Die Vampirschwestern – Bissgeschick um Mitternacht. Franziska Gehm
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„Helene Steinbrück und Dakaria Tepes“, sagte Herr Graup. „Wie schön, dass ihr heute auch noch im Unterricht vorbeischaut. Habt ihr euch im Schulgebäude verlaufen?“
„Tut uns wirklich leid, dass wir zu spät kommen“, sagte Helene, „aber wir … wir wurden aufgehalten.“
„Auf dem Mädchenklo“, fügte Daka hinzu.
Herr Graup zog die Augenbrauen hoch. „Von wem? Der Putzfrau?“
„Von Silvania. Ihr geht es gar nicht gut“, erklärte Helene.
„Was hat sie?“, wollte Herr Graup wissen. „Schwindel? Fieber? Magenprobleme?“
„Sie hat Probleme mit ihrem Gesicht“, sagte Daka.
„Also, nicht das ganze Gesicht. Nur eine bestimmte Problemzone“, ergänzte Helene.
„Ein Problemstreifen“, steuerte Daka bei.
„Aber kein Grund zu Sorge“, sagte Helene. „Das ist so ’ne Mädchensache.“
„Eigentlich eher eine Jungensache“, fand Daka.
„Stimmt. Wenn man es genau nimmt, eine Männersache“, gab ihr Helene recht.
„Auf jeden Fall ist es eine sehr haarige Angelegenheit“, sagte Daka.
Herr Graup blickte zwischen Daka und Helene hin und her und sah immer verwirrter aus.
Die Schüler hatten längst aufgehört mit dem stillen Lesen. Sie verfolgten das Geschehen am Lehrertisch aufmerksam und machten so neugierige und aufgeweckte Gesichter wie selten im Unterricht von Herrn Graup. Selbst Ludo.
Ludo Schwarzer war der beste Freund der Vampirschwestern und von Helene. Er machte so gut wie nie ein neugieriges Gesicht, da er meistens schon wusste, was gleich geschah. Ludo konnte hellsehen. Und er konnte mit Geistern reden. Das war natürlich ein Geheimnis. Genau wie das Hörgerät von Helene, das sie hinter ihren langen blonden Haaren verbarg, und wie das Vampirblut, das in Dakas und Silvanias Adern floss.
Martin Graup schüttelte kurz den Kopf und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Thermostasse, als wolle er damit all die wirren Erklärungen hinunterspülen, die er gerade von den beiden Mädchen gehört hatte. Die Ausreden der Schüler wurden immer komplizierter. Früher hieß es noch „hab verschlafen“ oder „ich musste so lange an der Ampel stehen“ oder „meine Eltern haben die Möbel umgestellt und ich habe die Haustür nicht mehr gefunden“.
„Setzen!“, stieß Herr Graup schließlich hervor.
Helene und Daka eilten auf ihre Plätze. Doch im letzten Moment überlegte es sich ihr Klassenlehrer anders. „Moment. Du bleibst gleich mal hier vorne“, sagte er und tippte Daka an die Schulter. Er zeigte auf einen großen Globus, der neben dem Lehrertisch stand. „Zeig uns mal die drei höchsten Berge der Welt, Dakaria.“
Martin Graup liebte diese Übung. Er nannte sie „Die Top-3“. Er ließ Schüler die drei größten Wüsten, die drei längsten Flüsse oder die drei untersten Schichten der Erdatmosphäre aufzählen. Auch nach der Schule teilte Martin Graup die Welt gerne in die Top-3 ein. Er kannte seine Top-3 Urlaubsorte, seine Top-3 Frühstücksmüslis und seine Top-3 Freunde.
Daka stellte ihre Tasche ab und trat widerwillig an den Globus. „Der höchste Berg“, begann sie, wobei sich ihre Stimme am Ende plötzlich hochschraubte, als wäre sie auf die höchste Tonstufe geklettert. Daka räusperte sich und setzte erneut an. „Der höchste Berg …“ Ihre Stimme war nur noch ein Quietschen.
Sally, die in der letzten Reihe saß, kreischte als Erste los. „Voll die Schlumpfstimme!“
„Klingt wie ein Eichhörnchen im Schnellwaschgang“, fand Lucas Glöckner, der selbst zwar aussah wie ein Wildschwein, das noch nie einen Waschgang erlebt hatte, aber eine glockenhelle Stimme hatte.
„RUHE!“ Herr Graup ließ seinen strengen Blick über die Klasse schweifen. Dann sah er zu Daka. „Mach weiter. Und sprich bitte normal.“
„Der höchste Berg der Welt ist der Mount Everest“, piepste Daka. Wäre sie kein extrem blasser Halbvampir gewesen, wäre sie knallrot angelaufen. So leuchteten nur die Pickel auf ihrer Stirn noch kräftiger. Fast sah es aus, als würde das Pickelkreuz blinken. Daka räusperte sich und fuhr sich mit der Hand über den Hals.
„Hast du einen Frosch im Hals?“, fragte Herr Graup.
„Nee, ’nen Schlumpf!“, rief Sally.
„Tut mir leid“, piepste Daka. „Ich kann nichts dafür. Meine Stimmbänder flopsen zurzeit ständig von einer Oktave zur anderen.“ Wie zum Beweis sackte Dakas Stimme bei den letzten Worten in den Keller. Sie sprach so tief, dass jeder sibirische Männerchor Daka sofort mit Kusshand als Verstärkung aufgenommen hätte.
„Abgefahren“, hauchte Sally, die zur Abwechslung mal weder kreischte noch kicherte.
„Cool. Wie machst du das?“, fragte Lucas mit Knabenchorstimme.
Ludo und Helene sahen Daka besorgt an.
Martin Graup schloss eine Sekunde die Augen. Seit Silvania und Dakaria Tepes in seine Klasse gekommen waren, benahmen sie sich auffällig. Silvania hatte ihm gleich am ersten Schultag eine Tomate ans Hemd gedrückt. Daka war mitten im Unterricht eingeschlafen und hatte dabei gesabbert. Ein paar Tage später hatte Silvania eine Schulbank zu Kleinholz zerschlagen und jetzt machte Dakaria einen auf Stimmenkomiker. Herrn Graup war klar, dass sie ihn nur provozieren wollte. Aber da konnte sie lange warten. Scherzkekse bremste man am besten aus, indem man nicht weiter auf ihre Scherze einging.
„Na schön, Dakaria. Dann zeig uns mal den Mount Everest.“ Er setzte sich mit einem Bein auf den Lehrertisch und verschränkte die Arme.
Daka gab dem Globus mit den Fingern einen kleinen Schubs, woraufhin er sich zu drehen begann. Sie wusste, dass der Mount Everest in Asien lag. In Asien kannte sie sich aus. Erst vor Kurzem war sie mit Silvania bei ihrem gemeinsamen Freund Kerul in der Mongolei gewesen. Die Mongolei würde sie ganz bestimmt auf dem Globus finden. Der Mount Everest konnte dann nicht mehr weit sein.
Doch plötzlich wurde Daka schummrig. Als würde sich nicht nur der Globus, sondern die ganze Welt drehen. Sie blinzelte. Sie schnappte nach Luft. Sie spürte ein Stechen in der Brust. Dann einen Druck auf der Brust, und schließlich ein Ziehen.
Als der Globus stehen blieb, war das Schwindelgefühl verschwunden. Direkt vor Dakas Nase lag Asien auf dem Globus. Sie fuhr mit dem Finger über die Kugel, bis sie den Mount Everest gefunden hatte. „Da liegt er. Der höchste Berg der Welt!“ Daka streckte die Brust heraus und sah selbstbewusst in die Klasse.
Lucas Glöckner starrte auf Dakas Brust. „Der Mount Everest“, hauchte er fassungslos.
Unwillkürlich schoss Dakas Hand nach oben auf ihre Brust. Links war alles, wie es sein sollte. Schön flach. Die Daka’sche Tiefebene. Doch schlotz zoppo! Was war das rechts? Dort war eine Beule, so groß wie ein Tennisball, die Daka aber mindestens so groß wie der Mount Everest vorkam. Sie hatte von einer Sekunde auf die andere eine Brust bekommen! Eine richtige, echte Frauenbrust. Mitten am helllichten Tag. Mitten im Unterricht. Neben einem Globus. Vor der gesamten Klasse.