Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Holger Hembach
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5) Modern Slavery Act 2018 (NSW) – New South Wales, Australien
In New South Wales, dem zweitgrößten Staat Australiens, verabschiedete das Parlament am 21.06.2018 den Modern Slavery Act 2018 (NSW). Das Gesetz trat jedoch nicht sogleich in Kraft. Drei Wochen später wurde auf Ebene des Gesamtstaates der Modern Slavery Act verabschiedet. Auch dieser trat nicht sofort in Kraft. Im Jahr 2019 wurde, unter anderem im Hinblick auf mögliche Widersprüche zwischen diesen beiden Gesetzen, das „Standing Committee on Social Issues“ des Parlaments von New South Wales beauftragt, die Umsetzbarkeit des Gesetzes, seine Auswirkungen auf Unternehmen sowie die Wechselwirkung mit dem Modern Slavery Act zu überprüfen.114
Nach der Debatte des Berichts verabschiedete das Parlament von New South Wales am 29.11.2021 den „Modern Slavery Amendment Act“, der bestimmte Änderungen am Modern Slavery Act vorsah. Der Modern Slavery Act (NSW) trat dann am 01.01.2022 in Kraft.
In der geänderten Fassung wurde vor allem die Berichtspflicht gestrichen. Nach der ursprünglichen Fassung sollten Unternehmen mit einem Umsatz von 50 Millionen australischer Dollar ein „Modern Slavery Statement“ abgeben. Dagegen lag die Schwelle beim Modern Slavery Act auf Ebene des Gesamtstaates bei 100 Millionen australischer Dollar.115 Die Pflicht zur Abgabe eines Modern Slavery Statement richtet sich damit allein nach dem Modern Slavery Act auf Ebene des „Commonwealth“.
Darüber hinaus wurde die Möglichkeit einer Geldstrafe gestrichen. Die Verhängung einer Geldstrafe ist ebenfalls auf Ebene des Gesamtstaates nicht möglich.
Dagegen sieht das Gesetz weiterhin das Amt eines Anti-Sklaverei-Kommissars vor. Dieser hat die Aufgabe, die öffentliche Aufmerksamkeit für moderne Sklaverei zu stärken; Möglichkeiten zu schaffen, Hinweise auf Fälle moderner Sklaverei zu geben, Fälle moderner Sklaverei in Lieferketten der öffentlichen Hand zu prüfen und die Effektivität von Maßnahmen gegen moderne Sklaverei zu prüfen.
Das Amt eines Anti-Sklaverei-Kommissars ist auch im UK Modern Slavery Act vorgesehen. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung im australischen Gegenstück war eine Quelle der Kritik.116 Das Standing Committee sah es als Argument für die Beibehaltung eines eigenständigen Modern Slavery Acts für New South Wales an, dass dieses das Amt eines Anti-Slavery Commissioners vorsah.117
Darüber hinaus schafft der NSW Modern Slavery Act neue Straftatbestände im Zusammenhang mit moderner Sklaverei, beispielsweise Sklaverei, Leibeigenschaft und Zwangsarbeit durch Kinder, Zwangsehen von Kindern oder den Betrieb einer Plattform, um den Missbrauch von Kindern darzustellen.
6) Das Loi de Devoir de Vigilance
In Frankreich wurde 2017 die „loi n 2017-399 du mars 2017 relative au devoir de vigilance des sociétés mères et entreprises donneuses d’ordre“ verabschiedet. Es geht in zweierlei Hinsicht über den Ansatz des UK Modern Slavery Acts hinaus: Zunächst ist es nicht auf ein bestimmtes Thema – nämlich moderne Sklaverei – beschränkt, sondern bezieht sich auf ein breites Spektrum von Rechten. Erfasst sind Menschenreche und grundlegende Freiheiten, die Gesundheit und Sicherheit von Individuen und die Umwelt.
Darüber hinaus zielt das französische Gesetz nicht nur auf die Erhöhung der Transparenz und damit verbundenen Druck der Konsumenten ab, sondern erlegt bestimmten Unternehmen umfangreiche materielle Pflichten im Bereich der Menschenrechte auf und sieht eine Haftung für Verstöße vor. Diese Pflichten sind nicht in einem eigenständigen Gesetzestext enthalten, sondern werden durch Änderungen am „Code de Commerce“ etabliert.
Das französische Gesetz ähnelt dem LkSG hinsichtlich der Pflichten, die es etabliert, in vielerlei Hinsicht. Auch der Prozess, der zur Verabschiedung des Gesetzes führte, folgte einem ähnlichen Muster wie die Diskussion in Deutschland: Es gab bereits seit Anfang der 2000er Jahre Bestrebungen, die soziale Verantwortung von Unternehmen gesetzlich zu regeln.118 Nach dem Brand einer Textilfabrik in Rana Plaza, bei dem mehr als 1000 Menschen starben, nahmen die Debatten darüber an Fahrt auf und es formierte sich eine Initiative für den Erlass eines Sorgfaltspflichtengesetzes.119 Dabei spielten Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen eine zentrale Rolle.120 Ein erster Entwurf wurde im November 2013 eingebracht. Er sah strafrechtliche Sanktionen, eine Umkehr und eine Haftung auch für Fremdverschulden vor. Die Regierung hielt diesen Entwurf für zu weitgehend und forderte eine weitere Debatte, in die auch Ministerien eingebunden waren. Am 11.02.2015 wurde dann ein modifizierter Entwurf vorgelegt, der weitgehend dem aktuellen Gesetzestext entspricht.121
Wirtschaftsverbände und konservative Politiker äußerten heftige Kritik und sahen in dem Gesetzesvorhaben eine Gefahr für die französische Wirtschaft.122 Die Kritiker des Gesetzes machten vor allem geltend, dass der für das Gesetz zentrale Begriff des Risikos nicht definiert sei und, dass das Gesetz Kriterien für die Ermittlung des Umfangs von Risiken und ihrer Bedeutung vorgeben müsse.123 Die Regierung war jedoch der Auffassung, dass internationale Dokumente wie die UN Guiding Principles hinreichend klarstellten, wie die Risikoanalyse durchzuführen sei.124 Diese entspricht der Linie in der Begründung des Regierungsentwurfs zum LkSG. Der Conseil Constitutionel entschied, dass die Verpflichtung grundsätzlich hinreichend klar sei (aber nicht die Grundlage für eine Bestrafung oder Buße sein dürfe, siehe unten S. 191).125
Nach einer ausgedehnten parlamentarischen Debatte, in deren Verlauf mehrfach Entwürfe zwischen der parlamentarischen Versammlung und dem Senat hin- und hergeschickt wurden, verabschiedete die Nationalversammlung schließlich am 21.02.2017 einen Gesetzestext.126 Dieser sah zunächst noch eine Geldbuße für Unternehmen vor, die keine hinreichenden Maßnahmen umsetzten, um ihrer Sorgfaltspflicht gerecht zu werden. Eine Gruppe von 120 Abgeordneten hielt das Gesetz jedoch für verfassungswidrig und legte es dem Conseil Constitutionel zur Prüfung vor.
Diese Prüfung erstreckte sich auf mehrere Aspekte. Es ging dabei zunächst um Artikel 1 des Gesetzes, der betroffene Unternehmen verpflichtet, einen „Sorgfaltsplan“ („plan de vigilance“) zu erstellen und umzusetzen (Abs. 1). Dieser sah in Absatz 2 vor, dass Unternehmen gezwungen werden können, dieser Pflicht nachzukommen und, dass eine Geldbuße („amende civile“) bis zu zehn Millionen Euro gegen sie verhängt werden kann.
Darüber hinaus musste sich der Conseil Constitutionel auch mit der Pflicht zum Ersatz von Schäden befassen, die aus einer Verletzung der Sorgfaltspflicht resultieren (Art. 2 des Gesetzes) und Art. 4 des Gesetzes, der die Modalitäten der Anwendung zum Gegenstand hat. Der Conseil Constitutionel war der Auffassung, die Regel, die eine Geldbuße für Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht vorsehe, sei verfassungswidrig. Das Gesetz beschreibe die Pflichten nicht hinreichend konkret und die Höhe der Geldbuße sei zu unbestimmt. Die Regelung verstoße daher gegen Art. 8 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789.
Hinsichtlich der übrigen Punkte hielt der Conseil Constitutionel das Gesetz für verfassungsgemäß.127
Mit der Feststellung, dass eine Geldbuße wegen Verstößen gegen das Sorgfaltspflichtengesetz gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße, spiegelt die Entscheidung des Conseil Constitutionel