Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Handbuch des Verwaltungsrechts - Группа авторов страница 67
111
Legitimation im Verwaltungsverbund
Soweit Verwaltungshandeln auf Sekundärrechtsakten beruht, die im Gesetzgebungsverfahren ergangen sind, leitet sich die demokratische Legitimation unmittelbar vom Parlament und mittelbar vom Rat ab. Rechtsakte des Rates sind zumindest mittelbar demokratisch legitimiert. In Bezug auf Agenturen ist die Unterscheidung zwischen politischem und rechtlich gebundenem Ermessen von Bedeutung: Die Übertragung von ersterem ist unzulässig, während letzteres angesichts der dann möglichen rechtlichen Kontrolle erlaubt ist.[252] Rechenschaftspflichten der Kommission gegenüber Rat und Parlament im Rahmen der Haushaltsverantwortung und des Haushaltsentlastungsverfahrens bilden weitere legitimationsstiftende Elemente. In Bezug auf die transnationalen Verwaltungsakte tritt zur sachlichen Legitimation durch die Rechtsgrundlagen und die personelle Legitimation der staatlichen Beamten die Legitimationsvermittlung durch die gerichtliche Kontrolle der nationalen wie der Unionsgerichte. Unabdingbar ist darüber hinaus gegenseitiges Vertrauen in die Kompetenz und Objektivität der jeweiligen mitgliedstaatlichen Verwaltungen.[253] In allen Vollzugsformen ist Transparenz und Verantwortungsklarheit sowie Rechtsschutz ein wichtiger legitimationsstiftender Faktor.[254]
112
Kein strukturelles Legitimationsdefizit
Betrachtet man die Instrumente der politischen, finanziellen und rechtlichen Kontrolle[255], wie sie in unterschiedlicher Kombination im europäischen Verwaltungsverbund zum Einsatz kommen, so lässt sich ein strukturelles Legitimationsdefizit nicht feststellen, auch wenn Verbesserungen in einzelnen Konstellationen nötig sein mögen.
VI. Die Rolle des EuGH im Verwaltungsverbund
113
Überragende Bedeutung des EuGH
Schließlich kann die Rolle des EuGH für die europäische Integration nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Urteile zur Direktwirkung und zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts haben den supranationalen Charakter der Gemeinschaft begründet.[256] Die Entscheidungen zu den rechtsstaatlichen Anforderungen an das Verwaltungshandeln, zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien, zu subjektiven Rechten, zum effektiven Rechtsschutz wie auch zur demokratischen Legitimation im Verwaltungsverbund sind für die Begründung der Europäischen Union als Rechtsgemeinschaft fundamental. Die Vertragsverletzungsverfahren, mehr noch die Vorabentscheidungsverfahren wirken auf ein einheitliches Verständnis des Unionsrechts hin. In seiner Bereitschaft, die Kompetenzen der Unionsorgane im Zweifel weit auszulegen, stößt der EuGH inzwischen allerdings nicht nur in Deutschland auf Souveränitätsvorbehalte.[257]
VII. Ausblick
114
Europäische Integration als Lernprozess
Der hier vorgelegte Bericht über 70 Jahre europäische Integration in verwaltungsrechtlicher Perspektive zeigt einen Prozess ständigen Lernens, der zwar manchmal stockt, aber nicht stehen bleibt. Motor der Entwicklung sind dabei neben dem EuGH und der Kommission auch die Mitgliedstaaten, die durch neue Verträge die Kompetenzen der Union stetig ausgeweitet haben.
115
Aktuelle Herausforderungen
Aktuell steht die Europäische Union vor gewaltigen Herausforderungen: Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Brexit, Rechtsstaatskrise in einigen Mitgliedstaaten, zuletzt die Corona-Krise. Unter dem Eindruck der Divergenzen im Europa der 27 mit ihrer höchst unterschiedlichen Wirtschaftskraft, unterschiedlichem Selbstverständnis und unterschiedlichen Interessen hat die Kommission anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des europäischen Integrationsprozesses ein Weißbuch mit fünf Szenarien zur Wahrung der Einheit in der EU vorgelegt. Sie reichen von weiter so wie bisher über verstärkte Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten, eine Konzentration auf den Binnenmarkt oder auf andere einzelne Bereiche bis hin zu einer noch weitergehenden Vergemeinschaftung.[258] Welche Richtung auch eingeschlagen wird, benötigt die Bewältigung der Krisen jedenfalls mehr Zusammenhalt, nicht weniger. Die Verwirklichung einer demokratischen und rechtsstaatlichen Europäischen Union ist ohne Alternative und bleibt eine ebenso notwendige wie lohnende Daueraufgabe.
D. Bibliografie
Armin von Bogdandy/Sabino Cassese/Peter M. Huber (Hg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. III – IV, 2010, 2011, jeweils der 2. Abschnitt.
Josef Falke, Komitologie – Entwicklung, Rechtsgrundlagen und erste empirische Annäherung in: Christian Joerges/Josef Falke (Hg.), Das Ausschusswesen der Europäischen Union, 2000, S. 43–159.
Dorothee Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, 1999.
Thomas Groß, Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, in: VVDStRL 66 (2007), S. 152–180.
ders., Die Legitimation der polyzentralen EU-Verwaltung, 2015.
Theresa Ilgner, Die Durchführung der Rechtsakte des europäischen Gesetzgebers durch die Europäische Kommission, 2014.
Wolfgang Kahl, Der Europäische Verwaltungsverbund – Strukturen – Typen – Phänome, Der Staat 50 (2011), S. 353–387.
Ute Mager, Entwicklungslinien des Europäischen Verwaltungsrechts, in: Peter Axer/Bernd Grzeszick/Wolfgang Kahl/Ute Mager/Ekkehart Reimer (Hg.), Das Europäische Verwaltungsrecht in der Konsolidierungsphase. Systembildung – Disziplinierung – Internationalisierung, Die Verwaltung Beih. 10, 2010, S. 11–38.
Anna Katharina Mangold, Gemeinschaftsrecht und deutsches Recht, 2011.
Andreas Orator, Möglichkeiten und Grenzen der Einrichtung von Unionsagenturen, 2017.
Eckhard Pache, Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, in: VVDStRL 66 (2007), S. 106–151.
Hans-Werner Rengeling, Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht – wechselseitige Einwirkung, in: VVDStRL 53 (1993), S. 202–239.
Eberhard Schmidt-Aßmann, Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht, DVBl 1993, S. 924–936.
Jens-Peter Schneider/Herwig C. H. Hofmann/Jacques Ziller, Die ReNEUAL Model Rules 2014: Ein Verwaltungsverfahrensrecht für Europa, JZ 2015, S. 265–271.
Bettina Schöndorf-Haubold, Die Strukturfonds der Europäischen Gemeinschaft. Rechtsformen und Verfahren europäischer Verbundverwaltung, 2005.
Gernot Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, 2004.