Eva Siebeck. Bertha von Suttner

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Eva Siebeck - Bertha von Suttner

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auszuweichen, als Eva bestrebt war, ihn herbeizuführen. Was aus den widerstrebend ertheilten Mittheilungen hervorging, war Folgendes: daß Robert ein einziger Sohn war; daß sein Vater die Herrschaft Großstetten in Mähren besaß; daß dieser noch kein alter Mann war und sehr viel auf Reisen lebte – gegenwärtig weile er in Indien —, daß Roberts Mutter, eine nicht Ebenbürtige, gestorben war, als sie ihm das Leben gab; daß er in Wien einmal bedeutende Schulden gemacht hatte, welche von seinem Vater übrigens bereitwilligst bezahlt wurden; daß er nicht mehr lange dienen werde, weil sein Vater wünsche, daß er sich der Landwirthschaft widme, um einst Großstetten übernehmen zu können.

      »Und ist er nicht sehr schwärmerisch?« fragte Eva weiter. »Hat er nicht einen großen Hang zum – Dichten?«

      Dorina lachte auf:

      »Mein Gott,« sagte sie, »ich kenne ihn viel zu wenig, um zu wissen, was seine Neigungen seien; aber wahrlich: Gedichte machen wäre das letzte, was man ihm zumuthen könnte.«

      Eva wußte das besser. Aber sie erhob keinen Widerspruch, um ihr Geheimniß nicht zu verrathen.

      IV

      Es vergingen vierzehn Tage.

      Graf Siebeck hatte sich im Hause Borowetz nicht mehr blicken lassen. Auch gab es keine Blumensträuße und Gedichte mehr. Schon begann Eva zu fürchten, daß ihr schöner Glückstraum vernichtet sei, und das Gefühl der Kränkung, des Kummers schlich sich in ihr Herz.

      Sie ward so auffallend traurig, daß Dorina sie ängstlich befragte, was ihr denn fehle, und daß sogar der Oberst eines Morgens nach dem Frühstück bemerkte:

      »Sie sehen ja aus wie ein Häuflein Unglück, Baroneß Eva. Da ist ja der Uhu, dem ich neulich einen Flügel abgeschossen, und den wir in einen Käfig gesperrt haben, ein Ausbund von Lustigkeit gegen Sie. Ich muß aufrichtig sagen, daß ich so verdrießliche Gesichter nicht gern um mich sehe – die Leute werden noch sagen, Kreuz Million, daß ich meine Hausgenossen schinde. Die Dorina stößt auch seit einiger Zeit Seufzer aus, als ob ihr die Hühner das Korn gefressen hätten. So was kann ich nicht vertragen!« schloß er, indem ihm die Zornesröthe ins Gesicht stieg. Und – wie er das oft zu thun pflegte, wenn er sich zu ärgern begann – er verließ hastig das Zimmer, die Thüre hinter sich zuschlagend.

      »Daß noch ganze Thüren im Hause sind, wundert mich,« sagte Donna. »Die Prügelwuth, die in seinen Händen zittert, läßt mein Herr und Gebieter an den unschuldigen Thüren aus – da kann er ausholen: Bumm – und das ist eine Erleichterung, als ob er einen todtgeschlagen hätte. Wahrlich, wenn ich nicht so gescheidt gewesen wäre, mir vom Leben andere Kompensationen zu verschaffen —« Sie hielt plötzlich inne.

      »Was für Kompensationen?« fragte Eva.

      »Nichts. Sage Du mir lieber, was Dich niederdrückt? Du langweilst Dich bei uns?« Eva schüttelte den Kopf. »Siehst Du, jetzt treten Dir wieder die Thränen in die Augen …«

      »Frag‘ mich nicht, Dorina… ich habe in der That einen Kummer … später – bis ich ihn niedergekämpft habe – werde ich Dir vielleicht mein Herz ausschütten … und wenn es bis dahin nicht – gebrochen ist…«

      »Du närrisches Ding! Gebrochene Herzen kommen nur in den Büchern vor; in der Wirklichkeit stirbt Einer an andern Uebeln.«

      »An der Schwindsucht z. B.?« sage Eva, indem sie unwillkürlich hüsteln mußte. »Und ist dieses nicht oft die Folge eines tiefen seelischen Schmerzes?«

      Der Oberst kam wieder herein. Sein Zorn schien sich gelegt haben.

      »Ich habe vorhin vergessen, Abschied zu nehmen;« sagte er. »Ich muß nämlich heute wieder nach Wiener-Neustadt fahren und komme erst morgen Abend zurück … eine langweilige Geschichte … Es ist schon angespannt… Adieu; Dorina, adieu, Baroneß Eva – daß ich Sie lustiger finde, wenn ich nach Haus komme!«

      An diesem Nachmittag zog sich Dorina schon gegen sechs Uhr, auf ihr Zimmer zurück: »Ich habe schreckliches Kopfweh,« hatte sie sich gegen Eva entschuldigt, »es ist mir unmöglich, Dir Gesellschaft zu leisten, sei nicht böse …«

      Eva war gar nicht böse, allein bleiben und ihren Gedanken nachhängen zu können. Gegen neun Uhr – sie saß vor ihrem Schreibtisch und überlas zum so und sovielten Male die ihr gewidmeten Liebesgedichte – ward im Hause ein Geräusch von Schritten und Stimmen vernehmbar. Eva horchte auf: die Stimmen wurden immer lauter und zorniger. Es war ihr, als vernähme sie das Organ des Obersten. Sollte der unvermuthet zurückgekehrt sein?

      Das Stubenmädchen trat herein.

      »Baronesse sollen so gut sein, einen Augenblick zur Frau Oberstin zu kommen.«

      Überrascht und einigermaßen erschrocken folgt Eva dieser Aufforderung. Doch ihre Ueberraschung ward noch größer, als sie Dorinas Zimmer betrat. Außer Herrn und Frau von Borowetz war noch eine dritte Person anwesend – die letzte, die sie hier zu finden erwartet hätte – Lieutenant Graf Siebeck.

      Der Oberst ging der Eintretenden zur Thüre entgegen, nahm sie an der Hand und führte sie herein.

      Der junge Offizier verneigte sich.

      Dorina trat auf ihre Freundin zu:

      »Meine liebe Eva,« sagte sie, »hier siehst Du einen in Dich rasend verliebten jungen Mann: Graf Siebeck hält um Deine Hand an.«

      Dem jungen Mädchen drohten die Sinne zu schwinden. Ein solches Glück – und so plötzlich … Das war wie ein Traum, wie ein Märchen …

      »So ist es, Baronin Holten – schöne Baroneß Eva, so ist es,« sagte der Lieutenant mit etwas gedehnter Stimme – »ich erlaube mir … Ihnen anzutragen, Gräfin Siebeck zu werden.«

      Der Oberst, der Eva noch immer an der Hand hielt, preßte diese mit einem so eisernen Griff, daß das junge Mädchen hätte aufschreien mögen, und indem er ihr fest ins Auge schaute:

      »Sagen Sie mir nur Eines, Eva,« sprach er feierlichen Tones – »aber die Wahrheit – beim Andenken – bei der Grabesruhe Ihrer Eltern – die Wahrheit: hat Ihnen dieser junge Mann schon seit längerer Zeit den Hof gemacht?«

      Dorina fiel rasch ein:

      »Als ob das nothwendig wäre! Man kann ja auch —«

      Der Oberst unterbrach sie mit einer Schweigen gebietenden Kopfbewegung.

      »Antworten Sie, Eva. Seit wann wissen Sie, daß Graf Siebeck Sie liebt – beim Andenken von Vater und Mutter, seit wann?«

      Eva senkte erröthend den Kopf:

      »Seit … seit ungefähr sechs Wochen,« murmelte sie.

      Mit einem erleichterten Seufzer ließ der Oberst ihre Hand los.

      Robert und Donna wechselten rasch einen erstaunten Blick.

      »Nun denn,« sagte Herr von Borowetz, »so handelt es sich nunmehr um das Jawort. Geben Sie es?«

      Donna antwortete statt der Befragten:

      »Als ob man so ein entscheidendes Wort augenblicklich geben könnte … Da bittet man sich doch wenigstens vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit aus.«

      Das Gesicht des Obersten verfinsterte sich wieder, und mit etwas gezwungenem Lachen fügte Dorina schnell hinzu: »Nach den vierundzwanzig Stunden wird dann

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