Im Lande des Mahdi III. Karl May
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»Effendi, wie schön ist‘s hier! Hier bleibe ich für alle meine Tage. Ich habe gar nicht geschlafen, sondern immerfort gegessen und erzählt. Und diese lieben, guten Leute, welchen Allah tausend Jahre schenken möge, haben auch fortwährend gegessen und mir zugehört. Setz‘ dich her zu uns, und iß! Ich habe hier ein Rippenstück, dessen Saftigkeit alle Genüsse der Erde überstrahlt.«
Er hielt mir das Stück mit beiden Händen entgegen und drückte es, um mir die Wahrheit seiner Worte zu beweisen, so, daß der Saft ihm von den Fingern tropfte. Ich dankte natürlich und ging weiter, um den Reis Effendina aufzusuchen, welcher in der uns zugewiesenen Hütte saß und den Häuptling der Gohk als lieben Besuch vor sich hocken hatte. Soll ich verraten, was der letztere that? Er aß! Als ich eintrat, hatte er eben einen Wirbelknochen, von welchem er mit seinem elfenbeinernen Gebisse das Fleisch abschabte, vor dem Munde. Bei beiden, doch in der ehrerbietigen Entfernung von einigen Schritten, standen zwei junge Neger, welche zu meinem Erstaunen – — nicht aßen, obgleich der Häuptling soviel Braten vor sich liegen hatte, daß zehn Männer meiner Konstitution sich damit vollständig hätten sättigen können. Der Emir deutete, nachdem ich ihn begrüßt hatte, auf diese beiden und sagte:
»Diese Jünglinge werden uns von großem Nutzen sein. Sie stammen aus diesem Dorfe und kehren zufälligerweise gerade jetzt von einem zweijährigen Aufenthalte drüben in Hasab Allaba am Gasellenflusse zurück. Sie sind als Asaker dort gewesen und haben das Arabische soweit gelernt, daß sie uns als Dolmetscher dienen können.«
Diese Mitteilung erfreute mich, da es mir nun möglich war, mich freier zu bewegen. Ich bat den Häuptling, mir einen dieser Dolmetscher zur unausgesetzten Hilfe zuzuweisen, was er auch sofort that. Dann erklärte ich dem Reis Effendina, daß und warum es nötig sei, schon heute einen Ritt zu unternehmen, um die südöstliche Gegend kennen zu lernen, und fragte ihn, ob er mich begleiten wolle. Er lehnte ab. Wie ich später wohl bemerkte, geschah dies aus einer Art von Eifersucht. Er fühlte sich dadurch zurückgesetzt, daß gestern nicht ihm, sondern mir der Befehl über die Krieger der Gohk übertragen worden war. Verletztes Ehrgefühl kann leicht die beste Freundschaft in das Gegenteil verwandeln.
Nur der Dolmetscher und mein treuer Ben Nil sollten mich auf dem erwähnten Ritte begleiten. Der Brillenjüngling wollte mit; ich gestattete es ihm nicht. Auch Selim meldete sich. Er hatte soviel gegessen, daß er nicht gerade stehen, viel weniger noch auf einem Ochsen reiten konnte. Davon auch abgesehen, hätte ich ihn nicht mitgenommen, denn dieser Unglücksvogel wäre mir noch hinderlicher als jeder andere gewesen und hätte mich durch seine Dummheiten nur in Schaden bringen können.
Mein junger Dolmetscher war ein sehr brauchbarer Mann. Er sprach zwar nur das sogenannte Bahr-Arabisch, doch verstanden wir uns leidlich, da ich mich bemühte, meine Ausdrücke demselben anzubequemen. Vor allen Dingen war ihm die Gegend, um welche es sich handelte, genau bekannt. Er war früher mit seinem Vater einige Male drüben in Aguda, von woher wir Ibn Asl erwarteten, gewesen und konnte meine Fragen zur Zufriedenheit beantworten. Er beschrieb mir genau die Route, welche Ihn Asl von Aguda nach Wagunda einzuschlagen hatte. Infolge seiner Erklärungen und meiner Rekognoszierung, von welcher wir erst am Abende zurückkehrten, entwarf ich einen Plan, von welchem ich mit Sicherheit erwartete, daß er Ibn Asl und alle seine Asaker ohne großes Blutvergießen in unsere Hände liefern werde.
Wagunda liegt in der Nähe des obern Tonj-Flusses, da, wo dieser sich in die beiden Arme teilt, aus denen er entspringt. Der eine ist gerade nördlich nach Awek gerichtet, während der andere aus Südosten kommt. Beide bilden einen stumpfen Winkel, in dessen offene Arme Ibn Asl laufen mußte; beide fließen durch sumpfiges Land, welches in der Nähe der Ufer geradezu ungangbar ist. Ueber den Südarm ist aus diesem Grunde nicht zu kommen, und der Nordarm bietet nur eine einzige Stelle, an welcher der Boden so fest ist, daß man sich ihm nähern und ihn überschreiten oder, je nach der Jahreszeit, durchschwimmen kann. Nach dieser Stelle mußte Ibn Asl, um nach Wagunda zu kommen, seinen Marsch unbedingt richten. Mein Plan war nun folgender:
Die Furt mußte auf beiden Seiten des Flusses mit genügender Mannschaft besetzt werden. Die Abteilung jenseits des Flusses hatte sich zu verstecken, bis Ibn Asl an ihr vorübergezogen war und den Fluß erreicht hatte. Folgte sie ihm dann, so hatte er sie im Rücken, rechts und links den Sumpf und vor sich die Furt. Von ihr ins Wasser getrieben, mußte er das diesseitige Ufer zu erreichen suchen, an welchem ihn die andere Abteilung zu erwarten hatte. So stak er im Wasser, hatte vor und hinter sich Sumpf und Feinde und war aller Voraussetzung nach gezwungen, sich ohne Gegenwehr zu ergeben. Dabei rechnete ich auf die Djangeh-Krieger, welche bei ihm waren und deren Häuptling sich bei uns befand. Rief dieser ihnen von weitem zu, daß sie von Ibn Asl betrogen worden seien und zu uns übergehen sollten, so thaten sie dies sicher, und er war dann mit seinen wenigen Asakern so ohnmächtig, daß es Wahnsinn von ihm gewesen wäre, sich zur Wehr zu setzen. Um des Gelingens vollständig sicher zu sein, nahm ich mir vor, an der Furt einige Gräben und Verhaue anzulegen, in und hinter denen wir sicheren Schutz vor feindlichen Kugeln finden würden.
Mit diesem Plane kehrte ich heim und rief sofort nach meiner Ankunft eine Art Kriegsrat zusammen, welcher aus dem Reis Effendina, den Häuptlingen der Djangeh, Bor und Gohk und mir bestand. Als ich mit Hilfe des Dolmetschers meine Absicht vorgetragen und begründet hatte, trat zu meinem Erstaunen ein Schweigen ein, welches mich stutzig machen mußte. Die drei Häuptlinge sahen sich untereinander an, richteten ihre Augen auf den Reis Effendina und senkten dann die Blicke vor sich nieder. Es war klar, sie wagten nicht, mir beizustimmen. Hatte der Reis ihnen Grund gegeben, sich so schüchtern zu verhalten? Ich richtete also an diesen die Aufforderung, sein Gutachten auszusprechen.
»Das sollst du hören,« antwortete er mir. »Bist du Offizier, Effendi?«
»Nein.«
»Nun, ich bin einer, und zwar als Reis Effendina einer von nicht gewöhnlichem Range; das weißt du ja. Daraus magst du ermessen, wer von uns beiden, du oder ich, befähigt ist, einen Kriegsplan zu entwerfen. Zwar hat der Häuptling der Gohk dir das Kommando übergeben; das kann er in Beziehung auf seine Leute thun; aber meinst du, daß ich dem Oberbefehle über die andern alle, die mit uns gekommen sind, entsage?«
Er sprach in einem geradezu unfreundlichem Tone; er war eifersüchtig auf mich geworden; er fühlte sich beleidigt. Ich hatte ihm manchen Dienst erwiesen und durfte wohl auf seine Dankbarkeit rechnen; also war eigentlich ich es, welcher Grund hatte, sich gekränkt zu zeigen. Ich that dies nicht, sondern antwortete in meiner gewöhnlich ruhig freundlichen Weise:
»Wie kommst du zu dieser Frage? Habe ich dich aufgefordert, deinen Rechten zu entsagen? Als der Häuptling mich bat, der Anführer zu sein, hast du zu meiner Antwort geschwiegen, und ich durfte also annehmen, daß du einverstanden seist. Da ich jetzt höre, daß dies nicht der Fall ist, so bin ich gern bereit, mein Versprechen zurückzunehmen. Ich bin ein Abendländer, und es kann mir sehr gleichgültig sein, was hier im Sudan geschieht. Was ich gethan und vorgeschlagen habe, habe ich zu eurem Wohle gethan und gesprochen. Gefällt euch mein Plan nicht, nun, so habt ihr ja das Recht, ihn zurückzuweisen. Sinnt euch einen andern, bessern aus! Ist es euch dann recht, über denselben mein Urteil zu hören, so sollt ihr es haben. Wollt ihr aber ohne den Einfluß eines Fremden handeln, so wird es mir gar nicht einfallen, mich beleidigt zu fühlen. Ich bin gar nicht lüstern darnach, Anführer zu sein oder durch Vorlegung eines Planes Verantwortung auf mich zu laden; aber aus Interesse an der Sache und aus Freundschaft für dich, bitte ich, in euren Reihen kämpfen zu dürfen, falls es zum Kampfe kommen sollte.«
Ich erwartete, daß diese Worte ihn umstimmen würden, hatte mich aber getäuscht, denn er meinte in ganz gereiztem Tone:
»Du hast sehr richtig gesprochen. Du bist ein Fremdling, und unsere Angelegenheiten gehen dich eigentlich nichts an. Du hast durch