Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band. Hugo Friedländer

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Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band - Hugo Friedländer

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Die Wagner soll fortwährend davon gesprochen haben, so daß sich die Beier, die mit ihr in der Kammer zusammenschlief, fürchtete. Einmal soll die Wagner diese Vision auch bei wachem Zustand gehabt haben; die beiden Mädchen sollen vor Angst so geschwitzt haben, daß sie die Wäsche wechseln mußten. (Heiterkeit.)

      Zeugin: Das weiß ich nicht.

      Vert.: Hat die Wagner nicht erzählt, daß ihr Onkel auf sie geschossen habe, weil sie zum Katholizismus übergetreten war.

      Zeugin: Ich weiß nicht mehr, ob er schießen wollte oder geschossen habe.

      Vert.: Erzählte die Wagner nicht auch, daß ihr Großvater am Tage ihres Übertritts gelähmt worden sei?

      Zeugin: An ihrem Firmungstage, so erzählte sie, habe den Großvater der Schlag getroffen. Ihre Mutter sei gelähmt worden.

      Vert.: Alles an demselben Tage?

      Zeugin: Das weiß ich nicht.

      Vert.: Erzählte sie nicht auch, daß sie vordem in einem protestantischen Hause gedient habe und daß dort die Tochter einmal einen Hasen mit dem Fell gebraten habe. (Stürm. Heiterkeit.)

      Zeugin: Ja, das hat sie erzählt.

      Die zweite Zeugin, Dienstmädchen Magdalena Sgoff, bekundete ebenfalls, daß die Vorsteherin mehrfach geäußert habe, sie möchte die Wagner los werden; ehe sie nicht krank werde, bekomme man sie aber nicht hinaus. Sie habe mit der Zunge den Kaffee auch gekostet und sich sofort erbrechen müssen. Sie habe der Vorsteherin nichts gesagt, denn sie habe sich sogleich gedacht, daß es niemand anders gewesen sein könne wie die Vorsteherin. Aufgefallen sei ihr am nächsten Morgen, als die Vorsteherin sagte: »So, die Minna ist auf, ich habe gedacht, sie ist im Bett.« Ebenso sei ihr aufgefallen, daß die Vorsteherin von Salzsäure sprach, als es noch niemand wußte. Als wir am Montag vormittag Dr. Eisenberg holen ließen, war die Vorsteherin in der Kirche. Bei der Rückkehr sagte sie zu mir: »Ich war in der Kirche und habe andächtig gebetet: Herr Gott, wie Du willst. Jetzt haben wir's g'schafft, jetzt hab'n wir sie draußen.«

      Vors.: Wie war der Charakter der Angeklagten?

      Zeugin: Sie war boshaft und verdrehte einem das Wort im Munde. Sie sei ebenfalls der Meinung, daß das fehlende Bier von den Malern getrunken worden sei.

      Staatsanwalt: Glauben Sie, daß die Wilhelmine Wagner täglich 6 bis 8 Flaschen Bier, das wären 4 Maß, getrunken hat?

      Zeugin: Nein.

      Eine weitere Zeugin war Bierbrauersfrau Babette Adam. Sie war früher Dienstmädchen im Stift: Die Vorsteherin habe sie, die Wagner und die anderen Mädchen oftmals beschuldigt, Bier gestohlen zu haben. Die Wagner stand zuerst bei der Oberin in hoher Gunst, später wollte diese sie aber aus dem Hause haben. Die Wagner sei ein gutes, ehrliches Mädchen gewesen. Die Angeklagte dagegen war lügnerisch, boshaft, rachsüchtig und mißtrauisch. Die Stiftsfräulein nannte sie »alte Laster«; nur mit der Neudegg stand sie sich gut. Wenn es Punsch oder Grog gab, bekam diese immer das meiste ab. (Stürm. Heiterkeit.)

      Vors.: Trauen Sie der Angeklagten die Tat zu?

      Zeugin: Das schon. Auch dieser Zeugin hatte die Wagner erzählt, daß ihr Onkel auf sie geschossen habe, weil sie zum katholischen Glauben übergetreten sei; ihr Großvater sei an ihrem Firmungstage vom Schlage gerührt und die Mutter gelähmt worden.

      Unter allgemeiner Spannung wurde die 1877 geborene Krankenpflegerin Wilhelmine Wagner aufgerufen. Sie litt anscheinend noch immer an den Folgen der Vergiftung vom 20. Juli 1902 und mußte in den Saal hineingeführt werden. Sie nahm auf einem Sessel vor dem Richtertisch Platz. Sie schilderte auf Befragen des Vorsitzenden die einzelnen Vorgänge, mit dem Zwist wegen der drei Bierflaschen und ihrer Drohung, eine Beschwerde beim Ministerium zu machen.

      Vors.: Sie haben Ihre bestimmte Tasse gehabt?

      Zeugin: Ja.

      Vors.: Kannte die Vorsteherin die Tasse?

      Zeugin: Ja, ganz genau. Die Zeugin bestätigte auch sämtliche der Angeklagten vorgehaltenen häßlichen Äußerungen über die Stiftsdamen, die Medizinalräte, den Staatsminister v. Feilitzsch und die Prinzessin Ludwig Ferdinand. Wenn die Vorsteherin morgens herunterkam, war oft ihre erste Frage: »Na, ist noch keine von den ›alten Lastern‹ verreckt?« Einer 90jährigen Stiftsdame habe die Angeklagte einmal die Suppe verweigert, obwohl solche vorhanden war und der Arzt sie verordnet hatte. Sie habe auch sofort den Eindruck gehabt, daß die Vorsteherin ihr das mit dem Kaffee angetan habe. Als sie (Zeugin) am anderen Morgen krank war, sei die Oberin zu ihr ins Zimmer gekommen und habe gefragt, wo der Kaffee vom vorhergehenden Tage geblieben sei. Sie habe erwidert, daß sie ihn in einem Fläschchen aufbewahrt hätte und mit nach dem Krankenhaus nehmen werde. Die Oberin habe darauf dringend die Herausgabe verlangt und sogar versucht, ihr die Flasche aus der Hand zu reißen.

      Vors.: Sie sind zum Katholizismus übergetreten?

      Zeugin: Ja, als ich Krankenpflegerin im Josephsspital war. Ich fühlte mich dazu hingezogen und wollte barmherzige Schwester werden.

      Vors.: Haben Sie den anderen Mädchen erzählt, daß Sie Gespenster gesehen haben, und daß Ihr Onkel auf Sie geschossen habe, weil Sie übergetreten sind?

      Zeugin: Das mit den Gespenstern waren Träume; ich habe allerdings darüber mit den Mädchen gesprochen.

      Stiftsfräulein Julie Lotz stellte der Wagner ein gutes Zeugnis aus. Über den Charakter der Angeklagten sprach sich die Zeugin sehr abfällig aus.

      Vert. Rechtsanwalt Dr. v. Pannwitz: Um zu erklären, wie es kam, daß die Angeklagte über die Stiftsdamen manche häßlichen Ausdrücke gebrauchte, muß ich an die Zeugin einige Fragen stellen. Ist der Zeugin bekannt, daß unanständige Tischgespräche von anderen Damen geführt wurden, über die sich die Vorsteherin ärgerte und die sie deshalb zurückwies?

      Zeugin: Unanständige Redensarten? Davon ist mir nichts bekannt.

      Vert.: Hat nicht einmal eine der Damen bei Tisch gesagt: »Ich bin nicht Jungfer, ich würde mich auch schämen, wenn ich als Jungfer ins Stift gekommen wäre, denn dann hätte mich niemand mögen wollen!«?

      Zeugin: Ach so, ja, das war aber nur Scherz. (Heiterkeit und große Bewegung im Publikum.)

      Vert.: Sie selbst sollen einmal gesagt haben: »Die hat ein schönes Vorgebirge!«

      Zeugin: Das soll ich gesagt haben?

      Vert.: Ja.

      Zeugin: Davon weiß ich nichts.

      Vert. R.-A. Dr. v. Pannwitz: In einem anderen Falle wurde davon gesprochen, daß eine Dame einen alten Herrn gepflegt habe, und dabei soll die Situation des Pflegers in unanständiger Weise geschildert worden sein.

      Zeugin: Davon ist kein Wort wahr.

      Wäscherin Butzmann, die im Stift früher diente, bezeichnete die Angeklagte als lügenhaft, jähzornig, aufgeregt.

      Vors.: Auch boshaft?

      Zeugin: Das ist gleich alles mit inbegriffen. (Heiterkeit.)

      Vors.: Wie war das Verhältnis zu den Damen?

      Zeugin:

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