Eva Siebeck. Bertha von Suttner
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Während dieses kurzen Aufenthaltes fanden dem Brautpaare zu Ehren mehrere große Soireén statt; eine bei Roberts Großmutter, eine andere bei Evas Tante; und bei dieser Gelegenheit zeigte sich Robert lebhafter und liebenswürdiger, als er sich im Hause Borowetz gegeben. So manche bewunderungsglühende Blicke aus seinen Augen, so mancher zärtliche Ton seiner Stimme machten das junge Mädchen erbeben und weckten die todtgeglaubten Gefühle wieder auf; die Gedichte und trocknen Blumen des unglücklichen Kremser Jünglings waren längst ins Feuer geworfen worden, und an ihre Stelle wurde nun Roberts Photographie in das Schatzkästlein gelegt. Daß er nichts von Liebe sprach, daß er im Lauf ihrer Unterhaltungen weder ein herzliches noch ein geistvolles Wort gefunden, das legte Eva auf Rechnung seiner »Schüchternheit«. Wenn sie nur einmal Mann und Weib waren, auf ewig vereint, darauf angewiesen, in einander ihr Lebensglück zu finden, dann würde der richtige Einklang sich schon herstellen …
Zu Faschingsende brachten die Wiener Blätter folgende Notiz:
(Aristokratische Trauung.) Gestern um 11 Uhr Vormittags fand in der Votivkirche die Trauung des Grafen Robert Siebeck, k. k. Lieutenants a. D., Sohn des gegenwärtig in Indien weilenden Grafen Ralph Siebeck, mit Baronesse Eva von Holten statt. Den Trauungsakt vollzog der Weihbischof Dr. Angerer. Zahlreiche Mitglieder der Aristokratie wohnten der Ceremonie bei. Nach einem in der Wohnung der Gräfin Koloman eingenommenen Dejeuner trat das junge Paar die Hochzeitsreise nach dem Süden an.
Ja, das Leben – immer deutlicher sah Eva ein, wie sehr Dorina Recht gehabt, – das Leben war doch ganz, ganz anders in der Wirklichkeit als in der Vorstellung.
Die neuen Eindrücke, die von dem Augenblicke an, da sie – die Trägerin eines neuen Namens, die Hüterin neuer Pflichten – den Traualtar verlassen, auf die junge Frau einstürmten, waren so gewaltig und verwirrend, daß ihr alles Umgebende und Geschehene wie unwirklich erschien. Dazu die Reise … ihre erste große Reise, in das fremde Land, mit dem fremden Mann, der doch zugleich ihr Mann, ihr Geliebter, ihr Lebensgenosse war – wie sollte sie das begreifen und erfassen?
Am wenigsten konnte sie aus Robert selber klug werden. War er liebend oder kalt? War er liebenswerth oder – das Gegentheil? Er war in seinem Wesen eben sehr verschieden. In manchen Stunden zärtlich und feurig, in andern wieder von langweiligster Gleichgültigkeit. Nicht nur gleichgiltig gegen sie, sondern gegen die ganze Außenwelt. Nichts von all den landschaftlichen und künstlerischen Schönheiten, die ihnen auf Schritt und Tritt begegneten, flößte ihm Begeisterung ein. Er machte sämmtliche, von den Reisehandbüchern angegebenen Besichtigungen und Ausflüge nur so gewissermaßen pflichtmäßig ab und fand daher viel mehr über Müdigkeit und »Fadigkeit« zu klagen, als er zu bewundern fand.
So wurden Venedig, Florenz, Rom und Neapel absolvirt. In Rom nahm das junge Paar längeren Aufenthalt. Robert hatte eine Empfehlung an den Gesandten mitgebracht, und dieser führte Graf und Gräfin Siebeck in die Gesellschaft ein. Da gab es täglich Einladungen zu Bällen und Routs, und Maskenfesten und Monte-Pincio-Fahrten, so daß die Gatten tagsüber nunmehr selten mit einander allein waren; und waren sie es, so zeigte sich Robert immer sehr wortkarg. Mitunter auch unangenehm, brummig, rechthaberisch, auffahrend. Das war aber nur zwei oder drei Mal vorgekommen. So kleine Anfälle übler Laune hat wohl jeder Mann, sagte sich Eva, ich werde es gewöhnen.
Nach den Osterfesten verließen sie Rom und traten ihre Rückreise über die Schweiz an. Hier ging es noch sechs Wochen hindurch bergauf, bergab; jedoch nicht im tête-à-tête, denn Robert hatte ein paar Landsleute ausfindig gemacht, die sich ihnen anschlossen und sämmtliche Ausflüge mitmachten.
Anfangs Juni hieß es, nach Großstetten heimkehren. Graf Siebeck war von seiner Indienreise zurück und wünschte die Schwiegertochter kennen zu lernen. Robert sollte jetzt anfangen, sich auf seinen künftigen Beruf als Gutsbesitzer vorzubereiten, und zu diesem Zwecke auf dem väterlichen Besitze so zu sagen als Praktikant amtiren.
Wie ein Traum – so unklar, so flüchtig und so angefüllt mit verschwommenen Bildern – lag die Hochzeitsreise hinter ihr, als Eva in Großstetten angefahren kam. Nur so viel war ihr klar geworden: »das Leben ist ganz anders« – ganz anders!
VI
Noch immer am Tage der Ankunft des jungen Paares in Großstetten.
Die Kammerjungfer trat ungerufen in Evas Sitzzimmer.
»Frau Gräfin, es wäre Zeit zum Toilettenmachen – in einer halben Stunde wird gespeist.«
Eva fuhr aus ihren Träumereien empor. Sie hatte die ganze Zeit beim offenen Fenster gesessen, die Blicke nach dem Park gerichtet, die Gedanken mit allerlei Vergangenheits- und Zukunftsbildern beschäftigt. Alle die vorhin erzählten Begebenheiten hatte sie in ihrem Gedächtniß vorbeiziehen lassen und sich die Frage daran geknüpft: »Was nun – was nun?« Denn jetzt erst stand sie eigentlich an der Schwelle ihres verheiratheten Lebens: sie war zu Hause. Die Hochzeitsreise war doch nur ein Interim gewesen, so zu sagen eine Vorrede – noch dazu eine ziemlich undeutlich abgefaßte Vorrede – zu dem Buche ihrer Zukunft. Im Grunde genommen konnte sie die nächste Zeit auch noch als eine Art von Interim betrachten, denn noch sollte sie ja nicht ihrem eigenen Haushalt vorstehen, sondern hier, sammt ihrem Mann – als Gast bleiben, bis Robert genug von der Wirtschaft erlernt hätte, um die selbstständige Verwaltung eines der Herrschaft Großstetten einverleibten Gutes zu übernehmen. Dieses Gut – Roßdorf mit Namen – sollte ihm dann als Eigenthum überlassen werden und dem jungen Paar als Aufenthalt dienen. Das darauf befindliche – seit Langem verwahrloste – Schlößchen mußte übrigens erst ganz her- und eingerichtet werden; eine Arbeit, deren Inangriffnahme für das kommende Frühjahr bestimmt worden war. Aber einerlei: wenn sie hier auch nicht des Hauses Herrin war, so war sie darum nicht minder daheim. Sie befand sich nunmehr im Kreise ihrer neuen Familie, und es lag ihr die Aufgabe ob, die Glieder dieser Familie liebzugewinnen und sich bei ihnen beliebt zu machen. Ersteres würde ihr nicht schwer fallen – ein paar liebenswürdigere Menschen als die alte Gräfin Siebeck und deren Sohn konnte man sich kaum vorstellen – wäre Robert nur halb so!
Bei diesen Gedanken war sie angekommen, als die Mahnung der Kammerjungfer sie herausriß. Sie stand auf:
»Schon, so spät?«
Jetzt steckte auch Irene den Kopf zur Thüre herein:
»Eva, mache Dich recht schön!« rief sie. »Wir haben Besuch bekommen, die Dürenbergs aus Dornegg … Natürlich bleiben sie zum Speisen, und da muß man Staat machen… Beeile Dich, ich muß, wieder fort, der Großmama helfen, mit den Gästen liebenswürdig zu sein.«
Nachdem Eva ihre Toilette beendet, ging sie zur Thüre von Roberts Zimmer. Sie wollte nicht allein hinaufgehen.
Sie klopfte. »Robert, bist Du da, und bist Du fertig?«
Als Antwort ertönte ein mächtiges Aahh, wie ein Gähnen im Löwenkäfig.
Da öffnete Eva die Thür. Robert erhob sich eben von seinem Sopha, hie Arme, streckend:
»Aahh«– gähnte er noch einmal, »die Landluft macht müde … ich hab‘ famos geschlafen… Wie spät ist‘s denn?«
»Gleich sechs —Du mußt dich anziehen.«
»Ah, warum nicht gar! Wozu wird man denn en famille solche Geschichten machen? Du hast, Dich auch viel zu sehr aufgedonnert… aber steht Dir gut, das weiße Spitzenkleid und die gelben Rosen… Bist doch ein hübsches Weiberl. Komm – laß Dir ein Bussel geben.«
»Keine Zeit – Du mußt Dich schnell anziehen. Dürenbergs sind da.«