Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Handbuch des Verwaltungsrechts - Группа авторов страница 66

Жанр:
Серия:
Издательство:
Handbuch des Verwaltungsrechts - Группа авторов

Скачать книгу

zu machen, dass ihr Einlenken doch nichts Anderes wäre als eine „Versicherungsprämie“ für ihren weiteren „Betrieb“. Doch man ging ohne Klärung auseinander; weitere Überlegungen erübrigten sich dann allerdings.[98]

      84

      Waffenstillstand: Tage der Wahrheit

      Am 29. und 30. September 1918 forderte völlig überraschend im Hauptquartier in Spa General Erich Ludendorff von Kaiser und Reichskanzler den sofortigen Waffenstillstand, und Reichskanzler Georg Graf Hertling trat sofort zurück. Der auf zweifelhaften Wegen gefundene neue Reichskanzler Prinz Max von Baden unterzeichnete bei seiner Ernennung am 3. Oktober 1918 das Waffenstillstandsangebot an Präsident Woodrow Wilson, ohne innerlich dahinter zu stehen. Als er sich abends mit Vizekanzler Friedrich von Payer, Staatssekretären und preußischen Staatsministern besprach, erkannte der neue „politische“, aus dem Reichstag genommene, Staatssekretär Adolf Gröber ganz klar die Lage: „Unter den 14 Punkten [des Präsidenten Wilson] sind zwar einige bedenklich, besonders Elsass-Lothringen und Polen. Aber wenn Zwangslage so schrecklich, so ist Frage einfach: ergeben auf Gnade und Ungnade oder Gewinnung eines leidlichen Vermittlers. Vorschlag geht nicht weit genug.“ Und Vizekanzler Payer stimmte ihm zu, dass diese Bedenken „uns schon lange beschäftigt [haben]. Wir haben uns schließlich mit Feldmarschall auf die vorliegende Fassung geeinigt.“ Die Oberste Heeresleitung hatte also auch in ihrem endgültigen Scheitern noch Entscheidungsmacht über die Politik behalten – und übertrug der Politik die bedingungslose Kapitulation, ohne sie so zu nennen. Von da führte ein mühsamer Weg zwar noch zum Plan eines Parlamentarismus durch die Verfassungsänderungen vom 28. Oktober 1918, die aber keine reale Gestalt mehr annahmen. Und Elsass-Lothringen wurde verloren gegeben, wie den Politikern im Lande beim Waffenstillstandsgesuch sofort klar war. Der letzte Statthalter, Bürgermeister Rudolf Schwander, wurde zynisch verheizt, bis auch er sich das klar machte und eine letzte Initiative für einen neutralen Pufferstaat ergriff, für dessen Gründung aber keine Zeit mehr blieb.[99]

      85

      Rationale, berechenbare Vielfalt

      Schon in den wenigen Perspektiven dieses Beitrags zeigt sich die große Vielfalt und situative Unterschiedlichkeit der Führung und des Arbeitens der deutschen Verwaltungen auf allen Ebenen. Max Weber kam durch sein umfassendes erkenntnisleitendes Interesse an sozial bedingten Ausprägungen der Einstellung der Menschen zum Leben, insbesondere an deren „rationalen“ Formen, immer wieder auch darauf, Ungleichheitsbeziehungen in Herrschaftsverhältnissen zu thematisieren. Er verband die Typen der patrimonialen, bürokratischen und charismatischen Herrschaft stets mit ihren regelhaften Ausprägungen in konkreten Realitäten, und dafür stand besonders die Verwaltung in seiner Zeit. „Die rein bureaukratische, also: die bureaukratisch-monokratische aktenmäßige Verwaltung ist nach allen Erfahrungen die an Präzision, Stetigkeit, Disziplin, Straffheit und Verläßlichkeit, also: Berechenbarkeit für den Herrn wie für die Interessenten, Intensität und Extensität der Leistung, formal universeller Anwendbarkeit auf alle Aufgaben, rein technisch zum Höchstmaß der Leistung vervollkommenbare, in all diesen Bedeutungen: formal rationalste, Form der Herrschaftsausübung.“[100] Damit bezog Weber die höchste Rationalität der Institution Verwaltung immer noch auf einen vormodernen, ja patrimonialen „Herrn“. Er vertrat eine abstrahierte Sicht auf einen Idealtypus, dessen Realitäten schon sehr viel unterschiedlicher waren. Zwar sind Verlässlichkeit und Berechenbarkeit unerlässlich auch als Pfeiler einer Rechtsordnung, doch zeigte sich in der Rechtsanwendung des 19. Jahrhunderts ein buntes Bild von Zielen, Verfahrensweisen, Aushandlungen und Wirkungen, in dem es stets auch Freiräume individuellen Handelns auf allen Ebenen gab.

      86

      

      „Hörigkeit der Zukunft“

      In der Zuspitzung der deutschen Politik im Drei-Kanzler-Sommer 1917 engagierte sich Max Weber tagespolitisch in der Frankfurter Zeitung mit sehr kritischen Aufsätzen. Für ihn fehlte in Deutschland eine politische Führung, die wertegeleitet Entscheidungen für die Zukunft treffen konnte. Dabei zeichnete er ein sehr viel düstereres Zukunftsbild bürokratischer Herrschaft als in der klassischen Variante seiner Gedanken. „Eine leblose Maschine [in Fabrik und Arbeitsleben] ist geronnener Geist. […] Geronnener Geist ist auch jene lebende Maschine, welche die bürokratische Organisation mit ihrer Spezialisierung der geschulten Facharbeit, ihrer Abgrenzung der Kompetenzen, ihren Reglements und hierarchisch abgestuften Gehorsamsverhältnissen darstellt. Im Verein mit der toten Maschine ist sie an der Arbeit, das Gehäuse jener Hörigkeit der Zukunft herzustellen, in welche vielleicht dereinst die Menschen sich, wie die Fellachen im altägyptischen Staat, ohnmächtig zu fügen gezwungen sein werden, wenn ihnen eine rein technisch gute und das heißt: eine rationale Beamten-Verwaltung und -Versorgung der letzte und einzige Wert ist, der über die Art der Leitung ihrer Angelegenheiten entscheiden soll.“[101] Verweist dieses Schreckbild „technisch guter, rationaler Beamtenversorgung“ auf Ernst Forsthoffs Volksgenossen (nicht etwa: alle Menschen) oder überhaupt auf eine Welt voller Daseinsvorsorge, in der die bloße Teilhabe an Leistungen, die das nackte Überleben sichern, zum neu zu organisierenden Ziel von Allem wird?

      Thomas Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit. Die jüngere Verwaltungsentwicklung in Deutschland am Beispiel Ostwestfalen-Lippe, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie 1815–1918, 1993.

      Hans Fenske, Bürokratie in Deutschland. Vom späten Kaiserreich bis zur Gegenwart, 1985.

      Edith Hanke/Wolfgang Justin Mommsen (Hg.), Max Webers Herrschaftssoziologie. Studien zu Entstehung und Wirkung, 2001.

      Hans Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, 21993.

      Heinrich Heffter, Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 21969.

      Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1: Reform und Restauration 1789–1830, 21975; Bd. 2: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830–1850, 21975; Bd. 3: Bismarck und das Reich, 21978; Bd. 4: Struktur und Krisen des Kaiserreichs, 21982.

      ders. (Hg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850, 31978; Bd. 2: Deutsche Verfassungsdokumente 1851–1900, 31986; Bd. 3: Deutsche Verfassungsdokumente 1900–1918, 31991.

      Kurt Gustav Adolf Jeserich/Helmut Neuhaus (Hg.), Persönlichkeiten der Verwaltung. Biographien zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1648–1945, 1991.

      Kurt Gustav Adolf Jeserich/Hans Pohl/Georg-Christoph von Unruh (Hg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, 1983; Bd. 3: Das Deutsche Reich bis zum Ende der Monarchie, 1984.

      Reinhart Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791–1848, 21975.

      Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat, 1990.

      ders., Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 1: Arbeitswelt und Bürgergeist, 1990; Bd. 2: Machtstaat vor der Demokratie, 1992.

      Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1999.

      Tibor Süle, Preußische Bürokratietradition. Zur Entwicklung von Verwaltung und Beamtenschaft in Deutschland 1871–1918, 1988.

Скачать книгу