Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band. Hugo Friedländer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band - Hugo Friedländer страница 8

Zeugin: Jawohl, das haben Sie gesagt.
Vors.: In welcher Art waren die Lügen der Wagner, waren es Notlügen oder Lügen bösartiger Natur?
Vert. R.-A. Dr. v. Pannwitz: Verzeihung, ich habe in der Religionsstunde immer gelernt, daß jede Lüge verwerflich ist.
Vors. (zur Zeugin Karl): Können Sie uns sagen, welcher Art die Lügen waren?
Zeugin (sehr erregt): Nein, ich kann nur sagen: sie verstand, mich zu ärgern.
Staatsanwalt: Welche Anhaltspunkte haben Sie für den Umgang Ihres Mannes mit der Wagner?
Zeugin: Was mir die Leute gesagt haben.
Staatsanwalt: Sonst nichts?
Zeugin: Ja, sie hat es mir selbst gesagt. Als sie schon aus dem Hause war, kam sie wieder einmal zu mir und wollte von mir wieder in den Dienst genommen werden. Ich lehnte es aber ab, und da sagte sie mir, sie sei von meinem Mann schwanger. Ich verbot ihr die Schwelle.
Staatsanwalt: Hat Ihr Mann Ihnen auch mit anderen Frauen Verdruß bereitet?
Zeugin: Nein, nur mit der Minna.
Vert.: Das mit der Schwangerschaft ist also eine offenbare Unwahrheit gewesen.
Staatsanwalt: Das werden wir erst sehen. Bis jetzt ist der Vorfall noch nicht aufgeklärt.
Vert.: Vielleicht kann Herr Fetzer Auskunft geben, wo die Wagner noch in Stellung war, damit wir das mysteriöse Dunkel über das verlorengegangene Dienstbuch der Wagner lüften können. Mir stehen ja keine Schutzmannschaften zwecks Recherchen zur Verfügung.
Staatsanwalt: Nun, der Herr Verteidiger hat ja in Bernwied sehr wohl zu recherchieren gewußt.
Vert.: Das war auch danach. (Heiterkeit.) Sie sehen, wie mich das Publikum deswegen auslacht.
Vors.: Ich bemerke, daß allen Anträgen der Verteidigung von mir stattgegeben wurde.
Vert.: Das mußte ja geschehen. Aber im Vorverfahren wurde im Interesse der Verteidigung keine Ermittelung gemacht.
Die Zeugin Karl nannte sodann einige Adressen früherer Dienstherrschaften der Wagner. Das Gericht beschloß die Ladung der Zeugen, ebenso des Ehemanns Karl und einiger Eisenbahnbeamten, die der Minna Wagner gegenübergestellt werden sollen. Die Zeugin Karl wünschte entlassen zu werden.
Vors.: Nein, Sie müssen noch hierbleiben.
Zeugin: Ich muß doch aber nach Hause zu Mittag kochen. (Große Heiterkeit.)
Vors.: Das hilft nichts, Sie müssen noch bleiben. (Heiterkeit.)
Zeugin Lina Seitz: Ihr habe die Vorsteherin nachgesagt, daß sie sich mit Soldaten abgebe. Als sie sie deshalb zur Rede stellte, habe sie es abgeleugnet. Wenn man mit dem Ministerium drohte, bekam es Fräulein v. Heusler mit der Angst, und es war eine Weile besser. (Heiterkeit.) Von den Stiftsdamen habe die Angeklagte gesagt: »Die ganze Zeit lamentieren die ›alten Laster‹ über Krankheit, aber beim Fressen und Saufen merkt man nichts davon!« (Heiterkeit.)
Kriminalschutzmann Anton Jailner bekundete, daß ihm bei seinen Ermittelungen berichtet wurde, es sei im Stift geäußert worden: »Der Minna Wagner werde man doch nichts glauben, denn sie sei Konvertitin.« Wer das gesagt, ließ sich nicht feststellen.
Es folgte eine Reihe von der Verteidigung geladener Leumundszeugen. Diese bekundeten: Die Angeklagte habe sich bei Wohltätigkeitsveranstaltungen betätigt, für Arme Handarbeiten gemacht und das Bestreben gehabt, ihren Stiftsdamen eine Freude zu machen. Mehrere Ministerialräte aus dem Ministerium des Innern bezeichneten die Rechnungsführung der Angeklagten als musterhaft; einige Freundinnen hielten die Angeklagte für energisch, aber gutmütig.
Kapuzinerpater Coelestin aus Altötting sollte bekunden, daß Fräulein v. Heusler ihm nach einer Beichte erzählt habe, eines ihrer Mädchen sehe immer einen Hund mit feurigen Augen, und daß er erwidert habe, so etwas gebe es nicht.
Zeuge: Er erinnere sich dessen nicht, solche Sachen treten zu oft an ihn heran. Er müsse überhaupt sein Erstaunen aussprechen, daß man einen Priester wegen solcher Lappalie vor Gericht rufe.
Vert. R.-A. Dr. v. Pannwitz (sehr heftig): Ich verbitte mir entschieden von einem Zeugen Vorhaltungen, was zur Würde der Justiz gehört und was nicht.
Vors.: Ich bitte, daß der Herr Verteidiger sich ruhig verhält; Sie haben den Zeugen nicht die Meinung zu sagen.
Ein älteres adliges Fräulein von 66 Jahren, eine Freundin der Angeklagten, bekundete als Zeugin: Sie halte die Angeklagte für zu brav und fromm, um eine solche Tat zu begehen.
Eine sehr große Anzahl weiterer Zeugen bekundete auf Befragen des Verteidigers, daß sie die Angeklagte der ihr zur Last gelegten Tat nicht für fähig hielten. Eine Zeugin sagte: Die Oberin habe ihr einmal verboten, die Stiftsdamen zu bedienen. Die Oberin habe gesagt: »Die alten Laster können sich selbst die Stube aufwischen und heizen.«
Der jetzt 54jährige Magistratsbeamte Ludwig Karl bekundete als Zeuge: Seine vor ihm hier vernommene Gattin sei zehn Jahre älter als er. Die Wagner habe sich geneigt gezeigt, mit ihm ein Liebesverhältnis einzugehen, es sei aber nicht zum Ehebruch gekommen.
Die Wagner, die während der Verhandlung wiederholt Brechanfälle bekam, erzählte: Herr Karl, ihr Dienstherr, habe ihr nachgestellt, er habe sie aber nie erwischt.
Vors.: Minna Wagner, ist nicht Ihr Onkel zu Frau Karl gekommen und hat Ihnen ein paar Ohrfeigen gegeben?
Zeugin Wagner: Nein.
Vors.: Aber Ihr Onkel hat es selbst hier zugestanden.
Zeugin: Ich erinnere mich nicht.
Zeuge Fetzer: Erinnerst du dich denn nicht? Du hast ja bitterlich geweint und noch nach zwei Jahren zu meiner Frau gesagt, daß ich dich ungerecht geschlagen habe. Das kannst du doch nicht vergessen haben.
Zeugin Wagner: Es kann ja möglich sein, ich erinnere mich aber nicht mehr.
Es folgten darauf die Sachverständigengutachten. Professor Dr. med. Freiherr v. Schrenck-Notzing (München): Die Minna Wagner machte einen normalen, wenn auch einen etwas zarten Eindruck mit vielleicht etwas leichterer, nervöser Erschütterung. Sie hatte bereits vorher eine Magenerkrankung, so daß schon eine geringere Schädlichkeit eine erhebliche Störung verursachen konnte. In dem Kaffee waren 2 Gramm reine Salzsäure enthalten, die 0,7 Gramm Chlorwasserstoffsäure erzeugen. Beim Genuß von 12 Gramm tritt der Tod ein; 2 Gramm Salzsäure sind die Maximaldosis für Arzneien. Die genossene Menge überschreitet zwar nicht die ärztliche Dosis, aber die Menge wird dann nicht auf einmal genossen. Ein vollständig normaler Magen würde die Schädlichkeit des Giftes in schnellerer Zeit überwunden haben. Das unstillbare Brechen kann durch psychische Vorgänge beeinflußt werden. Es ist bekannt, daß das Brechzentrum von Vorstellungen leicht berührt werden kann. Ein eminent psychischer Choc und traumatische