Im Lande des Mahdi III. Karl May
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»Den Gohk natürlich.«
»So sind sie es, welche zu entscheiden haben. Es fragt sich, wessen Rede nicht uns beiden, sondern ihnen besser gefallen hat. Eigentlich haben sie durch ihren Beifall die Antwort auf diese Frage schon gegeben.«
Diese Antwort sollte gleich auch in noch anderer Weise kommen. Der Häuptling der Gohk war ebenso wie jeder seiner Untergebenen mit herumgesprungen; jetzt entfernte er sich aus dem Gewühl und hielt eine Art Banner empor, welches aus einer Stange bestand, an welche ein graues Affenfell befestigt war. Dies war das Zeichen zum sammeln, denn als die Seinen es erblickten, löste sich der Wirrwarr, und jeder begab sich an den von ihm eingenommenen Platz. Der Anführer hielt eine kurze Beratung mit einigen Männern, welche nach unsern Begriffen wohl als Gemeinderäte zu bezeichnen waren. Dann schritt er mit ihnen auf den Häuptling der Bor zu, welcher sich auch wieder auf seinem vorigen Platze befand, denn auch unsere Leute hatten ihre frühere Stellung jetzt wieder eingenommen. Er sprach längere Zeit mit ihm, jedenfalls von dem Reis Effendina und mir, da sein Auge uns immer wieder aufsuchte. Darauf kam er auf uns beide zu, verneigte sich vor dem Reis Effendina und sagte zu diesem, natürlich durch den Dolmetscher:
»Herr, ich habe vernommen, was euch zu uns führt. Ihr seid gekommen, uns aus einer großen Gefahr zu erretten. Wir werden noch weiter über dieselbe sprechen und über die Art und Weise, in welcher sie abzuwenden ist. Vor allen Dingen heißen wir euch willkommen. Ich höre, daß du ein Liebling des Vicekönigs bist. Zwar sind wir demselben nicht unterthan, denn wir sind freie Gohk vom großen Volke der Djangeh; aber du wirst bei uns geachtet sein, wie du daheim geachtet wirst, Sei unser Gast, und bleibe, solange es dir bei uns gefällt!«
Dann wendete er sich mit folgenden Worten an mich:
»Herr, der Häuptling der Bor, welche unsere Brüder sind, erfuhr von deinen Thaten und hat mir einige in Kürze mitgeteilt. Du kommst aus einem Lande, in welchem lauter berühmte Männer wohnen. Du bläsest deine Feinde von dir wie Staub, und niemand kann dich je besiegen. Auch hörte und sah ich dich sprechen, wie ich noch keinen reden sah und hörte. Wer deine Stimme hört, wird wie von Merissah[2] begeistert, und die Bewegungen deiner Arme und Beine zeugen von der Wahrheit deiner Worte. Sollte je ein Mensch deinem Messer widerstehen, so wirst du ihn durch deine Rede besiegen. Darum bist nur du der Mann, der uns zu retten vermag. Ibn Asl ist der größte Teufel unter den Sklavenjägern, und seine Leute sind wie böse Geister, vor denen es keine Rettung giebt. Wir vermöchten ihm und ihnen nicht zu widerstehen; aber da du dich bei uns befindest, brauchen wir keine Sorge zu haben, denn du allein bist soviel wie hundert meiner Krieger. Ich werde meine Leute ausrüsten und sie unter deinen Befehl stellen. Sage mir, ob du ihr Anführer sein willst!«
Das war nun freilich im Superlativ gesprochen. Nach den Worten dieses guten Schwarzen zu urteilen, hätte ich ja wirklich die Bezeichnung, welche Selim so oft unrechtmäßigerweise für sich in Anspruch nahm, mit vollem Rechte verdient und wäre der »größte Held des Weltalls« gewesen. Also General en chef sollte ich werden? Nun, ich hatte keinen Grund, diese Würde von mir zu weisen. Wenn ich sie annahm, so war ich wenigstens sicher, daß in der Leitung keine groben Fehler gemacht wurden, und so erklärte ich denn dem Häuptlinge, daß ich bereit sei, auf seinen Vorschlag einzugehen.
Als er diese Antwort seinen Leuten verkündigte, erhob sich ringsum ein lautes Jubelgeschrei, und es wurde abermals eine Phantasie ins Werk gesetzt, welche darin bestand, daß alles, was Beine hatte, im Kreise um mich zu tanzen begann. Sodann wurden wir eingeladen, mit hinauf in das Dorf zu kommen. Die Schwarzen stellten sich in Reih und Glied, nahmen uns in die Mitte, worauf sich der Zug in Bewegung setzte und sich auf demselben Wege bergaufwärts bewegte, auf welchem die Schwarzen uns vorher entgegengekommen waren. ich ritt dabei neben dem Emir, aber nur wenige Schritte; dann machte sich mein famoser Brillenträger an meine andere Seite, und es war geradezu spaßhaft, die stolze Haltung, welcher er sich dabei befleißigte, zu beobachten. Der ganze Abglanz derjenigen Hoheit, welche er mir beilegte, schimmerte auf seinem Gesichte.
Auf der Höhe des Berges angekommen, sahen wir erst, welchen Umfang derselbe hatte. Wir befanden uns auf einem ebenen Plateau, welches auf den andern drei Seiten so steil abfiel, daß es nur auf derjenigen, von welcher wir gekommen waren, erstiegen werden konnte. Die Verteidigungsverhältnisse dieses Ortes waren also sehr gute. Das Dorf nahm ungefähr die Hälfte des Plateaus ein und bestand aus lauter runden Hütten von der Art, wie ich sie wiederholt beschrieben habe, und war von einem hohen, sehr dichten Dorngestrüpp umgeben. Die Fläche außerhalb des Dorfes war mit kurzem Grase bewachsen. Es gab da mehrere Einzäunungen, um die Herden des Nachts und zur Zeit eines Ueberfalles in Sicherheit zu bringen.
Der Eingang der Dornumfassung war geöffnet. Wir stiegen da von unseren Tieren, welche auf die Grasweide getrieben wurden, und zogen in das Dorf ein, festlich empfangen von allen denjenigen Bewohnern, welche vorher aus irgend einem Grunde hatten zurückbleiben müssen. Die größte der Hütten wurde für den Reis Effendina und mich bestimmt; alle andern wurden einzeln bei den Dorfbewohnern einquartiert. Dann schlachtete man mehrere Ochsen und brannte Feuer an, um das Fleisch derselben zu braten. Ich hatte nicht die Absicht, in der Hütte zu wohnen; die »wibbelnde« und »kribbelnde«, stechende und beißende Bevölkerung solcher Logements pflegt so zutraulich zu sein, daß ich es für geratener hielt, selbst des Nachts im Freien zu bleiben.
Zunächst unternahm ich mit dem Emir, dem Häuptling und dem Dolmetscher einen Gang durch und um das Dorf, um die Oertlichkeiten in Beziehung auf ihre Verteidigungsfähigkeit zu prüfen. Ich fand, daß ein momentaner Angriff leicht abzuschlagen war; anders aber stand es im Falle einer Belagerung. Es gab nämlich hier oben kein Wasser; dieses mußte vielmehr aus dem kleinen Flüßchen, welches unten den bereits erwähnten See speiste, heraufgeholt werden. Ein längere Zeit reichender Vorrat konnte unmöglich im Dorfe aufbewahrt werden, denn erstens mangelte es an den hierzu nötigen Gefäßen und Behältern, und zweitens war bei der hier herrschenden Hitze die Verdunstung eine so bedeutende, daß gar nicht daran gedacht werden konnte, uns von Ibn Asl auf dem Berge einschließen zu lassen. Er hätte unten am Flusse Wasser in Hülle und Fülle gehabt und sicher darauf rechnen können, daß der Durst uns bald zur Uebergabe zwingen würde. Um ihn nicht in diesen Vor- und uns in diesen Nachteil zu bringen, war es notwendig, unsere Stellung weiter vorzuschieben, ihn gar nicht an den See, an den Fluß zu lassen. Es galt, ihn an einem Orte zu empfangen, welcher uns die Aussicht bot, ihn ohne große Verluste und schnell zu überwältigen. Da wir ihn aus Südost erwarteten, mußte dieser Ort in dieser Richtung von dem Dorfe liegen. Es war also nötig, zu rekognoszieren, um ein passendes Terrain aufzufinden. Dazu aber hatten wir heute keine Zeit, da es eine Beleidigung für die Gohk gewesen wäre, wenn ich mich ihrer Gastlichkeit entzogen hätte.
Diese Angelegenheit war übrigens keine dringende, da wir Ibn Asl jetzt noch nicht zu erwarten hatten. Wir waren, seit wir seinen Boten ergriffen hatten, neun Tage unterwegs gewesen, während er bis Aguda acht und dann bis Wagunda zwölf, in Summa also zwanzig Tage zuzubringen gedacht hatte. Aus diesem Grunde stand zu vermuten, daß er von heute an in zehn oder elf Tagen ankommen werde, eine genügend lange Zeit, ihm einen niederschmetternden Empfang und seinem Treiben ein für allemal ein Ende zu bereiten. Die Pflichten eines Generalissimus verhinderten mich also nicht, die Freundschaftsbeweise der Gohk heute über mich ergehen zu lassen.
»Ueber mich ergehen zu lassen!« Ja, das ist der richtige Ausdruck für das, was ich bezeichnen will, denn ich war bei dieser Sache der wahrhaft Leidende, nicht aber der Thätige. Meine einzige Aktivität bestand im Kauen, im immerwährenden Verschlingen des Fleisches und der säuerlichen Merissah, welche mir fast buchstäblich immer und immer wieder eingezwungen wurde. 0 Allah, wieviel so ein Neger zu essen und zu trinken vermag! Und da er wohl weiß, daß der Weiße hoch über ihm steht, so erwartet er von diesem unbedingt eine ebenso überlegene Magenweite und Verdauungsfähigkeit. Ich mußte aus Höflichkeit bis an die fernste Grenze meines Leistungsvermögens gehen und hatte infolgedessen, als ich mich nach Mitternacht vor dem Dorfe ins Gras niederstreckte, das Gefühl, daß ich im Leben niemals wieder zu essen brauchen
2
Gegorenes Getränk.