Die Vampirschwestern – Bissgeschick um Mitternacht. Franziska Gehm
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Rose Wagenzink – die Mihais Schwiegermutter, Elviras Mutter und die Oma der Vampirschwestern war – schloss gerade mit einer Schüssel Limette-Meerrettich-Lavendel-Paste auf dem Arm die Tür des letzten Hauses im Lindenweg auf. Dort wohnte ihre Tochter mit dem Vampir ihrer Träume und den Zwillingen. Elvira hatte ihrer Mutter am Abend am Telefon vom Riesenremmidemmi erzählt, das die Hormone bei Silvania und Daka veranstalteten. Daraufhin war Oma Rose das Limette-Meerrettich-Lavendel-Paste-Rezept wieder eingefallen. Angeblich half diese Paste bei Hormonproblemen aller Art, besonders bei jungen Menschen. Ob sie auch bei jungen Halbvampiren half, wusste Oma Rose noch nicht. Aber schaden würde die Paste sicher nicht.
Oma Rose war an diesem Morgen nicht die einzige Oma, die unterwegs in den Lindenweg war. Doch während Oma Rose im Anmarsch war, war die andere Oma der Vampirschwestern im Anflug. Hoch über Bindburg, mit einem langen dunkelblauen Kleid, einem Schirm am linken Arm und einer großen Sonnenbrille auf der Nase, schwebte sie heran: Zezcilia Morta Dentiba Tepes.
Durch ihren kurz entschlossenen und etwas übereilten Abflug von Stumpbjergen kam sie früher als erwartet in Bindburg an. Ihr Sohn und ihre Schwiegertochter rechneten erst am späten Nachmittag mit ihrer Landung.
Oma Zezci hatte bereits ein paar Runden über Bindburg gedreht. Durch ihre zahlreichen Reisen und Aufenthalte an goldgelben Stränden war sie immer sonnenscheinunempfindlicher geworden. Außerdem hatte sie natürlich stets eine Tube Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 250 bei sich. Doch obwohl Oma Zezci schon weit in der Welt herumgekommen war, war sie zum ersten Mal zu Besuch in der Heimat ihrer Schwiegertochter. Was sie bis jetzt von der Stadt gesehen hatte, gefiel ihr recht gut. Im Norden der Stadt lag ein kleiner Gebirgszug, an dessen Fuße herrlich finstere Tannen wuchsen. Mitten durch die Stadt floss ein dunkler, breiter Fluss. Im Süden der Stadt prangte auf einem kleinen Hügel ein mittelalterliches Schloss und im Zentrum auf dem Marktplatz stand ein Rathaus mit fünf hohen Türmen und einer Ritterstatue. Im ganzen Stadtzentrum wimmelte es nur so von gut genährten, zweibeinigen Blutträgern.
Mittlerweile hatte Oma Zezci das Stadtzentrum hinter sich gelassen und flog gerade über die Reihenhäuser im Lindenweg. Ein junger Mann schob einen Kinderwagen und ein Postbote einen Briefwagen. Sonst war die Reihenhaussiedlung wie ausgestorben. Die meisten Bewohner waren schon in der Schule, bei der Arbeit oder beim Arbeitsamt. Der Mann mit dem Kinderwagen verschwand im Eingang der U-Bahnstation. Der Postbote kramte gerade in einer der prallen Brieftaschen. Oma Zezci ging zum Sinkflug über. Zwei Meter über dem Postboten verharrte sie in der Luft. „Skyzati“, sagte sie so freundlich wie möglich. „Haben Sie zufällig Post für Familie Tepes?“
Der Postbote zuckte zusammen und sah nach oben. Beim Anblick der fliegenden Oma machte er ein Gesicht, als hätte er einen riesengroßen Poststempel abbekommen.
„Ich könnte sie gleich mitnehmen. Sie wissen ja, Luftpost geht schneller“, fuhr Oma Zezci fort.
„Luftpost“, hauchte der Postbote. Dann rollte er die Augen mehrmals im Kreis, danach den Kopf und schließlich taumelte sein ganzer Oberkörper. Wie ein Kreisel eierte er noch zwei, drei Mal herum, bis er schließlich auf dem Briefwagen zusammenklappte.
„Fledermäuse sind einfach die zuverlässigeren Briefträger“, stellte Oma Zezci fest. In dem Moment fiel ihr Blick auf den Nacken des Briefträgers. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Eckzähne. Seit ihrem Abflug von Stumpbjergen hatte sie nur eine Kurzschnabelgans und eine Lachmöwe zwischen die Zähne bekommen. So ein kleiner Briefträger als zweites Frühstück wäre nicht zu verachten.
Oma Zezci beugte sich über den bewusstlosen Briefträger. Ihre Nasenflügel bebten, als ihr der Geruch von Aftershave, Angstschweiß und Druckerschwärze in die Nase stieg. Schon lief ein Speicheltropfen von einem ihrer Eckzähne auf den Kragen des Postboten. Sie hatte ihrem Sohn zwar versprochen, sich in Bindburg zurückzuhalten und keine Menschen, vor allem keine Nachbarn, Freunde oder Verwandten, anzufallen, aber dieser Mann hier war ja im Prinzip so etwas wie eine Flugpostfledermaus. Er war weder ein Nachbar noch ein Freund, noch mit Familie Tepes verwandt. Genau genommen war er ein Brief- und Blutträger. Na gut, er war ein Mensch. Aber Oma Zezci würde ja nur mal ganz kurz an ihm nippen. Das würde sicher gar keinem auffallen. Nur dem Postboten selbst natürlich.
Die bissige Oma der Vampirschwestern schwebte jetzt dicht über dem Postboten. Sie neigte den Kopf Richtung Briefträgerhals und riss gerade den Mund auf, als sie einen Schrei hörte. Er klang wie von einer hysterischen alten Frau. Oma Zezci drehte sich um. Im Eingang des vorletzten Reihenhauses stand ein Mann. Er war schlank, hatte einen schicken Anzug mit pinkfarbenem Polohemd an und Locken, die glänzten, als wären sie aus purem Gold. In der rechten Hand hielt er einen Autoschlüssel, in der linken einen kleinen silbernen Koffer. Er starrte Oma Zezci an und seine blassrosa Lippen bebten. Von ihm wehte eine starke Parfümwolke herüber. Ginseng-Patschuli. Oma Zezci verschlug es sofort den Appetit.
Sie richtete sich auf, gab dem noch immer bewusstlosen Postboten einen liebevollen Klaps und flog den Lindenweg entlang auf das letzte Reihenhaus zu. Als sie auf Höhe des goldlockigen Nachbarn ihres Sohnes war, hielt sie kurz inne. Sie wollte nicht unhöflich sein. Also machte sie einen kleinen Schlenker, flog direkt an ihm vorbei und gab ihm eine freundliche Kopfnuss. „Hoi boi, Herr Nachbar. Man sieht sich in nächster Zeit sicher öfters. Bisssss bald!“ Dann flog sie ein Haus weiter, hing sich kopfüber an die Regenrinne vor dem Eingang und klingelte.
Kaum hatte Oma Rose die Tür aufgemacht, flog Oma Zezci herein.
Kopfnuss mit Folgen
Dirk van Kombast rutschte erst der Autoschlüssel aus der Hand, dann das silberne Köfferchen. Beides fiel zu Boden, doch er achtete nicht darauf. Er hob die Hand und fuhr sich sachte über die Stelle, wo er eben von einer alten fliegenden Frau, die einen aufgespannten Regenschirm verkehrt herum am linken Arm hängen hatte und so blass war wie eine Leiche im Tiefkühlfach, eine Kopfnuss bekommen hatte.
Ohne sich zu rühren, schielte Herr von Kombast zum Nachbarhaus. Seit ein paar Monaten lebte dort Familie Tepes aus Transsilvanien. Und seit ihrem Einzug bereiteten die neuen Nachbarn ihm schlaflose Nächte. Nicht, weil sie laut waren. Sie waren bissig. Davon war Dirk van Kombast überzeugt. Wer, wenn nicht er, sollte es wissen?
Dirk van Kombast war Pharmavertreter, sah gut aus und hatte für jede Krankenschwester, jede Ärztin und jeden Arzt immer ein strahlendes Lächeln auf den Lippen. Nur für Vampire hatte er nie und nimmer ein Lächeln parat. Vielmehr stellte er sich ihnen furchtlos mit selbst gebauten Knoblauchpistolen, Kreuzen, Knoblauchpustern und anderen Spezialwaffen entgegen. Dirk van Kombast war Vampirjäger aus Leidenschaft. Vampire waren daran schuld, dass seine Mutti seit Jahren in einer geschlossenen Anstalt saß. Vampire waren daran schuld, dass ihr Mann sie verlassen hatte. Vampire hatten Dirks glückliche Kindheit zerstört. Sie würden dafür büßen. Das schwor sich Dirk van Kombast jeden Tag nach der Morgengymnastik.
Dass direkt im Haus neben ihm bissige Wesen der Nacht eingezogen waren, war dem erfahrenen Vampirjäger natürlich nicht entgangen. Es war nur eine Frage der Zeit, der richtigen Methode und der passenden Gelegenheit, wann er sie überführen und der Öffentlichkeit präsentieren würde.
Der Tag der Rache schien immer näher zu kommen. Die Vampire nebenan wurden immer unvorsichtiger. Jetzt ließen sie sogar ihre Oma am helllichten Tag frei herumfliegen. Wäre Dirk van Kombast nicht im richtigen Moment aus dem Haus gekommen, hätte die Stadt Bindburg jetzt einen Briefträger weniger.
Keine