Zwangsvollstreckungsrecht, eBook. Alexander Bruns
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a) Bankbürgschaft
15.22
Vor der ZPO-Reform musste Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft vom Gericht eigens auf Antrag zugelassen werden[20]. Mittlerweile erlaubt § 108 Abs. 1 S. 2 die Sicherheitsleistung durch die Bankbürgschaft als gesetzlichen Regelfall: soweit das Gericht keine abweichende Bestimmung getroffen hat und nichts anderes vereinbart ist, kann Sicherheit durch schriftliche[21], unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts geleistet werden[22]; aus § 751 Abs. 2 folgt in bestimmten Fällen entgegen der h.M. eine besondere Formpflicht für die Erklärung des Bürgen[23]. Mit der Zustellung der Bürgschaftserklärung[24] an den Prozessbevollmächtigten[25] oder an den Schuldner selbst[26] entsteht ein Vertrag, weil die gerichtliche Anordnung die Annahme durch den Bürgschaftsgläubiger ersetzt[27]. Prozessbürgschaft durch Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Titelgläubiger, der das Urteil in Prozessstandschaft erstritten hat, zu Gunsten des Forderungsinhabers gemäß § 328 BGB ist möglich[28]. Der Gläubiger kann unter Umständen den Austausch bei beigebrachter Bürgschaft durch eine gleichwertige verlangen (§ 242 BGB, § 109)[29]. Das Prozessergebnis ist für den Bürgen verbindlich[30].
b) Sicherungsvollstreckung
15.23
Ein nach § 709 S. 1 für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil darf bereits vor erfolgter Sicherheitsleistung mit der Vollstreckungsklausel versehen werden (§ 726 Abs. 1). Der Beginn der Zwangsvollstreckung hängt dann aber davon ab, dass die Sicherheit geleistet und dies in gehöriger Form dem Vollstreckungsorgan und dem Schuldner nachgewiesen wird (§ 751 Abs. 2)[31]. Von dieser Regel macht jedoch § 720a eine bedeutsame Ausnahme[32]: Obwohl das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, darf der Gläubiger – ohne die Sicherheit geleistet zu haben! – schon eine sog. Sicherungsvollstreckung durchführen: Er muss zwei Wochen vorher Titel und Klausel[33] zustellen und darf dann bewegliches Vermögen pfänden und eine Zwangshypothek auf dem Grundstück des Schuldners eintragen lassen[34]; zulässig sind auch Vorpfändung[35] und Antrag auf Offenbarungsversicherung[36]. Die Pfandgegenstände darf der Gläubiger aber erst verwerten, wenn er die Sicherheit geleistet hat. Das vorläufig vollstreckbare Urteil hat also eine ähnliche Funktion wie der Arrest (s. unten § 50).
Der Schuldner kann die Sicherungsvollstreckung kraft Gesetzes gemäß § 720a Abs. 3 durch Sicherheitsleistung in Form einer Prozessbürgschaft oder in Geld abwenden (§ 108)[37].
c) Rückgabe der Sicherheit
15.24
Rückgabe der Sicherheit des Gläubigers erfolgt nach Rechtskraft des ursprünglich vorläufig vollstreckbaren Urteils im vereinfachten Verfahren gemäß § 715; daneben bleibt dem Gläubiger die Möglichkeit des § 109[38]. Soweit in der höheren Instanz vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers angeordnet wird (§§ 537, 558, 718; s. Rn. 15.33), kann Rückgabe nach § 109 verlangt werden; ebenso, wenn die bestätigende Entscheidung höherer Instanz ihrerseits ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist[39] oder auch wenn der Titel aufgehoben wird[40]. Der Gläubiger muss aber beachten, dass er die Vollstreckungsabwendung durch den Schuldner (§ 711) nur vermeiden kann, wenn er bei bloß vorläufiger Vollstreckbarkeit seine Sicherheitsleistung stehen lässt[41].
3. Anträge des Gläubigers auf Erlass der Sicherheitsleistung und Schuldnerschutz
15.25
Die vom Prozessgericht von Amts wegen, sei es nach § 708 (ohne Sicherheitsleistung), sei es nach § 709 S. 1 (gegen Sicherheitsleistung), zu treffende Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit kann – und dadurch kompliziert sich die Rechtslage noch mehr – unter gewissen Voraussetzungen durch Anträge des Gläubigers und des Schuldners jeweils zu ihren Gunsten beeinflusst werden. Solche Anträge müssen vor dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden (§ 714), um im Urteil berücksichtigt werden zu können[42].
Die vom Gesetz getroffene grundsätzliche Abwägung zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteressen kann auf diese Weise vom Richter den Sonderumständen des Einzelfalles angepasst und korrigiert werden[43]. Das ist auch notwendig, denn die für alle Beteiligten bedeutsame Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen aus einem noch nicht endgültigen Urteil die Zwangsvollstreckung betrieben werden darf, kann nur unter Berücksichtigung aller Besonderheiten entschieden werden. Freilich zeigt sich auch hier, dass Einzelfallgerechtigkeit vom Gesetzgeber nur angestrebt werden kann um den Preis sehr detaillierter und verwickelter Vorschriften, die andererseits doch auf wertausfüllungsbedürftige Blankettbegriffe („schwer zu ersetzender Nachteil“) nicht verzichten können. Im Einzelnen sind folgende Sonderentscheidungen möglich:
a) Gläubigerantrag auf Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung
15.26
Auf Antrag des Gläubigers sind Urteile, die an sich nicht unter § 708 fallen und deshalb gemäß § 709 S. 1 nur gegen Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären wären, auch ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass er die Sicherheit nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten leisten kann und dass die Aussetzung der Vollstreckung ihm „einen schwer zu ersetzenden oder schwer abzusehenden Nachteil bringen würde oder aus einem sonstigen Grunde für ihn unbillig wäre, insbesondere weil er die Leistung des Schuldners für seine Lebenshaltung oder seine Erwerbstätigkeit dringend benötigt“ (§ 710). Diese für den Gläubiger erfreuliche Regelung greift indessen nicht Platz, wenn der Schuldner seinerseits glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (§ 712 Abs. 1 S. 1); es hat dann eine Interessenabwägung stattzufinden (Einzelheiten s. § 712).
b) Vollstreckungsschutz des Schuldners
15.27
Noch komplizierter ist der Vollstreckungsschutz des Schuldners geregelt:
aa) Abwendungsbefugnis
15.28
Wie wir bereits wissen, sind die in § 708 genannten Urteile ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Nach § 711 hat das Gericht aber in den Fällen des § 708 Nr. 4–11 von Amts wegen auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit leistet! Das Gesetz nimmt also dem Gläubiger die ihm in § 708 Nr. 4–11 eingeräumte Befugnis (der Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung) in § 711 für den Fall wieder weg, dass der Schuldner seinerseits eine Sicherheit bietet! Während für den Gläubiger die Möglichkeit teilweiser Sicherheitsleistung bei Teilvollstreckung auch insoweit uneingeschränkt besteht (§§ 752, 711 S. 2, 709 S. 2), kann der Schuldner die Vollstreckung ohne Gläubigersicherheit nur abwenden, wenn er für den gesamten nach dem Urteil vollstreckbaren Betrag Sicherheit erbringt (§ 711 S. 2 a.E.)[44].
Zu beachten ist, dass dieser Vollstreckungsschutz nur in den Fällen des § 708 Nr. 4–11 in Betracht kommt[45].