Die Vampirschwestern – Bissgeschick um Mitternacht. Franziska Gehm
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„Wir könnten dir aus der Drogerie Rasierzeug holen“, schlug Helene vor.
„Onkel Vlad hat mal erzählt, sein Bart sei erst richtig kräftig gewachsen, nachdem er ihn rasiert hatte“, warf Daka ein.
„Dann stülpen wir dir eben eine Papiertüte über den Kopf und machen zwei Löcher für die Augen rein“, sagte Helene.
„Und du meinst, das fällt weniger auf als mein Foliba?“ Silvania sah Helene zweifelnd an.
„Ich hab’s. Wir holen uns von der Schulkrankenschwester einen Verband, wickeln den über den Foliba und sagen, du … hast dir beim Pfeifen die Lippe verstaucht“, sagte Daka.
„Wenn schon, dann beim Knutschen“, meinte Helene.
Silvania schüttelte den Kopf. „Ich bleibe einfach auf dem Klo, bis der Foliba wieder weg ist. Die Achselhaare waren schließlich gestern auch nach ein paar Stunden verschwunden.“
„Und mein Mega-Eckzahn auch“, stimmte Daka zu.
Seit ein paar Tagen gingen seltsame Verwandlungen mit den Vampirschwestern vor sich. Als Halbvampire waren sie schon einiges gewohnt. Ihr Vater, Mihai Tepes, war ein Vollblut-Vampir. Ihre Mutter, Elvira Tepes, war ein Vollzeit-Mensch. Aus der Liebe, die zwischen ihnen vor vielen Jahren in den Karpaten erblüht war, waren die Zwillinge Silvania und Daka entsprungen. Die ersten zwölf Lebensjahre hatten sie in Transsilvanien verbracht. Dann waren sie nach Bindburg, der Heimatstadt ihrer Mutter, gezogen. Sie führten also nicht nur ein Leben zwischen Menschsein und Vampirsein, sondern auch zwischen der alten und der neuen Heimat.
Doch was in den letzten Tagen mit ihnen geschehen war, war befremdlicher und schräger als alles, was bisher in ihrem halbvampirischen Leben passiert war. Bei Daka hatte alles ganz harmlos mit einem einzelnen Pickel auf der Stirn angefangen. Es war Dakas erster Pickel gewesen. Offenbar war es ihm auf Dakas schneeweißer Stirn zu langweilig gewesen und er hatte sich mit ein paar Pickelkumpeln verabredet, die auch prompt am nächsten Morgen links und rechts von ihm erschienen waren. Die Pickel fühlten sich auf Dakas Stirn so wohl, dass dort schon am Nachmittag eine regelrechte Pickel-Party stieg, zu der weitere Pickel erschienen, die erst zusammen eine Polonaise tanzten und dann mit weiteren Pickeln ein Kreuz bildeten. Das Pickelkreuz war so gut sichtbar, dass eine alte Dame Daka bereits für einen Sanitäter gehalten hatte.
Während auf Dakas Stirn die Pickelparty tobte, hatten sich gestern beim Aufstehen, als Silvania sich streckte, erste zarte Sprösslinge unter ihren Armen gezeigt. Die Härchen waren rotbraun, ganz fein und kaum zu erkennen. Und daher, wie Silvania zunächst leichtsinnig dachte, kein Grund zur Beunruhigung.
In den ersten beiden Stunden (Mathe und Physik) wuchsen Silvanias Achselhaare um zehn Zentimeter. In den nächsten beiden Stunden (Deutsch und Geo) wuchsen sie weitere zwölf Zentimeter. Als es nach dem Geschichtsunterricht endlich zum Schulende läutete, kamen Silvania die Achselhaare schon zu den Ärmeln heraus. Und das, obwohl sie ein langärmliges Oberteil trug. Auf dem Heimweg bildeten die Achselhaare Beulen unter dem Oberteil. Es sah aus, als wären die Schulterpolster nach unten gerutscht.
Gerade als Daka den Heckenschneider holen und ihre Schwester vom Rapunzelachselhaar befreien wollte, verschwanden die Haare wieder. Seitdem waren sie nicht wieder aufgetaucht.
Kaum waren Silvanias Achselurwälder weg, bekam Daka Zahnschmerzen. Ihr linker oberer Eckzahn glühte, ziepte und wummerte. Dann begann er zu wachsen. Zunächst freute sich Daka und spießte zum Spaß mit dem Eckzahn allerhand Lebensmittel wie einen Apfel, eine Bockwurst und ein Brötchen auf. Sie machte sich sogar im Haushalt nützlich und half ihrer Mutter beim Öffnen einer Bohnenbüchse. Doch als Daka der Eckzahn bis über das Kinn wuchs und sie sich damit am Hals kratzen konnte, wurde ihr die Sache langsam unheimlich. Wäre der rechte Eckzahn wenigstens mitgewachsen. Aber so sah Daka aus, als hätte sie sich das Horn eines Rhinozerosses in den Mund gesteckt. Silvania versuchte Dakas wild wuchernden Eckzahn mit einer Feile zu kürzen, doch vergebens.
Je länger Dakas Eckzahn wurde, desto schwerer wurde er auch. Dakas Kopf kippte ständig nach links. Als ihr der Zahn bis zur Brust reichte, begann er sich auch noch zu kringeln. Jetzt sah Daka aus wie ein Mammut mit einem einzelnen Stoßzahn. Dass Silvania die Lage schamlos ausnutzte und Dakas Mammut-Eckzahn zum Aufhängen ihrer Ketten benutzte, fand Daka gar nicht lustig. Gerade, als Daka und Silvania ernsthaft überlegten, ob sie zu Helenes Papa gehen sollten, der Zahnarzt war, schrumpfte der Eckzahn wieder, bis er binnen Minuten seine Normalgröße erreicht hatte.
Neben diesen äußerlichen Veränderungen wurden die Vampirschwestern von Heißhungerattacken heimgesucht. Mal hatten sie Heißhunger auf Schokolade, mal auf Blut, und Silvania hatte einmal sogar Heißhunger auf marinierte Seepferdchen.
Außerdem spielten ihre Stimmbänder verrückt. Silvania redete einen ganzen Vormittag lang wie ein Donkosake. Nicht russisch, aber so tief. Daka dagegen piepste drei Stunden lang wie eine Opernsängerin, die ein Cello auf den Fuß bekommen hatte.
Bis auf die Kreuzpickel auf Dakas Stirn verschwanden all diese merkwürdigen Erscheinungen zum Glück nach ein paar Stunden wieder. Silvania hoffte, mit dem Foliba würde es genauso sein.
„Ropscho“, sagte Daka. (Das war auch Vampwanisch und hieß so viel wie „okay“ oder „na gut“.) „Dann bleibst du eben auf dem Klo, bis der Foliba verschwunden ist.“
„Falls er nicht weggeht, holen wir dich nach der letzten Stunde ab und bringen einen Verband mit“, fügte Helene hinzu.
Silvania nickte, schielte traurig auf ihren Foliba und schloss sich wieder im Klo ein.
„Hier“, sagte Daka und schob das erstbeste Buch unter der Klotür durch, das sie in ihrer Tasche finden konnte, „hast du was zum Lesen.“
Silvania nahm es in die Hand. Es war Dakas Chemiebuch. „Azdio“, sagte sie leise. Sie klang wie eine Königstochter, die eine böse Hexe für die nächsten hundert Jahre aufs Schulklo verbannt hatte. Nur ein mutiger Prinz, der weder Mädchengekreische noch Urinstein fürchtete, konnte sie retten.
Während Silvania mit einem Oberlippenbart von einem Prinzen ohne Oberlippenbart träumte, eilten Daka und Helene aus dem Mädchenklo und zum Klassenraum.
Der einsame Gipfel
Martin Graup war seit sechs Jahren Lehrer für Geografie und Geschichte an der Gotthold-Ephraim-Lessing-Schule. Er mochte an seinem Job die Regelmäßigkeit, die Sommerferien und seine Kollegin Frau Renneberg. Er mochte sogar ein oder zwei Schüler. Was er nicht mochte, waren Klassenfahrten, Unpünktlichkeit und den Kaffee im Lehrerzimmer. Deswegen brachte er meistens von zu Hause seine eigene kleine Thermostasse mit. Auf der Tasse war ein Bild von einer Katze und einem Hund, die miteinander kuschelten. Seine Oma hatte sie ihm zu Weihnachten geschenkt.
Martin Graup hatte den Schülern soeben eine seiner Lieblingsaufgaben erteilt: stilles Lesen. Gerade wollte er einen Schluck von seiner Thermostasse nehmen, als es an der Tür klopfte. Er verzog das Gesicht. Doch dann fiel ihm ein, dass es auch seine Kollegin Renneberg sein könnte. „Herein!“, rief er, steckte den Daumen in die Gürtelschlaufe seiner Jeans und wippte leicht mit den Knien.
Die Tür ging auf und zwei Mädchen traten ins Klassenzimmer. Ein Mädchen war blond, hatte strahlend blaue Augen und lächelte wie eine brave Zahnarzttochter. Das Einzige, was nicht zu dem Lächeln passte, waren ihre Arme, auf die sie lauter Spinnen, Totenköpfe und Zombies gemalt hatte.
Das andere Mädchen hatte zwar keine Kugelschreiber-Tatoos auf den Armen,