Im Lande des Mahdi III. Karl May
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»Mach die Augen weiter auf, du Hund!« fuhr mich Ibn Asl an. »Meinst du, ich sei blind, um nicht zu sehen, daß du durch deine verfluchten Wimpern blickst?«
Um ihn nicht zu weiteren, zwecklosen Beleidigungen zu veranlassen, hielt ich es für geraten, die Augen vollends zu öffnen. Er hatte eine Nilpferdpeitsche in der Hand, versetzte mir einen Hieb mit derselben und fuhr fort:
»Allah hat endlich mein Flehen erhört und dich in meine Hand gegeben, wo ich es gar nicht mehr für möglich hielt. Weißt du, was dich erwartet?«
»Ja,« antwortete ich ruhig. »Die Freiheit.«
»Hund, wagst du es, mich zu verhöhnen!« fuhr er auf, indem er mir einige weitere Hiebe gab. Ich hatte infolge der leichten, dünnen Kleidung die Schwielen derselben dann längere Zeit zu fühlen. »Die Qualen, welche dich erwarten, habe ich dir schon einige Male aufgezählt.
Es glückte dir, mir zu entkommen. Dieses Mal aber sollst du mir nicht entfliehen. Das erste wird sein, daß ich dir die Augenlider abschneiden lasse, damit du die Segnungen des Schlafes entbehrst und unter der Folter der Ruhelosigkeit langsam dahinstirbst!«
»Du wirst eher sterben als ich, und Allah wird deine Seele unter diejenigen Martern stellen, welche du für mich bestimmt hast und doch nicht an mir auszuführen vermagst.«
Ich sagte das, weil eine innere Stimme mir versicherte, daß ich auch dieses Mal entkommen werde. Ich verzweifelte keineswegs, sondern vertraute auf Gott, auf mein so oft erprobtes Glück, auf meinen Scharfsinn und meine Körperkraft. Uebrigens wußte ich, daß er sich hüten werde, schon jetzt meinen Körper zu verletzen. Eine Erkrankung meinerseits hätte seinen Marsch aufgehalten, und es lag doch jedenfalls in seiner Absicht, mich für längere Martern aufzubewahren.
»Nicht auszuführen?« schrie er mich an. »Es bedarf nur eines Wortes von mir, so wird mein Befehl erfüllt; aber ich habe jetzt weder Zeit noch Lust dazu. Zu allererst werde ich dich mit dem Anblicke derer peinigen, welche du zu retten gekommen bist. Ihre Schmerzen werden auch dich elend machen. Du meinst, ich werde eher sterben als du? Hüte dich, zu glauben, daß man dich befreien werde! Ich weiß, auf wen du rechnest; aber deine Hoffnungen werden zu schanden gemacht.«
»Nichts, gar nichts weißt du!« behauptete ich, um ihn zu reizen, mir das, was er wußte, zu sagen.
»Alles, alles weiß ich«, antwortete er in höhnischem Tone, »Du hast meinen Boten, den Scheik der Djangeh, abgefangen und von ihm meinen Plan erfahren. Ihr habt meine Seribah genommen und seid dann mit den Bor, die ihr am Maijeh Semkat traft, aufgebrochen, um die Gohk in Wagunda zu warnen.«
»Du träumst!« lachte ich, um ihn zu weiterer Mitteilung zu verführen.
»Ich träume nicht, sondern der Gewährsmann, den ich habe, ist ein sicherer. Dein kluger Selim hier hat mir alles sehr ausführlich gestanden. Du hast dich mit dem Reis Effendina veruneinigt und infolgedessen Wagunda verlassen, um auf eigene Faust die Leute von Foguda zur Hilfe zu holen. Glücklicherweise habe ich meinen Marsch abgekürzt, indem ich nicht ganz bis Aguda gegangen bin, und befinde mich infolgedessen um mehrere Tage eher hier, als du erwartetest. Ich kam auf den klugen Gedanken, nicht nur Wagunda zu nehmen, sondern schon vorher auch Foguda zu überfallen. In der Nähe dieses Ortes angekommen, mußten wir, um die Nacht abzuwarten, Halt machen und uns verbergen. Ich ritt mit einigen Asakern voran, einen dazu passenden Ort zu suchen, und kam hierher, als Selim am Waldesrande stand und ihr euch jenseits des Schilfes befandet. Dieser Selim ist ein solcher Ausbund von Schlauheit, daß es ihm gar nicht einfiel, zu entfliehen. Er hatte uns gesehen; er mußte auch bemerken, daß wir unsere Tiere schnell unter die Bäume zogen und uns dann durch die Büsche schlichen, um an ihn zu kommen; er entfloh trotzdem nicht. Wenn die Krieger, welche ihr bei euch habt, alle so klug sind, wie er ist, werde ich sehr leichtes Spiel mit ihnen haben. Wir ergriffen ihn, und als ich ihn im Weigerungsfalle mit dem Tode drohte, erzählte er mir alles, was ich zu wissen nötig hatte. Dann kamt ihr zurück und wurdet von uns niedergeschlagen. Du siehst, daß ich alles weiß. Du bist verloren. Jetzt werden wir nach Foguda aufbrechen, um dir den Anblick einer Sklavenjagd zu verschaffen. Das, was du da siehst, mag dir einen kleinen Vorgeschmack dessen geben, was ihr zu erwarten habt.«
Er stand auf und gab mit der Hand ein Zeichen, auf welches sich alle andern Sitzenden auch erhoben, um zum Aufbruche zu rüsten. Da in diesem Augenblicke niemand scharf auf uns achtete, benutzte ich denselben, mich an Selim zu wenden:
»Du hast Ibn Asl wirklich kommen sehen?«
»Ja, Effendi«, antwortete er. »Es waren fünf weiße Asaker bei ihm.«
»Und bist doch sitzen geblieben!«
»Natürlich! Hast du vergessen, daß du mir befahlst, zu bleiben? Und hast du vergessen, daß ich dir versprach, allen deinen Befehlen zu gehorchen?«
Da übermannte mich denn doch der Zorn, und es entfuhr mir der Ausruf:
»O du Heupferd aller Heupferde! So eine Dummheit ist noch nie dagewesen! Konnte ich wissen, daß Ibn Asl kommen werde? Ich wußte es wohl, daß du uns ins Unglück bringen werdest! Wärest du beim Anblicke Ibn Asls schnell in das Gebüsch gesprungen, um nicht gesehen zu werden und uns zu warnen, so wäre er jetzt unser Gefangener, anstatt daß wir uns in seinen Händen befinden. Und wie kommst du dazu, ihm ein so offenes und ausführliches Geständnis über alles, was geschehen ist und was wir beabsichtigten, zu machen?«
»Du hast ja von ihm selbst gehört, daß er mich mit dem Tode bedrohte!«
»Dummkopf! Wenn ich dich nicht rette, wirst du ermordet trotz deines Geständnisses.«
»Meinst du, daß du uns zu retten vermagst, mein lieber Effendi?« fragte er kleinlaut.
»Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren. Bete zu Allah, daß er dich und uns in – —«
Ich wurde unterbrochen, denn es traten mehrere weiße Asaker zu uns, um uns zum Marsche fertig zu machen. Ibn Asl schien es überhaupt zu vermeiden, uns mit schwarzen Asakern oder gar den Djangeh in nähere Berührung zu bringen. Er befürchtete, wir würden verraten, daß der Häuptling der letzteren Freundschaft mit uns geschlossen hatte. Ich mußte aufstehen und bekam eine schwere Schebah angelegt. Unter Schebah versteht man einen starken Gabelast, in dessen Gabel der Hals des Sklaven oder Gefangenen gesteckt und dann durch ein Querholz festgehalten wird. Hierdurch behält der Gefangene den freien Gebrauch der Hände und Füße, während er durch den langen Ast, den er vor sich hertragen muß, am Entrinnen und an jedem Mißbrauche der Hände verhindert wird. Man hatte, wie es schien, den schwersten aller vorhandenen Aeste für mich ausgesucht. Aber das genügte noch nicht, denn es wurden mir noch zwei eiserne Handschellen angelegt, welche durch eine kurze Kette miteinander verbunden waren. Dann erst nahm man mir die bisherigen, nun überflüssigen Fesseln ab. Ben Nil und Selim wurden nur durch je eine Schebah unschädlich gemacht.
Beim Anlegen der Handschellen war ich darauf bedacht, keine sehr engen zu bekommen. Ich drückte die Ellbogen an den Leib und ballte die Finger fest zusammen, wodurch das Handgelenk sich verkürzte und einen größern Umfang bekam. Die beiden Kerls, welche mir die Schellen anlegten, ließen sich dadurch wirklich täuschen. Sie wollten mir zunächst Schellen anlegen, welche mir paßten und sich eng um meine Handgelenke gelegt hätten;