Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band. Hugo Friedländer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band - Hugo Friedländer страница 10
Die Geschworenen traten nach Mitternacht in Beratung. Nach einer halben Stunde traten die Geschworenen wieder in den Saal. Der Obmann verkündete: Die Geschworenen haben die Schuldfrage bejaht.
Staatsanwalt Aull beantragte eine Zuchthausstrafe von 7 Jahren und 10 Jahre Ehrverlust.
Vert. R.-A. Dr. v. Pannwitz bat um eine mildere Strafe.
Angekl. v. Heusler: I' bitt' Sie, i' bin unschuldig.
Der Gerichtshof verurteilte die Angeklagte zu 6 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust. Händeringend beteuerte die Angeklagte nochmals, unschuldig zu sein. Mehrere alte Damen drückten ihr zum Abschied die Hand, als sie, stolz aufgerichtet, sich abführen ließ. Die Sitzung schloß um 1/22 Uhr nachts. Vor dem Justizpalast hatten sich große Menschenmassen angesammelt, die begierig auf das Urteil warteten, das vielfach große Befriedigung erregte.
Als die Angeklagte im verschlossenen Gefangenenwagen nach dem vom Justizpalast entfernt gelegenen Untersuchungsgefängnis transportiert wurde, johlte und pfiff die Menge und bewarf den Gefangenenwagen mit Steinen.
Die gegen das Urteil eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht verworfen.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. v. Pannwitz, betrieb unablässig und schließlich auch mit Erfolg das Wiederaufnahmeverfahren. Elise v. Heusler war außerdem vom Zivilgericht verurteilt worden, an Minna Wagner 3000 Mark Entschädigung zu zahlen. Das Urteil ist aber nicht rechtskräftig geworden. Inzwischen war Minna Wagner gestorben. Auf Antrag des R.-A. Dr. v. Pannwitz wurde die Leiche der Wagner seziert. Die Sektion ergab, daß in der Leiche eine Salzsäurevergiftung nicht gefunden wurde. Die Brechanfälle, so erklärten die Ärzte, müsse die Wagner simuliert haben; von Salzsäure sei im Körper keine Spur vorhanden gewesen.
Auf Beschluß des Bayerischen Oberlandesgerichts wurde das Wiederaufnahmeverfahren beschlossen und Elise v. Heusler im November 1905 aus dem Zuchthause entlassen. Sie hatte also 7 Monate in Untersuchungshaft und 2 1/2 Jahre im Zuchthause zugebracht. Am 25. Oktober 1906 hatte sich Elise v. Heusler im Wiederaufnahmeverfahren nochmals vor dem Schwurgericht des Landgerichts München I zu verantworten.
Die Angeklagte war inzwischen 58 Jahre alt geworden. Sie sah stark gealtert aus. Die Spuren des zweieinhalbjährigen Aufenthalts im Zuchthause waren auf ihrem Gesicht unverkennbar. Sie war schlicht gekleidet und brach auf der Anklagebank wiederholt in Tränen aus, während sie in der ersten Verhandlung eine große Ruhe zeigte. Die Angeklagte versicherte auf Befragen des Vorsitzenden unter heftigem Weinen, daß sie unschuldig sei. Sodann äußerte sich die Angeklagte über die Minna Wagner. Die Wagner habe getrunken, obwohl sie nach ihrer eigenen Angabe einen schlechten Magen gehabt habe. Wiederholt seien viele Flaschen Bier leer gewesen, und da sie die Wagner im Verdacht hatte, die Flaschen ausgetrunken zu haben, machte sie ihr Vorhaltungen. Daß die Wagner daraufhin gedroht habe, sich im Ministerium über die Angeklagte zu beschweren, sei unwahr. Sie könne sich nicht mehr an lieblose Äußerungen erinnern, die sie über die Wagner sowie über Stiftsdamen getan haben solle. Des weiteren äußerte die Angeklagte den Verdacht, daß die Wagner im Komplott mit der Stiftsdame Lotz gehandelt habe, mit der sie (Angeklagte) verfeindet war, weil sie der Lotz verboten hatte, unanständige Gespräche bei Tisch zu führen.
Köchin Marie Holzapfel bekundete als Zeugin: Sie war bei dem Ingenieur Lippmann bedienstet, als die Minna Wagner von diesem aus Mitleid als Dienstmädchen aufgenommen wurde. Die Wagner zeigte sich bald sehr naschhaft und verlogen. Eines Tages hatte sie einen Streit mit ihr. Nachts darauf wurde sie (Zeugin) von ihrem Dienstherrn geweckt, sie solle die Gashähne schließen, die von der Wagner geöffnet worden seien. Ein anderes Mal soll die Wagner eine Suppenschüssel mit Petroleum beschmiert haben.
Die Feststellung des Verteidigers, daß drei Wochen vor dem kritischen Tage im Stift auf Rechnung von drei Stiftsfräuleins 241 Flaschen Bier getrunken worden seien, erregte allgemeine Heiterkeit.
Alsdann wurde die 64 Jahre alte, sehr gebrechliche Stiftsdame Neudegger vernommen, die an das bayerische Ministerium eine Eingabe zugunsten der Angeklagten gerichtet hatte. Es hieß in der Eingabe: Es sei unerhört, daß man annehmen könne, die Oberin v. Heusler hätte die Tat begangen.
Die Angeklagte erklärte zu der Eingabe, sie selbst habe die Zeugin gebeten, dem Ministerium alles mitzuteilen, weil sie selbst doch nicht in eigener Sache schreiben konnte. Was die Zeugin zu