Zwangsvollstreckungsrecht, eBook. Alexander Bruns

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Zwangsvollstreckungsrecht, eBook - Alexander Bruns

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durch einen gegen ihn gerichteten, aber vergeblich gebliebenen Vollstreckungsversuch erlitten hat, z.B. durch Aufbrechen seiner Türen oder Behältnisse. Der Ersatzanspruch umfasst ferner beispielsweise den Schaden, den der Schuldner dadurch erleidet, dass er Geld als Sicherheit zum Vollstreckungsschutz hinterlegen muss, welches er sonst Gewinn bringend anderweitig hätte verwerten können[97]; nicht dagegen den Schaden, der durch andere Maßnahmen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung als durch Zahlung, Hinterlegung oder Sicherheitsleistung entstanden ist, also z.B. aus der Erklärung der Zahlungseinstellung oder durch den Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens[98]. Nicht von § 717 Abs. 2 erfasst sind nach der Rechtsprechung des BGH auch „Begleitschäden“ am Inventar bei Räumungsvollstreckung, die aber nach den Grundsätzen der Amtshaftung ersatzfähig sein können (§ 839 BGB, Art. 34 GG)[99]. Sehr zweifelhaft ist, ob unter die Ersatzpflicht auch ein Vermögensschaden fällt, der erst Folge einer durch die Zwangsvollstreckung hervorgerufenen seelischen Erkrankung ist, oder ein Schaden, der in der Zurückhaltung möglicher Geschäftspartner wegen vollzogener Vollstreckungen begründet liegt[100]. Beides sollte man – entgegen dem BGH – bejahen, sofern es nicht um Schäden geht, die in der Verurteilung als solcher ihre Ursache haben.

      15.49

      Der Bereicherungsanspruch – bei Vollstreckung aus oberlandesgerichtlichen Urteilen – geht nach näherer Maßgabe der §§ 818, 819 BGB auf Erstattung des vom Schuldner auf Grund des vorläufig vollstreckbaren Urteils Gezahlten oder Geleisteten (§ 717 Abs. 3 S. 2 und 3). Da mit der Zahlung oder Leistung des Schuldners die Rechtshängigkeit seines Erstattungsanspruchs fingiert wird (§ 717 Abs. 3 S. 4 i.V.m. § 818 Abs. 4 BGB), kann sich der Gläubiger allerdings niemals (wie sonst gemäß § 818 Abs. 3 BGB) auf den Wegfall der Bereicherung berufen[101].

      Bei der Verweisung auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 717 Abs. 3 S. 3) handelt es sich um eine bloße Rechtsfolgenverweisung; die tatbestandlichen Voraussetzungen der Erstattungspflicht sind dagegen im § 717 Abs. 3 S. 2 abschließend geregelt, sodass es daneben auf die §§ 812 ff. BGB nicht mehr ankommt[102].

      15.50

      Der Anspruch kann auf Ersatz des Schadens (dessen Ursache bis zum Erlass des Urteils des OLG entstanden ist) und auf Herausgabe der Bereicherung (von diesem Zeitpunkt ab) gehen[103].

      15.51

      Das Gesetz (§ 717 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 2) nennt als möglichen Anspruchsinhaber nur den Beklagten, als möglichen Anspruchsgegner nur den Kläger des Prozesses, in dem das jetzt aufgehobene, vorläufig vollstreckbare Urteil ergangen war.

      Damit ist zwar der häufigste Fall erfasst, dass der Kläger als Vollstreckungsgläubiger den ihm im Prozess zugesprochenen Anspruch gegen den Beklagten als Vollstreckungsschuldner beitreibt. Auch ist es richtig, dass einem beliebigen Dritten, in dessen Vermögen aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil absichtlich oder versehentlich vollstreckt worden ist, die Ansprüche aus § 717 nicht zustehen, so z.B. nicht der Ehefrau des Beklagten[104] oder dem Versicherer, der für den Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung leistet[105]. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die gesetzliche Formulierung zu eng ist:

      15.52

      Denn wegen der völligen Gleichheit der Interessenlage sind die Ansprüche auch bei vertauschten Parteirollen gegeben, also beispielsweise zu Gunsten eines im Prozess unterlegenen Klägers, der auf Grund eines nur vorläufig vollstreckbaren und später wieder aufgehobenen Titels unter der Drohung der Zwangsvollstreckung die Prozesskosten an den Beklagten bezahlt hat[106].

      15.53

      Hat nicht der Kläger, sondern gemäß § 727 sein Rechtsnachfolger die Zwangsvollstreckung betrieben, so trifft ihn die Pflicht zum Schadensersatz bzw. zur Bereicherungsherausgabe[107]. Umgekehrt kann auch ein von der Zwangsvollstreckung betroffener Rechtsnachfolger des Beklagten Anspruchsgläubiger sein[108].

      15.54

      Gegenüber dem Anspruch aus § 717 Abs. 2 oder Abs. 3 können grundsätzlich alle nach dem materiellen Recht möglichen Einwendungen erhoben werden[109].

      15.55

      In Betracht kommt vor allem der Einwand des mitwirkenden Verschuldens (§ 254 BGB). Ein solches kann z.B. darin liegen, dass der Schuldner es unterlassen hat, dem Gläubiger nicht bekannte Verteidigungsmittel rechtzeitig vorzubringen oder dass er ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen ließ; ferner darin, dass er den Gläubiger nicht auf die Gefahr eines mit der Zwangsvollstreckung verbundenen ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam gemacht hat; schließlich darin, dass er es unterlassen hat, mittels Sicherheitsleistung die Zwangsvollstreckung abzuwenden oder wenigstens den Schaden „gering zu halten“[110]. Das Beigetriebene muss aber stets erstattet werden.

      15.56

      Auch eine Aufrechnung ist grundsätzlich möglich; dies gilt ganz unabhängig davon, ob der Anspruch durch neue Klage oder im anhängigen Rechtsstreit geltend gemacht wird (Rn. 15.57, 15.59)[111]. Die Aufrechnungslage entsteht nach Auffassung des BGH schon vor der Entscheidung, die den vorläufig vollstreckbaren Titel aufhebt (Anhängigkeit des Rechtsbehelfs?); denn der Vollstreckungsgläubiger könne die Ersatzforderung des Vollstreckungsschuldners schon vorher befriedigen (§ 387 BGB)[112]. Ausgeschlossen ist freilich die Aufrechnung mit der Klageforderung, weil dadurch der Zweck des § 717 vereitelt würde[113].

      Der BGH differenziert dabei auch im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach § 717 Abs. 2 zwischen der Erstattung des vollstreckungsweise erhaltenen Betrages und weitergehendem Schaden: hinsichtlich des Erstattungsbetrags verbiete sich die Aufrechnung mit der Klageforderung, während in Bezug auf den weitergehenden Schaden unbeschränkt aufgerechnet werden könne[114]. Diese Differenzierung begründet der BGH unter anderem mit der Annahme einer gespaltenen Rechtsnatur des Schadensersatzanspruchs (s. noch Rn. 15.60). Die Unterscheidung zwischen Erstattung und weitergehendem Schaden ist indessen im Gesetz so nicht vorgezeichnet, vielmehr verläuft die Grenzlinie zwischen § 717 Abs. 2, der vollen Schadensersatz gewährt, und § 717 Abs. 3, der sich auf Bereicherungsausgleich beschränkt. Der differenzierende Standpunkt des BGH kann so besehen nicht voll überzeugen.

      Beispielsfall:

      Baur/Stürner, Fälle, Fall 3.

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