Im Lande des Mahdi I. Karl May
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Читать онлайн книгу Im Lande des Mahdi I - Karl May страница 18
Ich hätte mich in die Seele Murad Nassyrs hinein ärgern oder schämen mögen! Dieser Geist hatte ganz und gar nicht das landläufig angenommene Aussehen eines Gespenstes. Er war in einen langen, bis auf den Boden reichenden Burnus von weißer Farbe gehüllt, hatte die Kapuze desselben über den Kopf gezogen, und außerdem hing ihm über das Gesicht ein helles Tuch herab, in welches für die Augen zwei Löcher geschnitten waren. Das war doch kein Geist, kein Gespenst, sondern ein Mensch, welcher ganz genau die Gestalt des Abd el Barak hatte.
Draußen hatte sich das Geräusch des Sturmes in das Nachäffen von allerlei Tierstimmen verwandelt, eine wirklich kindische Art und Weise, Gespensterfurcht zu erwekken. Das konnte ich jetzt nicht beachten, denn mein Gespenst hatte sich von der Thüre weg in das Zimmer gewendet, sah sich in demselben um und kam langsam auf mich zu. Es blieb eine kleine Weile vor mir stehen, wahrscheinlich, um mich zu betrachten. Ich hätte sein Gesicht sehen mögen! Aber das war nicht möglich, weil es verhüllt war und weil ich die Augenlider nicht so weit öffnen durfte. Ich konnte durch die Wimpern nur bis dahin schauen, wo sich seine Hände unter dem Burnus befanden. Hielt er mich wirklich für schlafend? Das wäre kein gutes Zeichen für seine Intelligenz gewesen, denn der Lärm, den seine Mitgespenster draußen vollführten, hätte jeden Schläfer aufwecken müssen. Jetzt verließ er mich und ging leise zu den Kindern. Er bückte sich nieder und hob den Zipfel meines Haïk empor. Er sah die beiden Schwarzen, und ich bemerkte eine Bewegung der Überraschung, welche er nicht zu unterdrükken vermochte. Dies gab mir die Überzeugung, daß ich Abd el Barak vor mir hatte.
Er ließ den Zipfel sinken und kehrte völlig geräuschlos zu mir zurück. Er beugte sich über mich, so daß das sein Gesicht verhüllende Tuch senkrecht niederhing und ich nun sein Kinn und auch seinen Mund sehen konnte. Seine rechte Hand kam aus dem Burnus hervor; die Klinge eines Messers blitzte in derselben. Das war gefährlich, und es galt, keinen halben Augenblick zu zögern. Sorge brauchte ich nicht zu haben, denn selbst wenn er stärker als ich war, mußte mir der Schreck zu Hilfe kommen. Ich sprang nicht etwa auf, nein, denn das wäre ein Fehler gewesen, der mich gerade an sein Messer gebracht hätte; vielmehr wälzte ich mich blitzschnell vom Polster herab vor seine Füße und hob dieselben aus, so daß er nach vorn niederstürzte. Das Messer flog aus seiner Hand; er kam mit Kopf und Brust quer auf das Polster zu liegen. Im nächsten Augenblicke war ich über ihm, legte ihm die linke Hand an die Kehle, drückte dieselbe fest zusammen und gab ihm mit der rechten Faust einige Hiebe auf den Hinterkopf. Er machte eine schwache, krampfhafte Bewegung, die ihn nicht befreien konnte, und blieb dann einige Sekunden, die mir aber erlaubten, ihm den einen Strick um den Oberkörper und die Arme zu winden, still liegen. Nun schlug er mit den Beinen aus; ich band sie mit dem anderen Stricke zusammen, so daß er nun vollständig gefesselt und in meine Hand gegeben war. Danach riß ich das Tuch weg und blickte, ganz wie ich erwartet hatte, in das Gesicht Abd el Baraks.
Seine Augen glühten mir förmlich entgegen, doch sagte er kein Wort, was mir sehr lieb war, da ich wünschte, daß die Kinder jetzt noch weiter schlafen möchten. Ich mußte hinaus, und er sollte sie nicht etwa durch Drohungen bewegen können, ihn von den Stricken zu befreien. Aus demselben Grunde mußte ich ihm einen Knebel geben; darum preßte ich ihm mit der einen Hand abermals die Kehle zusammen; er machte, um Luft zu bekommen, den Mund weit auf, und ich schob ihm den zusammengeballten Zipfel des Tuches hinein.
Nachdem ich ihn noch weiter von den Kindern weggezogen hatte, damit er sich nicht leicht zu ihnen hinrollen könne, begab ich mich hinaus in den Säulengang, aber nicht durch die Thüre des erleuchteten Zimmers, weil ich da von den Gespenstern gesehen worden wäre, sondern durch die dunkle Nebenstube. Ich nahm meine schwere Büchse mit, um zuschlagen zu können.
Die beiden sauberen Patrone verführten noch denselben Lärm wie vorher. Ich sah, daß sie, um für Tiere gehalten zu werden, sich auf Hände und Füße gestellt hatten. Mich so tief wie möglich niederduckend, schlich ich mich näher. Mein Anzug war dunkel genug, um nicht leicht vom Boden unterschieden werden zu können. Als ich dem Nächsten auf sechs oder sieben Schritte nahe gekommen war, sprang ich auf ihn zu und schlug ihn mit einem Kolbenhiebe nieder. Er stieß einen heulenden Schrei aus, blieb aber liegen. Der andere wurde durch diesen Schrei gewarnt und richtete sich auf. Er sah mich und wendete sich zur Flucht. Ich eilte ihm nach, an dem leeren Wasserbassin vorüber. Aus der Umfassung desselben war ein Stein gefallen; ich sah denselben nicht und stolperte über ihn hinweg, wobei mir mein Gewehr so zwischen die Beine kam, daß es mir aus der Hand geprellt wurde. Ich ließ es natürlich liegen und rannte weiter, hinter dem flüchtigen Chajjal her. Er war leider mit der Örtlichkeit vertrauter als ich und hatte, als ich den Garten erreichte, einen Vorsprung gewonnen, welcher mich zur verdoppelten Eile antrieb. Es ging quer durch den Garten, über Schutthaufen und durch Unkrautgestrüpp der Mauer zu. Er wollte hinauf; ich kam zur rechten Zeit, erwischte ihn am Beine und riß ihn herab. Das geschah mit solcher Gewalt, daß ich das Gleichgewicht verlor, niederstürzte und unter ihn zu liegen kam. Er hatte sein Messer gezogen und holte zum Stoße aus. Durch eine schnelle Wendung erreichte ich, daß der Stoß fehlging; die Klinge fuhr mir zwischen Brust und Oberarm hindurch. Ich stieß ihm die Faust von unten gegen die Nase und versuchte, seinen bewaffneten Arm festzuhalten. Der Schmerz, den ihm der Nasenstöber verursachte, verdoppelte seine Kräfte; er riß sich los. Ich warf mich, um einem abermaligen Stiche zu entgehen, einige Schritte fort und sprang dann auf; er hatte aber auf einen weiteren Gebrauch seines Messers verzichtet; das Entkommen schien ihm wichtiger zu sein, als mich zu verwunden; er schnellte, ehe ich die entstandene Distanz wieder einzuholen vermochte, sich auf die Mauer und sprang drüben herab; dann hörte ich ihn im Galopp davonrennen.
Mochte er entkommen! Ich war froh, seinem Messer entgangen zu sein, und kehrte in den Hof zurück. Dort lag das Gespenst Nummer Zwei noch so, wie mein Kolbenhieb es niedergestreckt hatte. Ich untersuchte den Gürtel des Menschen; es steckte ein Messer darin, welches ich zu mir nahm; dann begab ich mich in den Hausgang, wo der tapfere Selim lag. Als er mich kommen hörte, brach er vor Entsetzen in das bekannte Gebet der Mekkapilger aus.
»O Allah, behüte mich vor dem dreimal gesteinigten Teufel; bewahre mich vor allen bösen Geistern, und verschließe die Tiefen der Hölle vor meinen Augen!«
»Wimmere nicht, sondern stehe auf!« gebot ich ihm. »Ich bin es ja!«
»Du bist es? Wer denn?« klang es unter der Decke hervor, in welche er sich gewickelt hatte. »Ich weiß, wer du bist. Gehe an mir vorüber, denn ich bin ein Liebling des Propheten, und du hast keine Gewalt über mich.«
»Unsinn! Erkennst du mich nicht an der Stimme? Ich bin der fremde Effendi, welcher als Gast bei euch wohnt.«
»Nein, der bist du nicht. Du hast seine Stimme angenommen, um mich zu täuschen. Aber die Hände der heiligen Khalifen sind ausgebreitet zu meinem Schutze, und im Paradiese bewegen sich Millionen Lippen zum Gebete für meine Rettung. 0 Allah, Allah, Allah, laß meine Sünden so klein werden, daß du sie nicht sehen kannst, und hilf mir, den bösen Geist überwinden, der seine Krallen um meinen Nacken schlägt!«
Der Mann, der sich vermessen hatte, es mit allen Helden des Weltalls aufzunehmen, war eine Memme allererster Sorte. Zureden half da nichts. Ohne alle Sorge, daß er Gebrauch von seinem Waffenarsenale machen werde, wickelte ich ihn auf und zerrte ihn hinaus in den Hof, wohin er mir wimmernd folgte. Aber als er da beim Sternenscheine mich erkannte, richtete er sich stolz auf und sagte:
»Effendi, was hast du gewagt!«
»Nichts, gar nichts!«
»Sehr viel, o sehr viel! Preise Allah, daß du noch am