Im Lande des Mahdi I. Karl May
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Читать онлайн книгу Im Lande des Mahdi I - Karl May страница 17
»Nein, sondern gerade des Gespenstes wegen brennen wir alle Licht.«
»Und es kommt dennoch?«
»Es kommt dennoch; es kommt durch die verriegelten Thüren und wandelt durch die erleuchteten Zimmer, an uns vorüber. Es ist grauenhaft! Daß ich noch nicht entflohen bin, mag Ihnen beweisen, daß ich meinen Namen Nassyr, welcher Sieg bedeutet, mit vollem Rechte trage.«
»Auch die Hausthüre ist verriegelt?«
»Natürlich, und zwar mit zwei großen, schweren Riegeln, welche man gar nicht so leicht bewegen kann.«
»Und wo schläft Selim, der tapfere Haushofmeister, welcher es mit allen Helden des Weltalls aufnimmt?«
»Hinter der Hausthüre, wo er sich täglich ein Lager bereitet.«
»Und auch er hat den Geist gesehen?«
»Täglich, alle Abende hat er ihn erblickt. Sie mögen daraus erkennen, daß er wirklich kein furchtsamer Mensch ist. Heute werden wir zum erstenmale der Ruhe pflegen können, welche uns bisher versagt gewesen ist. Ich bin müde und bedarf des Schlafes. Gute Nacht!«
Er gab mir die Hand und ging in seine Wohnung. Ich hörte, daß er die Thüre hinter sich verriegelte. Natürlich glaubte ich ihm sehr gern, daß er der Ruhe bedürfe. Starke Esser pflegen nach der Mahlzeit ermüdet zu sein. Aber daß ihn das Gespenst heute nicht stören werde, darüber war ich anderer Überzeugung. Ich hätte darauf schwören mögen, daß gerade heute der Geist kommen werde, wenn auch nicht mir zuliebe, aber doch gerade meinetwegen.
Es mochte nach unserer Zeit gegen elf Uhr sein, und ich hielt es für geraten, meine Vorbereitungen zu treffen, welche höchst einfach waren. Zunächst hatte ich die Kinder in Schlaf zu bringen. Sie mußten sich in eine Ecke auf das Polster legen, und ich deckte sie mit meinem Mantel, den Selim aus dem Hotel mitgebracht hatte, so zu, daß ihre Gesichter unter demselben steckten; sie sollten das Gespenst nicht sehen. Dann trat ich leise hinaus in den Säulengang, um nach der nächtlichen Beleuchtung zu sehen. Es gab keinen Mondschein; aber die Sterne schimmerten so hell hernieder, daß man wenigstens zehn Schritte weit zu sehen vermochte.
Zur Hausthüre kam das Gespenst nicht herein; das war gewiß, weil dieselbe mit Riegeln verschlossen war, und weil Selim dort lag. Ich war überzeugt, daß dieser Schlingel sich gerade denjenigen Ort, an welchem sich die Erscheinung nicht sehen ließ, zur Ruhestätte erwählt hatte. Der Geist stieg unbedingt über die Gartenmauer, in welcher es die schon erwähnten Breschen gab. Dort konnte man ihn kommen sehen. Trotzdem zog ich es vor, mich nicht in dem Garten zu postieren, denn vielleicht befand der Geist sich schon draußen, hätte mich bemerkt und auf seinen heutigen Rundgang verzichtet. Nun ging ich nach dem Hausflur, um nach Selim zu sehen. Er war noch nicht da, kam aber soeben die Treppe herab, mit einer kleinen Lampe in der Hand, welche ihn und die Umgebung matt beleuchtete. Alle Wetter, hatte dieser Held sich für die Geistererscheinung vorgesehen! Von jeder Schulter hing ihm eine Flinte herab; an der linken Seite schleppte ein mächtiger Sarras neben ihm her; sein langes, weißes Gewand war mit einem Tuche umgürtet, aus welchem die Griffe von einigen Messern und Pistolen blickten; in der Linken trug er die Lampe und in der Rechten ein starkes Holz, welches jedenfalls die Stelle einer Keule vertreten sollte. Als er mich erblickte, fuhr er vor Schreck so zusammen, daß ihm die Lampe entfallen wäre, wenn ich sie nicht ergriffen und festgehalten hätte.
»Laß mich in Ruh‘, laß mich in Ruh‘, o böser Geist, o Teufel!« rief er, indem die Keule seiner Hand entglitt.
»Schrei‘ nicht so, Selim!« antwortete ich. »Ich glaube gar, du hältst mich für den Geist!«
Dabei hob ich die Lampe zu meinem Gesichte empor. Als er dasselbe erkannte, meinte er im Tone größter Erleichterung und indem er tief Atem holte:
»Preis sei Allah, daß du es bist, o Effendi! Denn wenn es der Geist gewesen wäre, so hätte ich ihn auf der Stelle erschlagen!«
»Wohl mit der Keule, welche du hier weggeworfen hast?«
»Ja, mit ihr. Sie entfiel mir, als ich eben ausholen wollte. Ist der Herr schon schlafen gegangen?«
»Ja.«
»Die andern auch, und ebenso wollte ich hier mein Lager aufsuchen.«
Er nahm mir die Lampe aus der Hand und leuchtete nach der Thüre, —wo er eine alte Strohmatte ausgebreitet und darauf eine große Decke gelegt hatte, in welche er sich so einhüllen konnte, daß ganz gewiß weder er den Geist noch dieser ihn zu sehen vermochte.
»Und wo befindet sich der Neger?« fragte ich.
»Droben im Vorzimmer der Frauen, wo er sich mit ihnen verrammelt hat. Warum wandelst du hier herum, wo doch jeden Augenblick der Geist erscheinen kann?«
»Ich suchte dich. Ich wollte dich fragen, ob du nicht einige starke Schnüre oder Stricke hast.«
»Ich habe welche und werde sie gleich holen.«
Er brachte mir das Verlangte und riet mir dann, mich schlafen zu legen. Ich kehrte in meine Wohnung zurück, zunächst in das hintere Zimmer, welches erleuchtet war, und wollte nach den Kindern sehen. Sie schliefen fest. Dann ging ich in die nebenanliegende, dunkle Stube und öffnete die Thüre, welche auf die Säulenhalle des Hofes führte. Da setzte ich mich auf den Boden nieder und wartete mit großer Spannung, ob es dem Gespenst belieben werde, heute zu erscheinen.
Offen gestanden, wünschte ich, daß es kommen möge, denn ich wollte gern wissen, ob ich mit meiner Ahnung, daß es ein Mitglied, vielleicht gar der Vorsteher der Verbrüderung sei, das Richtige getroffen hätte. War es Abd el Barak, den ich, wie schon gesagt, für einen starken Menschen hielt, so galt es, vorsichtig und dabei sehr schnell zu sein. Er mußte überrascht werden. Ich wollte ihn im erleuchteten Zimmer erwarten, um zu erfahren, was er, wenn er mich erkannt hatte, machen werde. So saß ich lange Zeit; die Minuten wurden mir zu Viertelstunden. Ich hielt die Augen nach dem in den Garten führenden Durchgang gerichtet. Da hörte ich ein leises Geräusch aus jener Richtung, und von dem Dunkel der mir gegenüber liegenden Säulenhalle hob sich eine schmale, lichtere Stelle ab, welche sich bewegte. Es war eine jetzt in der Nacht grau erscheinende, also wohl weiß gekleidete Gestalt. Sie trat aus der Halle hervor und auf den offenen Hof. Aber sie war nicht allein; eine zweite und eine dritte Gestalt folgten ihr. Gab es etwa drei Gespenster? Dann war mein Verfahren nicht ganz ungefährlich. Die erste Gestalt wendete sich nach links von mir, wo die Zimmer des Türken lagen. Sie hob einen Arm empor, ein Zeichen für die beiden andern, welche sofort einen Lärm begannen, welcher dem Heulen und Pfeifen eines starken Sturmes glich. Dazu reichte der Mund nicht aus; sie mußten Instrumente haben. Ihr Treiben war für mich jetzt Nebensache; ich mußte mein Augenmerk auf den ersten richten. Dieser befand sich hinten bei der letzten Thüre. Jedenfalls schob er jetzt in der von mir vermuteten Weise den Riegel derselben zurück, um in das Zimmer zu treten. Von diesem aus wollte er die anderen Räume des Türken durchschreiten und mußte dann auch in meine Wohnung kommen. Er sollte mich dort auf dem Lager finden. Darum stand ich auf und kehrte schnell, die Thüren hinter mir verriegelnd, in mein erleuchtetes Zimmer zurück, wo ich mich auf das Kissen legte und die Decke so über mich breitete, daß mein Gesicht frei blieb. Die Negerkinder schliefen noch fest. Die Stricke hatte ich mit unter die Decke genommen.
Ich brauchte nicht lange zu warten; der entscheidende