Im Lande des Mahdi I. Karl May
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Читать онлайн книгу Im Lande des Mahdi I - Karl May страница 19
»So fürchtest du dich also nicht vor einem Gespenste?«
»Ich mich fürchten? Das kannst du fragen! Ich nehme es mit allen Geistern und Drachen der Hölle auf.«
»Das ist mir außerordentlich lieb, denn du sollst mir den Geist in meine Stube tragen helfen.«
»Den Geist?« fragte er, indem er plötzlich um eine Viertelelle kleiner wurde. »Du scherzest! Wer kann einen Geist tragen?«
»Ich kann es, und du kannst es auch. Dort liegt er; schau hin! Wir wollen ihn in das Zimmer bringen.«
Er folgte mit seinem Blicke meiner ausgestreckten Hand und sah die hell gekleidete Gestalt liegen.
»Hilf uns, 0 Herr, begnadige uns mit deinem Segen!« rief er aus, indem er beide Hände abwehrend von sich streckte. »Kein Befehl des Padischah, kein Gebot und kein Gesetz kann mich dorthin zu der Stelle bringen, an welcher dieser oberste der bösen Geister liegt.«
»Es ist ja gar kein Geist, sondern ein Mensch!«
»Aber du nanntest ihn ein Gespenst!«
»Er hat Gespenst gespielt, um euch in Furcht zu jagen.«
»So sage mir vorher, wie er heißt, wo sein Stamm wohnt und weichen Namen sein Vater und der Vater seines Vatersvaters trägt! Eher kann ich ihn nicht für einen Menschen halten.«
»Das ist alles Unsinn! Er ist ein Mensch. Ich habe ihn besiegt und mit dem Gewehre niedergeschlagen. Und drin in meiner Stube liegt ein zweiter, dem es ebenso ergangen ist.«
»So bist du verloren. Sie haben sich nur zum Schein besiegen lassen und werden über dich und deine Seele herfallen, um sie in Stücke zu zerreißen und in alle Winde zu zerstreuen!«
»So gehe wieder zu deinem Lager und stecke dich unter deine Decke! Sage mir aber niemals wieder, daß du der berühmteste Held deines Stammes seiest!«
Ich ließ ihn stehen, ging zu dem Geiste Nummer Zwei, nahm ihn auf die Achsel und trug ihn fort, nach meinem Zimmer, wo ich ihn niederlegte. Meine letzten Worte waren doch nicht ohne alle Wirkung auf Selim geblieben. Er kam mir, wenn auch zögernd, nach und blickte vorsichtig durch die halb offen gelassene Thür. In der Nähe derselben lag Abd el Barak. Selim erkannte dessen Gesicht. Sehr bedächtig, einstweilen nur den einen Fuß in die Stube setzend, fragte er erstaunt:
»Ist das nicht Abd el Barak, der Vorsteher der heiligen Kadirine? Wie kommt er hierher, und wer hat ihn in Banden geschlagen?«
»Ich, weil er der Geist ist, welcher in diesem Hause spukte. Er kam zu mir herein und wollte mich erstechen. Da habe ich ihn unschädlich gemacht. Er hatte noch zwei Geister mit, diesen hier, den ich niedergeschlagen habe, und einen andern, der mir über die Gartenmauer entkommen ist.«
Jetzt schien dem »größten Helden seines Stammes« ein Licht aufzugehen. Er kam vollends herein, stellte sich vor mich hin und sagte:
»Effendi, du bist zwar kein rechtgläubiger Moslem, aber Allah scheint dich doch in seinen ganz besonderen Schutz genommen zu haben, sonst wärst du jetzt eine Leiche und lägest draußen, starr wie ein Klotz, niedergestreckt von meiner tapfern Hand, welche unüberwindlich ist.«
Und als ich lächelnd die Achsel zuckte, fuhr er fort:
»Bezweifelst du das etwa? Du bist draußen im Hofe gewesen. Wehe dir, wenn ich dich gesehen und für den Geist gehalten hätte! Deine Gebeine wären zertrümmert unter meinen gewaltigen Streichen, und deine zermalmte Seele wäre von hinnen gegangen wie ein zusammengeknilltes Stück Papier. Kein Schöpfer hätte dich in dieser Gestalt wieder erkannt, und es wäre dir keine Stätte geworden im Lande des jenseitigen Lebens. Allah hat dich behütet, und darum solltest du das Christentum verlassen und den wahren Glauben annehmen, welcher seine Bekenner zu Helden macht, die jeden Gegner überwinden.«
»Um ein Held wie du zu werden, braucht niemand einen anderen Glauben anzunehmen. Gehe jetzt, um deinen Herrn herbeizuholen! Ich will ihm zeigen, welcher Art die Gespenster sind, die ihn aus diesem Hause vertreiben wollten.«
»Ich werde ihn rufen. Vorher aber muß ich selbst mit diesem Manne sprechen, welcher uns weismachen wollte, daß er in das Reich der abgeschiedenen Seelen gehöre.«
Er dachte jetzt nicht daran, daß Abd el Barak als Vorsteher der Kadirine eine bedeutende Macht besaß; das Renommieren war ihm zur zweiten Natur geworden, und da sich ihm jetzt eine Gelegenheit dazu bot, fiel es ihm nicht ein, dieselbe ungenützt vorübergehen zu lassen. Er streckte die geballte Hand gegen Abd el Barak aus und sagte:
»In diese Hand warst du schon längst gegeben. Ich durchschaute dich und hätte, wenn es mein Wille gewesen wäre, dich zerdrücken können, wie man einen Schwamm zusammendrückt. Aber ich war zu stolz dazu. Du warst nicht würdig, von meiner Hand berührt zu werden. Darum hob ich dich für diesen Effendi auf, der dich überwunden hat, wenn auch nicht so leicht und schnell, wie ich mit dir fertig geworden wäre. Du bist für mich wie eine tote Kröte, wie ein abgestandener Fisch, den man nicht riechen mag. Du wirst keine Nachkommen haben, und deiner Vorfahren wird kein Mensch gedenken. Aber wenn du gestorben bist, wird deine Seele als Geist spuken müssen in alle Ewigkeit. Das wird der Lohn deiner Thaten sein, während man die meinigen verzeichnen wird in das Buch der Helden und in die Gedichte der Sieger und Eroberer!«
Kein Theaterheld hätte mit größerem Aplomb hinter den Coulissen verschwinden können, als Selim jetzt durch die Thüre verschwand, um Murad Nassyr zu rufen. Abd el Barak sah ihm mit einem Blicke nach, welcher nichts Gutes weissagte. Ich konnte mich jetzt nicht mit ihm, sondern ich mußte mich mit seinem Nebengespenste beschäftigen, denn der Mann regte sich noch immer nicht. Hatte ich ihn vielleicht totgeschlagen? Es wurde mir doch ein wenig angst. Ich untersuchte seinen Schädel; er war geschwollen, aber nicht zerbrochen. Das Herz schlug fühlbar und regelmäßig. Ah! sollte der Mann sich verstellen, um, wenigstens einstweilen, der Demütigung zu entgehen? Ich nahm ihn beim Halse und drückte. Sofort riß er voller Angst, daß ich ihn erwúrgen wolle, die Augen auf und gurgelte:
»Zu Hilfe, zu Hilfe, o Gott, zu Hilfe! Ich ersticke; ich sterbe!«
Ich zog die Hand von seinem Halse und drohte:
»Wer sich tot stellt, der mag sterben. Behalte die Augen offen, wenn du nicht willst, daß ich sie dir für immer schließe! Gespenster finden bei mir keine Gnade.«
Es versteht sich ganz von selbst, daß die schwarzen Geschwister jetzt aufgewacht waren. Sie saßen in ihrer Ecke und betrachteten mit ängstlich aufgerissenen Augen die für sie furchterweckende Scene; aber einige Worte von mir genügten, sie zu beruhigen.
Jetzt nun konnte ich Abd. el Barak den Knebel aus dem Munde nehmen. Hätte ich bisher noch besorgt, daß er mir wegen der im Bierhause stattgefundenen Scene gefährlich werden könne, so war nun jede Veranlassung zu dieser Befürchtung verschwunden; ich hatte den Mann in meiner Hand und durfte annehmen, daß er sich hüten werde, etwas gegen mich zu unternehmen, nämlich offen; seine heimliche Gegnerschaft stand mir noch immer und nun erst recht bevor. Selim war nach der Säulenhalle gegangen, um von da aus durch Klopfen Einlaß bei Murad Nassyr zu begehren. jetzt erschien er unter meiner Verbindungsthüre, um mir zu sagen, daß sein Herr mich erst zu sprechen begehre, bevor er die gefangenen Gespenster sehen wolle.
»So mußt du einstweilen hier bleiben,« beschied ich ihn.
»Richtig, sehr richtig,« antwortete er, indem er mir seit vorigem Tage die erste Verbeugung machte. Er hatte bei der Aufregung der letzten Stunde die altgewohnte Höflichkeit ganz außer