Zwangsvollstreckungsrecht, eBook. Alexander Bruns
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Das Rechtsmittel muss gewisse Erfolgsaussicht haben (Rn. 14.17): Beim Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ist die Einstellung grundsätzlich nur gegen schuldnerische Sicherheitsleistung zulässig, die Ausnahmen gemäß § 719 Abs. 1 S. 2 verlangen zusätzlich die Voraussetzungen des § 707 Abs. 1 S. 2 (sehr str.)[52]. Bei Berufungen ist die Gefährdung des Schuldners regelmäßig zu verneinen, wenn der Gläubiger nur gegen Sicherheit vollstrecken darf[53]; Abwendungsbefugnis des Schuldners kann der Annahme eines nicht zu ersetzenden Nachteils entgegenstehen[54]. Die Sicherheitsleistung des Schuldners haftet nach Ende der Einstellung für Vollstreckungsschäden, welche die Einstellung verursacht hat[55]; nur wenn der Titel fortfällt (Rn. 15.40), kann sie also nach Beendigung der Einstellung gemäß § 109 zurückverlangt werden; für einen im Rechtszug abgeschlossenen Vergleich haftet sie – gegebenenfalls teilweise – fort[56]. Hingegen fällt bei Einstellung der Anlass für eine Sicherheit des Gläubigers fort, der folglich nach § 109 vorgehen darf. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 719 Abs. 1 setzt ferner wie bei § 719 Abs. 2 voraus (unten Rn. 15.36), dass bereits in erster Instanz ein Vollstreckungsschutzantrag gestellt wurde[57].
b) Revision
15.36
Legt der Schuldner gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Revision ein, so ist die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anzuordnen, allerdings nur, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm – nicht einem Dritten[58] – einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, und wenn nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 S. 1), was der Gläubiger glaubhaft zu machen hat (§ 719 Abs. 2 S. 2).
15.37
§ 719 Abs. 2 verdrängt § 707[59]. Die Revision muss zulässig und darf nicht aussichtslos sein[60]. Gibt der BGH dem Antrag statt, so kann er nur die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung aussprechen[61]; er kann aber weder bereits erfolgte Vollstreckungsmaßregeln aufheben noch den Fortgang der Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung des Gläubigers abhängig machen noch den Betrag der vom Schuldner bereits geleisteten Sicherheit herabsetzen. Die Wirkung des Einstellungsbeschlusses ergibt sich aus § 775 Nr. 2.
„Einen nicht zu ersetzenden Nachteil“ erleidet der Schuldner nicht schon durch die regelmäßig mit der Vollstreckung eintretenden Nachteile[62] oder bei einer bloßen Erschwerung, seinen eventuellen Rückforderungsanspruch später durchzusetzen, sondern nur dann, wenn die Zwangsvollstreckung einen Zustand herbeiführt oder eine Wirkung auslöst, die nachträglich überhaupt nicht wieder rückgängig gemacht werden kann[63]. Ein überwiegendes Interesse des Gläubigers ist vor allem zu bejahen, wenn bei befristeter Unterlassung die Einstellung jede Vollstreckung vereiteln würde, weil die Frist praktisch mit dem zu erwartenden Revisionsurteil endet[64].
Der BGH versagt die Einstellung gemäß § 719 Abs. 2, falls der Schuldner in den Vorinstanzen aussichtsreiche Vollstreckungsschutzanträge nicht gestellt (§§ 712, 714) oder kein Urteilsergänzungsverfahren (§ 716) betrieben hat[65]; eine Ausnahme gilt, soweit die den Antrag stützenden Gründe im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht vorlagen oder nicht vorgebracht werden konnten[66]oder es sonst aus besonderen Gründen unmöglich war, im Berufungsverfahren einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen[67]. Der Schuldner kann in den Vorinstanzen Vollstreckungsschutz regelmäßig nur gegen Sicherheitsleistung erlangen (§§ 711, 712), die Einstellung nach § 719 Abs. 2 würde ihn ungerechtfertigterweise besser stellen. Die zum Teil etwas begriffsjuristische Begründung des BGH, bei fehlender Rechtswahrnehmung in den Vorinstanzen drohe kein „nicht zu ersetzender Nachteil“, ist demgegenüber weniger überzeugend[68].
Wird auf eine Revision die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, so lebt die erstinstanzliche Entscheidung bis zu einer neuen Entscheidung wieder in all ihren Teilen auf, also auch hinsichtlich ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit[69].
IV. Vollstreckung aus vorläufigen Titeln
15.38
Aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil kann die Zwangsvollstreckung in der gleichen Weise betrieben werden wie aus einem rechtskräftigen Urteil.
1. Wirkungen und Beschränkungen der Vollstreckung
15.39
Die Zwangsvollstreckung hat grundsätzlich auch die gleichen prozessualen Wirkungen wie beim rechtskräftigen Urteil. Sie führt nicht nur zur Sicherung, sondern auch zur Befriedigung des Gläubigers. Befriedigung bedeutet, dass die Zwangsvollstreckung ihren Zweck erfüllt hat und damit beendet ist. Von der Befriedigungswirkung ist die materiellrechtliche Frage der Erfüllungswirkung zu unterscheiden. Sie steht unter dem Vorbehalt, dass das Bestehen der Schuld rechtskräftig festgestellt wird[70] – was auch gilt, wenn erkennbar zur Abwendung der Vollstreckung aus vorläufigen Titeln geleistet wird[71]. Wollte man anderes annehmen, so würde die Leistung den Rechtsstreit trotz fortdauernden Verfahrens erledigen – ein nicht haltbares Ergebnis.
Zu beachten ist aber – praktisch besonders wichtig –, dass die Wirkungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit beschränkter sind, wenn dem Schuldner gemäß §§ 711 S. 1, 712 Abs. 1 S. 1 gestattet war, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden. Dann darf nämlich die Zwangsvollstreckung nicht zu einer Befriedigung des Gläubigers führen: Gepfändetes Geld oder der Erlös gepfändeter Gegenstände ist dem Gläubiger nicht auszuhändigen, sondern zu hinterlegen (§ 720); die Überweisung gepfändeter Geldforderungen findet dann nicht an Zahlungs statt, sondern nur zur Einziehung mit der Wirkung statt, dass der Drittschuldner den Schuldbetrag zu hinterlegen hat (§ 839; Rn. 30.30). Genügend ist hierbei die bloße Aufnahme der Abwendungsbefugnis ins Urteil, gleichgültig, ob der Schuldner von ihr durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung Gebrauch macht[72]. Denn weist der Schuldner die geschehene Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach, so hat das jeweils zuständige Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung sogar völlig einzustellen (§ 775 Nr. 3) und bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben (§ 776). Nur wenn der Gläubiger in Ausübung eines Gegenvorbehalts im Falle des § 711 seinerseits tatsächlich Sicherheit leistet, kann er die Zwangsvollstreckung uneingeschränkt betreiben[73].
Nur zu einer Sicherung des Gläubigers führt auch die Sicherungsvollstreckung (§ 720a), die dem Gläubiger noch geringere Befugnisse gewährt (Rn. 15.23).
2. Beendigung der vorläufigen Vollstreckbarkeit
15.40
Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt außer Kraft, sobald ein Urteil der Rechtsmittelinstanz die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, natürlich nur insoweit, wie die Aufhebung oder Abänderung reicht (§ 717 Abs. 1). Das Außerkrafttreten erfolgt bereits im Zeitpunkt der Urteilsverkündung (vgl. § 310), nicht erst später mit Eintritt der Rechtskraft (Rn.