Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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und „Munizipalsozialismus“

      Die Großstädte waren handlungsfähiger als es das föderale Reich und die Monarchien mit ihrer Spannung zwischen Verwaltung und Militär sein konnten. Zwar waren die Stadträte fast überall „Hausbesitzerparlamente“, die nur von grundbesitzenden oder selbstständigen Stadtbürgern gewählt waren, doch tatkräftige Oberbürgermeister fanden hier ein weites Tätigkeitsfeld. Sie waren Juristen, die bei Verwaltungsarbeit vor allem an Gestaltungsaufgaben interessiert waren, sich aber in Preußen bei der gesinnungsgesteuerten Auswahl der Regierungsreferendare wenig Chancen ausrechneten. Sie begannen ihre Berufskarriere im Rahmen eines Magistrats, bewarben sich dann erfolgreich um die Wahl zum Bürgermeister einer Mittelstadt und stiegen von da zum Oberbürgermeister einer Großstadt auf, mit 12 Jahren oder lebenslänglicher Amtszeit. Als Folge der Allzuständigkeit der Gemeinden erweiterten sie sehr früh die Kommunalverwaltungen zu Leistungsverwaltungen, deren Betriebe kräftig zu den Einnahmen beitrugen. Das zeitgenössische Schlagwort vom „Munizipalsozialismus“ brachte das in Zusammenhang mit „Staatssozialismus“ und den sozialpolitischen Ideen der „Kathedersozialisten“ im Verein für Socialpolitik.[90]

      79

      Universität, Stadtplanung, Infrastruktur

      Einzigartig war 1914 die Gründung der großen Stiftungsuniversität Frankfurt durch Franz Adickes, die bewusst liberal erstmals auch Juden als Lehrstuhlinhaber zuließ. Ihr Kapital wurde vor allem im Bürgertum zusammengetragen; das war ein Zeichen städtischen, großbürgerlichen und jüdischen Selbstbewusstseins. Aus Dortmund und Altona brachte Adickes auch ein Engagement für Boden- und Wohnungspolitik mit und setzte in Frankfurt eine Bodenwertzuwachssteuer von 25 Prozent durch. Das zuvor nur auf dem Lande genutzte Instrument der Umlegung übertrug er durch ein Spezialgesetz (Lex Adickes vom 28. Juli 1902) in seine Stadt, um den drängenden Wohnungsbau zu erleichtern.[91] München veranstaltete 1893 erstmals einen weithin beachteten Stadtplanungswettbewerb. Der damals übliche Begriff der Stadterweiterung sah noch nicht die Zukunftsorientierung von Planung als das entscheidend Neue, sondern dachte noch in Kategorien territorialer Ausdehnung. Ab 1894 erarbeitete das Stadterweiterungsbüro, das weltweit erste Stadtplanungsamt, im Zusammenspiel mit den Juristen des Magistrats ein bis in die Umlandgemeinden ausgreifendes Regelwerk für Baugenehmigungen, womit es Flächennutzungs- und Bebauungsplan vorwegnahm.[92] Straßburg wurde von 1906 bis 1918 durch Bürgermeister Rudolf Schwander zu einer der modernsten Großstädte Deutschlands umgestaltet. In der größten deutschen Innenstadtsanierung vor 1918 verband er stadtplanerisch den Abriss von unhygienischen Wohngebieten im Stadtzentrum mit der Anlage eines breiten Boulevards in der City und einer Gartenstadt am Stadtrand. Die fehlende Aktienmehrheit am Elektrizitätswerk erwarb Schwander über Schweizer Börsen Stück für Stück, unbemerkt vom Hauptaktionär Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG). Dennoch gelang es ihm, mit Walther Rathenau eine gemeinwirtschaftliche Basis für den Ausgleich städtischer und privater Interessen zu finden. Gemeinsam führten sie das neue städtische Kohlekraftwerk am neuen Rheinhafen in den ersten internationalen Elektrizitätsverbund mit den deutsch-schweizerischen Grenzkraftwerken, die oberhalb von Basel die Wasserkraft des Rheins nutzten.[93]

      80

      Ostelbische Gutsbezirke als Gegenbild

      Im 19. Jahrhundert verfestigten sich im ostelbischen Preußen die alten Herrschaftsrechte des adeligen Gutsbesitzes wieder. Nach den Landzuwächsen durch die Bauernbefreiung entstanden mehr und größere „Gutsbezirke“. Zwar entfiel dort 1849 die gutsherrliche Gerichtsbarkeit im Gefolge der Revolution, doch blieben genug obrigkeitliche Verwaltungsaufgaben. Auch die Organisation neuer Leistungen war Sache der Gutsbesitzer, z. B. seit 1842 in der Armenpflege und ab 1906 bei den Schullasten; die Finanzierung wurde auf die Gutsuntertanen verteilt. Anders als in den Landgemeinden gab es aber keine Mitwirkungsrechte der wirtschaftlich abhängigen Einwohner. In den östlichen Provinzen bestanden 1888 neben 24.500 Gemeinden über 15.700 Gutsbezirke. Das Nicht-Wissen des Staates über die Verhältnisse dort war groß.[94]

V. Herausforderungen im Ersten Weltkrieg 1914–1918

      81

      Unterschiedliche Strukturen

      Mit der Mobilmachung 1914 trat in Preußen und allen Bundesstaaten außer Bayern der Belagerungszustand neben und über die Reichsverfassung, denn der Verfassungsauftrag (RV, Art. 68) zu einem Kriegszustandsgesetz war nicht erfüllt worden. Nach dem preußischen Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 ging die vollziehende Gewalt in die Hände der Militärbefehlshaber über, die über alle (!) zivilen Stellen traten, selbst die Ministerien. Die Stellvertretenden Kommandierenden Generäle (die Generalkommandos standen im Felde) konnten für ihre Bezirke alle Rechtsvorschriften außer Kraft setzen. Ihre militärischen Bezirke deckten sich aber nicht mit der administrativen Landkarte, und jeder von ihnen entschied unkoordiniert für sich. Im Ruhrgebiet gaben die Militärbefehlshaber pragmatisch ihre Vollmacht an die zivile Seite weiter, an die Regierungspräsidenten in Münster und Arnsberg (Westfalen) und in Düsseldorf und Köln (Rheinprovinz). Deren Beauftragte legten dann bei regelmäßigen Treffen im zentralen Dortmunder Hauptbahnhof einheitliche Lebensmittelrationen für die Schwerarbeiter in der Montanindustrie fest. Moderner und rechtsstaatlicher war das bayerische Gesetz über den Kriegszustand von 1912, das dem Justiz- und nicht dem Kriegsministerium die Ausführungsbestimmungen zuwies. Vor allem aber hatten die bayerischen Militärbefehlshaber keinen Einfluss auf die Staatsregierung und ihre Ministerien; im Gegenteil, sie wurden durch Richtlinien des Kriegsministeriums einheitlich gesteuert.[95]

      82

      Wirtschaftliche Ermächtigungsgesetze 1914

      Der Reichstag ermächtigte am 4. August 1914 ohne Begründung und ohne Diskussion den Bundesrat, das Organ der verbündeten Regierungen, also der Exekutive, in Wirtschaftsfragen gesetzesgleiche Verordnungen aller Art zu erlassen,[96] womit er sich selbst entmachtete. Der Bundesrat übertrug seine Gesetzgebungsvollmacht auf seinen Vorsitzenden, den Reichskanzler, und der wieder auf die ihm unterstellten wirtschaftsleitenden Behörden. Damit war der Grundstein gelegt für eine administrative Lenkung der Kriegswirtschaft, in die in der Rohstoffbewirtschaftung auch starke planwirtschaftliche Elemente einflossen. Am selben Tag enthob der Reichstag auch die Reichsbank von ihrer Pflicht zur Einlösung ihrer Noten in Gold und ermöglichte so, in Erwartung der Deckung durch die besiegten Kriegsgegner, die unbegrenzte Verschuldung durch unbegrenzte Geldschöpfung, die unmittelbar in die Nachkriegsinflation führte.[97]

      83

      Leuchtölkrise 1918

      Aus dem monarchischen Prinzip ergab sich die das ganze Jahrhundert bestimmende Spannung zwischen ziviler und militärischer Seite von Herrschaft und zwischen einer durch die Verfassung eingehegten Regierung und einer absolutistisch geführten Militärmacht. Das zeigte sich verstärkt zum Ende des Weltkriegs in der geheim gehaltenen Leuchtölkrise. Im Juli 1918 warnte das Reichswirtschaftsamt vor dem bevorstehenden Zusammenbruch der Versorgung mit Leuchtöl und damit vor einem breiten Ausfall der Beleuchtung in Städten, Fabriken und Wohnungen im kommenden Winter. Die Marine beanspruchte das Öl für ihren uneingeschränkten U-Boot-Krieg, der die USA zum Kriegseintritt bewogen hatte. In einem Spitzentreffen erklärte die Verwaltung, für die weit verbreiteten Petroleumlampen stünde nur noch ein Viertel dessen an Leuchtöl in Aussicht, was im Winter 1917 als absolutes Minimum gegolten hatte. Man würde auf dem Lande im Winter wohl „von 4 Uhr an im Dunkeln sitzen“ und bei den Bergleuten seien Arbeitsausfälle und weitere Unruhen zu erwarten. Doch die Marine wollte ihren Bedarf nicht verringern und verwies vage auf Öl aus Baku. Nachdem sie sogar noch weiterten

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