Zwangsvollstreckungsrecht, eBook. Alexander Bruns
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Das Gericht ist an seinen Beschluss nicht gebunden; es kann ihn jederzeit auf Antrag abändern oder ganz aufheben, so etwa dann, wenn eine nachträgliche Anhörung des Klägers ergibt, dass die Voraussetzungen für die einstweilige Einstellung nicht gegeben waren[43].
Das Gesetz (§ 707 Abs. 2 S. 2) sagt, dass der Beschluss des Gerichts unanfechtbar ist[44]. Gegen die Unanfechtbarkeit des Gerichtsbeschlusses ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nichts zu erinnern[45].
Dennoch gab die früher h.M. die sofortige Beschwerde in Fällen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit“[46], insbesondere dann, wenn um die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 707, nicht nur um den Inhalt der Ermessensausübung gestritten wurde[47]. Letztere Praxis war sehr bedenklich, weil sie dem Rechtsmittelgericht gerade die Prüfung einräumt, die § 707 Abs. 2 S. 2 verbietet. Denn dass das Beschwerdegericht sein Ermessen nicht an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts setzen darf, ist selbstverständlich; darin kann sich deshalb der Sinn des § 707 Abs. 2 S. 2 nicht erschöpfen. Der BGH und ihm folgend die Obersten und Obergerichte sind von der Möglichkeit außerordentlicher (Rechts-) Beschwerde inzwischen abgerückt[48]. Zunächst ließ die Rechtsprechung zur Korrektur von Verfahrensfehlern verfassungsrechtlicher Qualität eine Gegenvorstellung analog § 321a a.F. zu, der ursprünglich auf Urteile beschränkt war[49]. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber in einer Plenarentscheidung eine ausdrückliche umfassende Regelung fachgerichtlicher Abhilfe bei Gehörsverletzung bis 31.12.2004 aufgegeben[50]. Der Gesetzgeber ist dieser Aufforderung in Gestalt des Anhörungsrügengesetzes vom 9.12.2004 (BGBl. I, S. 3220) nachgekommen und hat den Anwendungsbereich der Gehörsrüge auf alle Entscheidungen ausgedehnt. Ein Manko der Neuregelung ist die fehlende Einbeziehung anderer prozessualer Verfassungsverstöße, für die analoge Anwendung von § 321a dem Gebot fachgerichtlicher Remedur entspricht (Rn. 18.12, 44.5).
Beispiel:
s. Baur/Stürner, Fälle, Fall 13.
a) Kraft Gesetzes
14.27
§ 707 ist kraft Gesetzes entsprechend anwendbar: bei Einlegung von Berufung und Einspruch (§ 719 Abs. 1, s. Rn. 15.35); bei Widerspruch gegen Arrest oder einstweilige Verfügung (§§ 924 Abs. 3, 936)[51]; bei Rechtsbeschwerde gegen die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches (§ 1065 Abs. 2 S. 2).
b) Ohne gesetzliche Anordnung
14.28
Ohne gesetzliche Anordnung ist § 707 entsprechend anwendbar, wenn die Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs geltend gemacht wird[52]; beim Ergänzungsantrag gemäß § 321[53].
Spezialvorschriften gegenüber § 707 sind insbesondere §§ 570 Abs. 2, 3, 769; 95 Abs. 3 FamFG. Die h.M. wendet im Falle der Abänderungsklage (§ 323) nicht den § 707 entsprechend an, sondern wegen der Ähnlichkeit zwischen Abänderungsklage und Vollstreckungsgegenklage (Rn. 45.41) den § 769[54]. Im Falle der Verfassungsbeschwerde kann das BVerfG gemäß § 32 BVerfGG die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der angegriffenen Entscheidung anordnen[55], § 707 ist nicht entsprechend anwendbar[56]; denn nur das BVerfG, nicht das ordentliche Gericht kann die Aussichten der Beschwerde ermessen. Bei Menschenrechtsbeschwerden gegen rechtskräftige Entscheidungen (Art. 19 ff. MRK) bietet sich hingegen allenfalls die Analogie zu §§ 707, 719, 769 an, wobei das letztinstanzliche deutsche Prozessgericht zuständig wäre; die supranationalen Institutionen können nicht durch einstweilige Anordnungen in die deutsche Vollstreckung eingreifen (Rn. 9.17). Dasselbe gilt bei Vorlage an den EuGH (Art. 234 EGV) durch ein Rechtsmittelgericht[57]. Bei Vollstreckung ausländischer Titel schaffen die Abkommen, die Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung und Ausführungsgesetze häufig Sondervorschriften für den Fall eines ausländischen Rechtsmittels (Art. 46 EuGVVO: Aussetzung, s. Rn. 55.16) oder der Anfechtbarkeit inländischer Vollstreckbarerklärung (Art. 43 EuGVVO, §§ 18 ff. AVAG: nur Sicherungsvollstreckung, s. Rn. 55.16); nur wo sie fehlen, greifen §§ 707, 719 unmittelbar oder analog ein. Regelungslücken sollten stets durch Analogieschluss zu §§ 707, 719, 769 geschlossen werden, einstweilige Anordnungen gemäß §§ 935 ff. sind nicht der richtige Weg[58]. Bei Deliktsklagen gegen rechtskräftige Titel ist wegen der Rechtsähnlichkeit zu § 767 anstelle analoger Anwendung von § 707 letztlich § 769 der geeignetere Rechtsbehelf (Rn. 5.20)[59].
§ 15 Die vorläufig vollstreckbaren Urteile
Schrifttum:
Furtner, Die vorläufige Vollstreckbarkeit, 1953; Furtner, Welchen Einfluss hat die Aufhebung einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung auf bereits eingeleitete, aber noch nicht beendete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, MDR 1959, 5; Furtner, Vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen, auf Grund deren eine Eintragung im Grundbuch vorgenommen werden soll, JZ 1964, 19; Moller, Klageänderung und vorläufige Vollstreckbarkeit, NJW 1966, 1397 (dazu Gross NJW 1966, 2344); Baur, Studien zum einstweiligen Rechtsschutz, 1967; Pecher, Die Schadensersatzansprüche aus ungerechtfertigter Vollstreckung, 1967; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 257 ff.; E. Schneider, MDR 1977, 89, 92 (zum neuen Recht nach der Vereinfachungsnovelle); ders., Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl. 1977, S. 36 ff.; Wax in Bender/Belz/Wax, D. Verfahren nach der Vereinfachungsnovelle, 1977; Häsemeyer, Schadenshaftung im Zivilrechtsstreit, 1979, S. 81 ff., 103 ff.; Braun, Erfüllung, Verzugsbeendigung und Verzugszinsen bei Abwehrleistungen und vorläufiger Vollstreckung, AcP 184 (1984), 152; Schünemann, Befriedigung durch Zwangsvollstreckung, JZ 1985, 49; Gerlach, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und ungerechtfertigte Bereicherung, 1986; Höhne, Zum Vollstreckbarkeitsausspruch im Berufungsurteil, MDR 1987, 626; Czub, Die schuldtilgende Wirkung der Beitreibung aus vorläufig vollstreckbaren Titeln, ZZP 102 (1989), 273; Oetker, Die Festsetzung der Sicherheitsleistung bei vorläufig vollstreckbaren Urteilen, ZZP 102 (1989), 449; Schilken, Grundfragen der vorläufigen Vollstreckbarkeit, JuS 1990, 641; Krüger, Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zwischen materiellem und formellem Recht, NJW 1990, 1208; Vogg, Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit, 1991 (Besprechung Schilken ZZP 106 [1993], 421); Kerwer, Die Erfüllung in der Zwangsvollstreckung (Diss. Saarbrücken), 1996; Gaul, Die Haftung aus dem Vollstreckungszugriff, ZZP 110 (1997), 1; Saenger, Zur Schadensersatzpflicht bei vorzeitigen Vollstreckungsmaßnahmen des materiell berechtigten Gläubigers, JZ 1997, 222; Olzen, Aufrechnung gegenüber dem Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO?, FS Schütze, 1999, S. 603; Böckmann/Kluth, Die Behandlung des Zurückbehaltungsrechts im Falle vorläufiger Zwangsvollstreckung, MDR 2002, 1042; Foerste, Die Zustellung der Prozessbürgschaft, NJW 2010, 3611.
S. Übersicht 6, Rn. 13.1.
I. Grundsätze vorläufiger Vollstreckbarkeit
15.1
Der Eintritt der Rechtskraft kann dadurch erheblich hinausgezögert werden, dass die unterlegene Partei ein Rechtsmittel einlegt. Um der siegreichen Partei schon vorher die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen und um der unterlegenen Partei den Anreiz zu nehmen, nur zur Hinauszögerung der Vollstreckung ein Rechtsmittel