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts steht die Staatsrechtslehrertagung im Jahr 1993 zur Europäisierung von Staats- und Verwaltungsrecht, auf der es beim zweiten, verwaltungsrechtlichen Beratungsgegenstand zu einer denkwürdigen Debatte kam.[206] Die Zunahme an Veröffentlichungen und die Intensivierung der Diskussion fiel in eine Zeit dynamischer Veränderungen: das Ende des Ost-West-Gegensatzes, die deutsche Einheit, die Diskussion über Staatsaufgaben, die Gründung der EU und die Globalisierung, die auch die Verwaltungsrechtswissenschaft „nach Überprüfung des Bewährten sowie Erneuerung des Defizitären“ drängt.[207]

      42

      Vergewisserung und Abrechnung

      Zu einer Vergewisserung und Abrechnung, je nach Perspektive, geriet die Staatsrechtslehrertagung 1993 in Mainz.[208] Zu dem Thema „Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht – wechselseitige Einwirkungen“ trugen Manfred Zuleeg und Hans-Werner Rengeling vor, die mit ihren Habilitationsschriften[209] wichtige monographische Beiträge mit jedenfalls teilweise pionierhaftem Charakter vorgelegt hatten. Zuleeg, seit 1977 Professor in Frankfurt und zudem seit 1988 Richter am EuGH, vertritt in seinem Bericht eine sehr gemeinschaftsfreundliche Position. Er misst den nationalen Verwaltungsrechtsstrukturen ausdrücklich keinen Eigenwert bei, was in der Aussprache erheblichen Widerspruch auslöste, und sieht ein allgemeines europäisches Verwaltungsrecht erst in allmählicher Ausbildung. Es sei hauptsächlich das besondere Verwaltungsrecht, insbesondere die Regelung der Agrarmärkte, betroffen, man stehe aber vor einer „Europäisierung der Verwaltungsrechtsordnung.“[210] Zuleeg verteidigt, wie kaum anders zu erwarten, die Rechtsprechung des Gerichtshofs, berichtet, wie Kollisionen mit dem nationalen Recht durch gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung, Rezeption, Anpassung, Zusammenwirken, Aufsicht und Sanktionen zu vermeiden seien.[211] Seine Botschaft ist die fortbestehende Notwendigkeit richterlicher Rechtsfortbildung, solange der europäische Gesetzgeber die Gemeinschaftsrechtsordnung nicht ausgestaltet, um diese „wirksam zum Nutzen der einzelnen zu entfalten.“ Zuleeg ruft die Rechtswissenschaft dazu auf, „sich an diesem Werk zu beteiligen.“[212] Der zweite Bericht ist für das Thema ergiebiger, weil Rengeling die wechselseitige Einwirkung – im Sinne von Bachofs „Merkposten“[213] – resümiert.[214] Er sieht wechselseitige Einwirkungen einerseits im verfassungsrechtlichen Integrationsauftrag mit angelegt, auch die bruchstückhafte Entwicklung eines allgemeinen europäischen Verwaltungsrechts, tritt aber auch für den Erhalt mitgliedstaatlicher Entscheidungsspielräume im Rahmen des indirekten Vollzugs ein.[215]

      43

      Kontroverse über den „Eigenwert“

      In der Aussprache zu den beiden Referaten wurde die These geteilt, dass Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Verwaltungsrecht bislang nur punktuell auszumachen seien.[216] Allerdings wurde auch die Forderung geäußert, die Lehrbücher des Verwaltungsrechts insoweit neu zu schreiben[217] und stärker das „werdende Verwaltungsrecht, das in der Konkretisierung der EMRK in Osteuropa über den Europarat entsteht“, zu beachten.[218] Die Diskussion ist aber aus einem anderen Grund beachtenswert: Sie wirkt nämlich wie eine Abrechnung mit demjenigen Teil der deutschen Staatsrechtslehre, der sich affirmativ der Europäisierung zugewandt hat und diese nach Kräften betreibt. Anknüpfungspunkt ist die auch in einen Leitsatz gebrachte Aussage Zuleegs, die Strukturen des nationalen Verwaltungsrechts besäßen in einer demokratischen Gesellschaft keinen Eigenwert und könnten daher der pflichtgetreuen Übernahme des Gemeinschaftsrechts ins mitgliedstaatliche Recht nicht entgegenstehen.[219] Dabei hat eine Rolle gespielt, dass Zuleeg als amtierender deutscher Richter am Gerichtshof für die Leitentscheidung in den Rechtssachen Francovich und Bonifaci[220] zum gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch in Haftung genommen wurde. Das Staatshaftungsrecht, von Beginn an ein Aufmerksamkeitsfeld der Verwaltungsrechtswissenschaft,[221] wurde durch das Urteil um ein neues, im Wege der Rechtsfortbildung geschaffenes Institut ergänzt, nämlich einen Haftungsanspruch des Bürgers gegen einen Mitgliedstaat, der gemeinschaftsrechtliche Pflichten verletzt. Klaus Vogel stellte in der Aussprache die rhetorische Gretchenfrage, wie es der Referent mit der Subsidiarität und der Proportionalität halte. Die Verwaltungsrechtskultur eines Rechtsstaats sei nämlich durchaus etwas Bewahrenswertes.[222] Christian Starck merkte an, wer klar sehe, der komme zu der Gegenthese, dass die rechtsstaatlichen, verwaltungsrechtlichen Strukturen der Mitgliedsstaaten einen Eigenwert hätten, nur die Prinzipien homogen sein müssten.[223] Joachim Wieland fiel auf, dass fast jede von Zuleegs Thesen mit einer Bezugnahme auf den EuGH begonnen habe und schloss die Frage an, ob der EuGH wirklich die richtige Instanz sei, über Ausmaß und Ausgestaltung der Harmonisierung des Verwaltungsrechts zu entscheiden.[224] Juliane Kokott warf die Grundsatzfrage auf, ob wir den Europäischen Bundesstaat im Sinne Zuleegs wollten, was dann „die Zauberformel vom effet utile, von der Effizienz des Europarechts, nahezu jede Auslegung des Rechts“ rechtfertige, oder ob die nationalen Rechtsordnungen, wie von ihr bevorzugt, einen gewissen Eigenwert hätten. Sie seien Attribut der Staatlichkeit der Mitgliedstaaten und außerdem litte unter dem punktuellen Eingreifen des Gerichtshofs in die nationalen Rechtsordnungen die Qualität des Rechts: „Der EuGH schneidet Stücke aus den gewachsenen Kodifikationen heraus. Was verbleibt, sind Torsen nationaler Rechtsgebiete, die in sich nicht mehr stimmig sind. Der EuGH ist eben kein Otto Mayer.“[225] In der Diskussion gab es auch Zuspruch, wie dem Vorschlag von Ingolf Pernice, auf die materielle Einheit von deutscher und europäischer Rechtsordnung abzustellen, die dazu führen könne, „daß der Verwaltungsbeamte und auch der Bürger das europäische Recht und dessen Einflüsse auf das nationale Recht nicht mehr als etwas Fremdes ansieht.“[226] Auffällig ist schließlich auch eine Ungleichzeitigkeit im Wahrnehmen und Verstehen der Integrationsereignisse seit den 1950er Jahren, die ein Teil der Rechtswissenschaftler engmaschig verfolgte, an einzelnen sogar als Akteur beteiligt war, und ein anderer Teil irritiert und fragend zur Kenntnis nahm.[227] Nach der Tagung ist die These Zuleegs, der nach einer Amtszeit als Richter 1994 wieder in die Wissenschaft zurückkehrte, noch einmal von Thomas von Danwitz in seiner Habilitationsschrift unter der Überschrift „Abwägungsimmunität des Gemeinschaftsverwaltungsrechts“ aufgegriffen worden. Er verweist auf die dadurch bewirkte Verfestigung der „Sanktions- und Durchsetzungsperspektive des Gemeinschaftsverwaltungsrechts in dogmatischer Hinsicht“ und zitiert Fritz Werner, der wegen „Hinwendung zum kalten Nützlichkeitsdenken“ vor einer „Brutalisierung des Rechts“ gewarnt hatte.[228]

      44

      Replik und Rechtfertigung

      Zuleeg hat auf die Kritik, die auch in der Rezeption der Staatsrechtslehrertagung mit besonderer Aufmerksamkeit

Скачать книгу