Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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      Reaktionäre Indienstnahme des Instruments 1849/52

      Gestützt auf das Notverordnungsrecht des Königs in der Ende 1848 oktroyierten Verfassung erließ die Regierung Brandenburg nach der Auflösung der widerspenstigen zweiten Kammer am 11. Juli 1849 eine umfangreiche „Verordnung, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten […]“. Sie ermöglichte es, bestimmte hohe Beamte „im Interesse des Dienstes“ jederzeit „einstweilig in den Ruhestand“ zu versetzen gegen Wartegeld wie bei Auflösung von Behörden, ohne Disziplinarverfahren und ohne konkrete Gründe. Aufgezählt wurden u. a. Unterstaatssekretäre, Ministerialdirektoren, Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten, Landräte und Vorsteher von Polizeibehörden. Das waren die bald so genannten „politischen Beamten“.[45] Eine von der Verfassung vorgeschriebene Beratung dieser Verordnung im Staatsministerium ist in der lückenhaften Überlieferung dieses Jahres nicht nachweisbar. Die Regierung musste aber ihre Notverordnung zur nachträglichen Billigung der neugewählten Kammer vorlegen, mit aufschlussreicher Begründung. Die neue Verfassungsregel der Ministerverantwortlichkeit führe zu der „Betrachtung, dass das Bedürfnis der Opposition gegenwärtig in der Volks-Repräsentation, in der freien Presse und in dem Versammlungs- und Vereinigungsrechte seine volle Befriedigung finden könne, und dass die Staats-Gewalt in der Centralisation und in der vermehrten Abhängigkeit der Beamten ein neues unentbehrliches Gegengewicht begründen müsse“.[46] Die nur in sehr vager Form verantwortlichen Minister traten als „Staats-Gewalt“ in Funktionen der früheren Selbstregierung des Königs ein, hier sein nie aufgegebenes persönliches Verfügungsrecht über ‚seine‘ Beamten. Nach einigen Änderungen durch die Abgeordneten wurde das Gesetz betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten vom 21. Juli 1852 zu einem Grundpfeiler des zersplitterten, bis weit nach 1918 nicht in ein Beamtengesetz zusammengeführten preußischen Beamtenrechts.[47]

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      Beamte als Gegengewichte – wogegen?

      Montgelas hatte 1796 die von ihm später in Bayern durchgesetzte Lebenslänglichkeit der Beamtenstellung als notwendig angesehen, um ein Gegengewicht zu einem möglichen Despotismus der Minister zu schaffen.[48] Im jungen Verfassungsstaat Preußen setzten die Minister dagegen 1849/52 ihre Herrschaft über die höchsten Beamten durch, um zusammen mit den hohen Beamten ein Gegengewicht gegen die als Opposition angesehene verfassungsmäßige Volksvertretung aufzubauen. Das Disziplinargesetz von 1852 wurde Modell für alle weiteren Regelungen[49] über den Umbruch von 1918 hinaus, mit denen die Regierungen „politische Beamte“ jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen können, inzwischen mit Bezug auf ihre besondere Nähe mit besonderen Pflichten gegenüber der Regierung, aber weiterhin nicht justiziabel. Unter den Ländern hat zuletzt 1978 Hamburg dieses personalpolitische Instrument eingeführt; nur der Freistaat Bayern verzichtet darauf bis heute.

C. Staatsaufgaben und Verwaltung I. Innere Verwaltung und Polizei

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      „Polizeiwissenschaft“ und „Verwaltungslehre“

      Aus der Aufklärung kam das Ideal einer „guten Polizei“ als guter innerer Ordnung des Staates in alle Richtungen, auch mit Gewähr der öffentlichen Sicherheit, durch den Monarchen und seine Verwaltung.[50] Wirtschaftliche Freiheitsrechte wie die Gewerbefreiheit verlangten einen Rückzug aus Vorstellungen einer zentralen Beglückung von oben. Gleichzeitig verbreiterte sich die Sorge für öffentliche Sicherheit zu neuen Betätigungsfeldern und entsprechenden Vorschriften für u. a. Armen-, Gesundheits-, Lebensmittelpolizei und bei der Zunahme technischer Anlagen auch zu Gewerbepolizei und Gewerbeaufsicht. Motivierungsstrategien, die einem indirekten nudging ähnlich waren,[51] bauten auf dem damals neuen freiwilligen Engagement in Vereinen auf. Darin wurden örtliche Meinungsführer wie die Pfarrer geschickt als Multiplikatoren für staatlich-wirtschaftspolitische Zwecke benutzt.[52] Diese reale Gemengelage spiegelte sich in Richtungen der wissenschaftlichen Literatur: Robert von Mohl behandelte eine umfassende „Polizeiwissenschaft“ im älteren Sinne 1833 und zuletzt noch in 3. Auflage 1866, während Lorenz (von) Stein ab 1865 recht ähnliche Inhalte als „Verwaltungslehre“ fasste.[53]

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      Administrativjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit

      Verwaltungs- und Justizfunktionen blieben in einer Hand, in den Landgerichten in Bayern oder den Bezirken in Baden. Ihre Leiter führten zugleich die untere Ebene staatlicher Verwaltung und richteten in erster Instanz. Das änderte sich durch die Einführung von Amtsgerichten in Baden 1857 und von Bezirksämtern 1862 in Bayern. Administrativjustiz bezeichnet dagegen das zuerst in Frankreich seit 1790 geltende Prinzip, dass die Verwaltung Anordnungen trifft und auch alle Verstöße gegen sie ahndet, ohne dass irgendein ein Dazwischen-Gehen der Gerichte zulässig ist; sie sollten auf Zivil- und Strafrecht beschränkt sein. Diese Auffassung verbreitete sich im Zeitalter Napoleons auch in Deutschland, und eine von der Verwaltung unabhängige Verwaltungsjustiz entstand erst recht spät, erstmals 1863 in Baden durch Verwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshof und 1875 in Preußen mit Einrichtung der unabhängigen Revisionsinstanz des Preußischen Oberverwaltungsgerichts über den noch sehr verwaltungsnahen Kreis- und Bezirksausschüssen. Spätestens seit dessen berühmtem Kreuzberg-Urteil 1882 zur Unzulässigkeit von polizeilichen Gestaltungsvorschriften im Umfeld eines Nationaldenkmals wurden dadurch Polizeiaufgaben immer mehr eingegrenzt im Sinne der Abwehr von Gefahren verstanden.[54]

      47

      Süddeutsche Polizeistrafgesetzbücher

      In der älteren Administrativjustiz waren Beamte auch Richter in eigener Sache, jedenfalls in von ihnen angeordneten Sachen, und agierten wie Richter, ohne durch deren richterliche Unabhängigkeit geschützt zu sein. Nach 1848 ging es in den süddeutschen Staaten, zuerst Bayern (1861/71), dann auch Baden (1863) und Württemberg (1871) darum, Verwaltung und Justiz klarer zu trennen. Dabei wurden zusätzlich zu den Strafgesetzbüchern auch Polizeistrafgesetzbücher erlassen. In Bayern war darin geregelt, welche Behörden für orts-, kreis- und oberpolizeiliche Anordnungen zuständig waren und bei Übertretung ohne Mitwirkung eines Richters „Ungehorsamsstrafen“ in Geld oder ersatzweise bis zu 30 Tage Haft verhängen durften. Das Parlament begrenzte dabei durch Aufzählung klar die Anwendungsfelder. Das bayerische Polizeistrafgesetzbuch sprach zuletzt in elf Gruppen von Übertretungen eine bunte, systematisch schwer zu fassende Vielfalt von Einzelermächtigungen aus, die bei der „Erwerbs- und Gewerbepolizei“ bis zum Umwelt- und Technikrecht reichten, etwa beim Betrieb von Dampfkesseln. Das Gesetz wurde regelmäßig novelliert. Die jüngste Fassung galt in Bayern noch nach 1949 und wurde dann erst in ein modernes Ordnungswidrigkeitenrecht überführt.[55]

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      Wenig Personal

      In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es nur sehr wenig Polizeikräfte. Als Reserve standen nur die für polizeiliche Aufgaben nicht ausgebildeten regulären Truppen zur Verfügung. Bei Unruhen führte das sehr schnell zum Einsatz der Waffen wie in Berlin im März 1848. Erste eigenständige Polizeieinheiten waren nach 1815 die der Gendarmerie und Landjäger auf dem Lande. Berlin erhielt erst im Laufe des Revolutionsjahrs 1848 eine erste Schutzmannschaft mit immerhin 200 Wachtmeistern und 1.800 Mann. Sie sollte anders agieren als die Garderegimenter bei den Märzunruhen, und ihre Uniformen waren nach dem Vorbild der Londoner Polizei mit schwarzem Zylinder sehr zivil gehalten. Damals war im Polizeialltag noch die Einzelstreife die Regel, und als Richtzahl für die Polizeidichte galt in Preußen noch nach 1870 nur ein Mann auf 1.500

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