Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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Talern aus dem preußischen Staatshaushalt. Ähnliche Regelungen wurden kurz darauf auch für die neue Provinz Schleswig-Holstein getroffen. Unbekannt war hier der Kreis nach preußischer Art als Träger von Staatsaufgaben, aber auch Instanz der Selbstverwaltung. Ganz ungewöhnlich für Preußen deckte sich die neue Provinz mit ihrem einzigen Regierungsbezirk; Schleswig wurde Sitz des großen Regierungspräsidiums und in Kiel war die sehr kleine Behörde des Oberpräsidenten. In Hessen-Nassau ging der aus Soldatenverkäufen erwachsene kurhessische Staatsschatz zurück nach Kassel und es entstanden zwei getrennte Kommunalverbände mit Kommunallandtagen für das alte Kurhessen und das alte Nassau, Frankfurt blieb zunächst ausgenommen. Nach der Reichsgründung wurden in einer ersten landesweiten Reform am 30. April 1873 alle Provinzen außer Hannover (und auch der Stadtkreis Frankfurt, Hohenzollern und das Jadegebiet) mit einer jährlichen Gesamtsumme von 2 Millionen Talern aus dem Staatshaushalt dotiert. Mit der umfassenden Provinzialordnung für die meisten Provinzen traten 1875 moderne Provinziallandtage an die Stelle der Provinzialstände von 1823. Das ging in Richtung einer „obrigkeitlichen Selbstverwaltung“, wie sie Rudolf Gneist am englischen Vorbild entwickelt hatte. Die indirekt gewählten Provinziallandtage konnten über die jeweiligen Staatsmittel hinaus sogar eigene Umlagen erheben. Die Staatsdotationen für die „höheren Kommunalverbände“ wurden noch 1875 mehr als verdoppelt auf 13,4 Millionen Mark (jetzt statt Talern). An der Spitze der sich schnell lebendig entwickelnden Verwaltungen dieser Provinzialverbände, mit „eigenen Berufsbeamten“, wie Fritz Fleiner kritisch anmerkte, trat ein Landesdirektor oder Landeshauptmann, und die Staatsaufsicht führte der Oberpräsident, dessen Stellung im beginnenden „dezentralisierten Einheitsstaat“ so erheblich gestärkt wurde.[80]

II. Strukturprobleme

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      Struktur des Bundes von 1867/71

      Die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867 stellte fest, dass neunzehn Monarchen und drei Senate (der drei Freien Städte Hamburg, Bremen und Lübeck) einen ewigen Bund geschlossen haben, „dessen Präsidium der Krone Preußen zusteht“. Nach der sehr ähnlichen Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 blieb das Präsidium des nunmehr um die süddeutschen Staaten erweiterten Bundes aus 22 Monarchen und drei Senaten beim König von Preußen, der dabei „den Namen Deutscher Kaiser“ (RV, Art. 11) führte. Dieses Kaisertum gründete sich nicht auf Gottes Gnade, die schon bei den Annexionen 1866 stark strapaziert worden war, sondern bestand in der Geschäftsführung für die Gesamtheit der Souveräne, die „verbündeten deutschen Fürsten und Senate der deutschen Städte“. Das Organ „der Mitglieder des Bundes“ (RV, Art. 6) war der Bundesrat, der geheim tagte, am Ende meistens einstimmig entschied und fast nie gegen Preußen. In dieser gemeinsamen Institution aller Souveräne, und nicht im gewählten Reichstag, der nur an der Gesetzgebung und nicht an der Exekutive beteiligt war, vereinigten sich die Souveränitätsrechte in den Angelegenheiten Deutschlands.

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      Übergewicht Preußens

      Im Bundesrat verfügte jedes Land mindestens über eine und höchstens sechs Stimmen, Preußen jedoch, weil ihm auch die Stimmen der 1866 depossedierten Monarchen zugerechnet wurden, über 17 Stimmen. Der König von Preußen war somit erheblich „gleicher“; und er allein ernannte den Reichskanzler und war Oberbefehlshaber seiner preußischen Truppen und im Kriegsfall auch der verbündeten Armeen. Der Reichskanzler leitete formell den Bundesrat und wurde dabei fast immer vom Staatssekretär des Inneren vertreten. Gegebenenfalls verhandelten Mitarbeiter des Staatssekretärs mit den Bevollmächtigten der Regierungen über mögliche Kompromisse. Fast immer waren der Reichskanzler auch Vorsitzender des Preußischen Staatsministeriums und der Staatssekretär des Inneren auch preußischer Staatsminister ohne Geschäftsbereich. Nur so konnten diese beiden zentralen Politiker des Reichs die interne preußische Entscheidungsfindung über die Stimmabgabe im Bundesrat steuern. Der Bundesrat musste nicht nur wie der Reichstag jedes Gesetz billigen, sondern er alleine beschloss die Verordnungen zur Ausführung der Reichsgesetze.

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      Besatzung, Diktaturphase und „politische Beamte“

      Nach seiner Besatzung im Französisch-Deutschen Krieg 1870 wurde das eroberte Elsass mit einem Teil des auf diese Weise geteilten Lothringen als gemeinsames Reichsland aller Bundesstaaten im Deutschen Reich konstituiert, ohne dabei deren volle Rechte zu erhalten. Es blieb ein dauerhafter Krisenherd.[81] Nach Reichsgründung und Friedensschluss folgte durch das Vereinigungsgesetz vom 9. Juni 1871 wie zuvor in Norddeutschland eine Diktaturphase. Mit dem allein von Kaiser und Bundesrat erlassenen Landesgesetz vom 30. Dezember 1871 über die Einrichtung der Verwaltung wurde der Reichskanzler alleiniger Minister für das Land. Im Lande verfügte der Oberpräsident als Leiter der Verwaltung über den berüchtigten „Diktaturparagraphen“ (§ 10), der dem französischen Belagerungszustandsgesetz vom 9. August 1849 entnommen war, und konnte die Truppen im Lande requirieren. Eine Woche vor dem Ende der Diktaturphase übernahmen Kaiser und Bundesrat das Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 für die Beamten und Lehrer des Landes. Dabei erweiterten sie dessen Katalog von Stellen „politischer Beamter“ noch weiter, als er schon seit 1867 in den neuen Provinzen Preußens reichte. Er schloss nun auch Lehrer an niederen Schulen ein, obwohl doch nur in Ausnahmefällen Beamte aus französischer Zeit übernommen wurden.[82]

      70

      Reichslandzeit ab 1874

      Am 1. Januar 1874 wurde die Reichsverfassung auch in Elsass-Lothringen eingeführt. Das Land wurde damit „Reichsland“ in dem Sinne, dass es nicht seinem Monarchen oder seiner Oligarchie (wie die drei Freien Städte) „gehörte“, sondern vom Reich gemeinsam beherrscht wurde. Flagge und Wappen waren die des Reiches. Mit der Verfassung 1879 trat ein „Kaiserlicher Statthalter“ an die Spitze des Landes, und es erhielt eine Regierung aus einem Staatssekretär und bis zu vier Unterstaatssekretären, die Reichsbeamte waren. Der elsässische Staatsrechtler Robert Redslob erarbeitete dazu eine vergleichende Studie über „abhängige Länder“, unter die er als erstes das Reichsland einordnete. Der Diktaturparagraph wirkte durch seine Anwendung zuerst im Kulturkampf gegen die Katholiken, später gegen die Sozialdemokratie, vor allem aber durch das Bewusstsein aller Beteiligten davon, dass dieses Machtmittel in der Hand der Behörden lag. Er wurde erst 1902 widerstrebend abgeschafft, um mit diesem Zugeständnis die Personal- und Ausgabenpolitik von Kaiser Wilhelm II. im Lande abzusichern. Die Zabern-Affäre 1913 mit massiven Übergriffen der Armee gegen die Bevölkerung der Stadt verdeutlichte die – vom Reichstag missbilligte (mehr konnte er nicht tun) – Machtlosigkeit der Reichs- und Landesverwaltung gegenüber dem vom königlichen Oberbefehl nach außen hin eisern gedeckten Fehlverhalten des Militärs.[83]

      71

      Willkürherrschaft im Weltkrieg

      Das Reichsland wurde im Kriegszustand ein Ort besonderer Willkürakte der Armee im eigenen Lande. Mit Kriegsbeginn kam es zu Geiselnahmen in der Bevölkerung, politisch gezielten Zeitungsverboten und Einschüchterungsmaßnahmen gegen den Landtag, der nur noch einmal im Jahr ganz kurz zusammentreten sollte, um schnell dem Haushalt zuzustimmen. Die Abgeordneten erreichten dann, dass sie bei den Haushaltsberatungen vertraulich auch Beschwerden vorbringen durften. Dennoch wurde dem SPD-Abgeordneten Jacques Peirotes außerhalb der Session, als keine Immunität mehr galt, ein Zwangswohnsitz in Preußen zugewiesen. Ein Dauerthema war die seit 1915 anhaltende Haft des katholisch-frankophilen Landtagsabgeordneten Médard Brogly, dem ein Kriegsgericht auch sein Mandat abgesprochen hatte. Für ihn setzte sich Landtagspräsident Eugen Ricklin ein, der danach, obwohl er Abgeordneter von Reichstag und Landtag war, als Feldarzt

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