Im Lande des Mahdi III. Karl May
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»Und du glaubst, daß die Fogudakrieger uns hierher begleiten werden?«
»Ich bin überzeugt davon, da sie zu demselben Stamme mit den Bewohnern von Wagunda gehören.«
»Nun wohl! Du hast stets die besten Gedanken, und so wird der jetzige wohl auch der richtige sein. Laß uns aufbrechen, denn wir müssen drei Tage lang tüchtig marschieren. Aber wovon leben wir?«
»Von Früchten, welche wir finden werden, und von dem, was wir schießen. Uebrigens haben wir gestern so viel gegessen, daß ich für heute und morgen wohl nichts brauchen werde.«
Wir verließen den See und schritten in der Richtung, nach welcher wir gestern geritten waren, fort, ohne daß es mir einfiel, noch einen Blick hinauf nach dem Dorfe zu richten, wo alles noch zu schlafen schien. Wir waren ungefähr zehn Minuten gegangen und durchquerten gerade ein leichtes Gebüsch, als ich hinter uns ein Schnaufen hörte, ähnlich demjenigen eines Hundes, welcher seinen Herrn verloren hat und nun ängstlich nach der Spur desselben sucht. Ich drehte mich um und hielt das Gewehr zum Schusse bereit. Wir wurden verfolgt, hatten aber, wie ich bald sah, nichts zu fürchten, denn unser Verfolger war kein anderer, als der lange Selim, der mit Riesenschritten, so daß sein langes Gewand hinter ihm flog, uns nachgeeilt kam.
»Halt, Effendi, halt!« rief er, als er mich erblickte. »Wo wollt ihr hin?«
»Sage erst, wohin du selber willst?«
»Mit euch!« antwortete er, indem er keuchend bei uns stehen blieb.
»Bleib‘ in Gottes Namen hier; wir können dich nicht gebrauchen!«
»Nicht? Mich, den tapfersten der Helden?«
»Dich, den Unglücksbringer! So oft ich dich mit mir nahm, hast du mir Unheil gebracht.«
»Allah, Allah! Sprich doch nicht so, Effendi! Allen meinen Schritten folgt Heil und Segen nach. Warum wollt ihr nicht bleiben? Warum habt ihr gestern abend das Dorf verlassen?«
»Weil ich Undank fand.«
»Ich habe es gehört, und die Asaker bedauern es, weil sie dich lieb gewonnen haben. Sie hofften, daß du heute zurückkehren werdest. Ich erhob mich früh vom Lager, um nach dir zu suchen, weil ich dein natürlicher Beschützer und Behüter bin. Ich nahm mein Messer und mein Gewehr, um das Dorf zu verlassen. Eben als ich in das Freie trat, sah ich euch. Ich rief, aber ihr konntet es nicht hören; so bin ich euch also nachgerannt.«
»Um gleich wieder umzukehren!«
»Nein, Effendi. Ich gehe mit euch.«
»Und ich befehle dir, zum Reis Effendina zurückzukehren! Wir gehen Gefahren entgegen und haben dich nicht nötig.«
»Das denkst du nur. Und wenn du mich wirklich fortjagst, laufe ich euch von weitem nach!«
Da stellte sich Ben Nil auf seine Seite und bat für ihn. Was sollte ich machen! Treu war der alte Kerl; aber Pech, Pech und immer wieder Pech, hatte er mir stets und überall gebracht. Sollte ich mich hier unnütz mit ihm herumstreiten? Ich wußte, daß er uns doch nachlaufen werde. Darum entschied ich, freilich höchst ungern:
»Nunwohl, so gehe mit! Ich weiß, daß du uns Unglück bringst, will es aber trotzdem noch einmal mit dir versuchen, falls du mir versprichst, allen meinen Anordnungen auf das genaueste nachzukommen.«
»Allen, allen, Effendi!« beteuerte er, indem er die Hand auf das Herz legte. »Verlange von mir, was du willst, ich thue es; nur verlange nicht, daß ich dich verlasse.«
Wir setzten, nun zu dreien, unsern Weg fort, welcher uns zunächst nach der erwähnten Furt führte. Selim blieb, da er die längsten Beine hatte, nicht hinter uns zurück, obgleich er sehr bald über heftiges Leibweh und Magendrücken klagte. Nach dem, was er im Essen geleistet hatte, war dieses Unwohlsein sehr leicht zu erklären.
Gestern waren wir durch die Furt geritten, heute mußten wir sie durchwaten, wobei uns das Wasser bis an die Brust ging. Nachdem wir noch eine Stunde im Winkel, den die beiden Quellflüsse des Tonj bildeten, zurückgelegt hatten, wendeten wir uns von der Route, auf welcher Ihn Asl zu erwarten war, um ein weniges nach Süden ab. Ich richtete mich dabei weniger nach der Beschreibung des Weges, welche der Dolmetscher mir geliefert hatte, als nach meinem Kompaß, auf welchen ich mich lieber verließ. Auch ist der Instinkt eines erfahrenen Reisenden ein besserer Führer als das Wort eines jungen Negers, dem es fast stets schwer wird, verwandte Begriffe nicht zu verwechseln. Ich wußte, in welcher Richtung Foguda lag, und wenn ich diese Richtung einhielt, mußten wir unser Ziel unbedingt erreichen.
Das, was ich soeben Instinkt genannt habe, bewährte Sich, wenigstens am ersten Tage. Wir kamen durch keine der Sumpflandschaften, welche wir gefürchtet hatten, sondern durch einen ungeheueren Tamarindenwald, welcher ohne Ende zu sein schien. Die Bäume desselben standen soweit auseinander, daß der Boden ziemlich trocken war und wir leichtes Wandern hatten, und doch auch wieder so dicht, daß die Kronen derselben uns einen sehr wohlthätigen Schatten gewährten.
An einer großen Wasserlache, an welcher wir vorüberkamen, gab es allerlei gefiederte Tiere, und es gelang mir, einige Vögel zu schießen, welche wir am Abende braten konnten. Als die Sonne sich dem Horizonte näherte, war der Wald zu Ende, und wir kamen auf eine vollständig ausgedorrte Prairie, welche wir in derselben Richtung weiter wanderten. Sie konnte hier in dieser flußreichen Gegend nicht groß sein, und wirklich tauchten, eben als die Sonne ihre letzten Strahlen aus dem Westen sandte, gerade vor uns die Umrisse eines zweiten Waldes auf.
Wir waren müde, hielten aber nicht am Rande dieses Waldes an, weil von demselben aus unser Feuer weit in die Prairie hinaus zu sehen gewesen wäre, sondern drangen trotz der Dunkelheit tiefer ein und machten erst nach angemessener Zeit den ersehnten Halt. Dürres Holz gab es hier genug; bald brannte das Feuer, und wir waren eifrig mit dem Rupfen und Ausnehmen unserer Jagdbeute beschäftigt. Der Braten geriet ganz nach den Verhältnissen unserer nicht sehr luxuriös eingerichteten Küche. Auch schien er etwas bejahrt zu sein; da aber weder Geburts- noch Impfzeugnis vorhanden war, verzehrten wir ihn als jung und legten uns dann schlafen. Aber wir schliefen nicht alle drei zugleich. Einer mußte wachen, um nach zwei Stunden den nächsten zu wecken; das gab in Summa sechs Stunden, welche wir für die Ruhe bestimmt hatten.
Nach dieser Zeit verzehrten wir den Rest der zähen Poularden, welche eigentlich Ibisse waren, und machten uns dann wieder auf den Weg, gerade als der Tag zu grauen begann. Er war nicht so glücklich für uns wie der vorhergehende. Wir kamen durch sumpfige Gegenden und mußten sehr vorsichtig sein und oft von der geraden Richtung abweichen, um gefährliche Stellen zu umgehen. Hier schien alles Leben erstorben zu sein. Es war jedenfalls vorhanden, floh uns aber, und so kam es, daß der Abend hereinbrach, ohne daß wir irgend ein jagdbares Tier zu Gesicht bekommen hatten. Darum mußten wir uns »ungespeist« niederlegen, was dem hungrigen Selim einige sehr gewichtige Seufzer entlockte. Als ich ihm versicherte, daß wir jedenfalls morgen mehr Glück haben würden, schlief er beruhigt ein.
Ich hatte diesen Ausspruch im besten Glauben gethan, konnte aber leider mein Versprechen nicht halten. Es gab auch am nächsten Vormittage nur Sumpf und wieder Sumpf. Von unschädlichen oder eßbaren Früchten oder Wurzeln war da keine Rede, und von irgend einem Wilde war, wie der Jäger sich auszudrücken pflegt, auch kein Schwanz zu sehen. Hatte gestern nur Selims Magen geknurrt, so begann heute er selbst zu murren und zu klagen, und das in einer Weise und Tonart, welche es sehr geraten erscheinen ließ, diesem höchst ungesättigten Zustande möglichst schnell ein Ende zu machen.
Hätte ich den unglückseligen Urian doch nur murren lassen; es wäre uns viel Unheil erspart geblieben!