Waldröschen VI. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 1. Karl May

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Waldröschen VI. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 1 - Karl May

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ob dieser Schuft, den sie den Schwarzen Gerard nennen, zugesehen hätte.« – »Ja, ein Schuft ist dieser Kerl. Ihn hat unser Heer mehr zu fürchten als zehn andere Spione.« – »Zehn? Sage hundert!« – »Zumal er nicht nur listig ist wie ein Wiesel, sondern auch tapfer wie ein Teufel. Ich möchte mir wohl den Preis verdienen, den Bazaine auf ihn gesetzt hat.« – »Wieviel war es?« – Erst drei- und dann fünftausend Franken. Er hat Juarez mehr genützt als eine ganze Armee. Dieser Mensch ist gefährlicher als der Panther des Südens, der doch auch berühmt oder vielmehr berüchtigt ist. Er erfährt fast alle unsere Vorbereitungen; auf welche Weise, das ist ein wahres Rätsel. Und wird ja einmal einer seiner Berichte aufgefunden, so ist er genauer und ausführlicher als unser Original. Es sollte mich wundern, wenn er nicht bereits wüßte, daß wir bei den Komantschen gewesen sind. Unseren Kontrakt, daß uns sechshundert dieser Teufel zur Verfügung stehen werden, wird er allerdings nicht sogleich erfahren, wenigstens nicht vor der Zeit. Und dann ist es für Juarez und ihn ja viel zu spät.«

      Wie gern hätte Gerard diesen Männern gesagt, daß er bereits jetzt alles wisse, aber mit diesem Spaß hätte er ja ebenso alles verdorben.

      »Also wann wird deine Kompanie Fort Guadeloupe erreichen?«

      – »Von heute an in fünf Tagen. Sie wird am Rio Conchas hinuntergehen, unterhalb dessen Einmündung den Rio del Norte überschreiten und dann direkt das Fort anlaufen. Dieser Coup kann gar nicht mißlingen, es weiß kein Mensch davon, nicht einmal der Major, der denkt, daß es sich nur um eine Demonstration handelt.« – »So wirst du vielleicht Kommandant des ganzen Presidio.« – »Das hoffe ich. Jetzt aber laß uns aufbrechen. Draußen auf der Ebene weht ein verdammter Wind, und ich muß noch vor Nacht das Fort erreichen.«

      Die beiden Offiziere brachen auf. So lange warteten die Lauscher, dann kehrten sie zu ihren Pferden zurück. Der Apache hatte bis jetzt geschwiegen, nun aber fragte en

      »Hat mein Bruder etwas gehört?« – »Ja.« – »War es wichtig?« – »Sehr. Heute über fünf Tage wird eine Kompanie Franzosen das Fort überfallen.« – »Uff! Was wirst du tun?« – »Ich rufe deine Hilfe an.« – »Ich werde kommen.« – »Mit deinen fünfhundert Apachen?« – »Mit den fünfhundert. Aber du mußt mir versprechen, Juarez nicht vorher etwas zu sagen.« – »Warum?« – »Er würde dann seine Leute senden, die uns die Beute nehmen. Meine Krieger erhalten keinen Sold. Ich muß darauf sehen, daß sie Beute bekommen.« – »Beute und Skalpe, gut. Aber ich werde dabeisein.« – »Wo treffen wir uns?« – »Genau um Mittag an der großen Eiche auf den Teufelsbergen.« – »Wirst du um diese Zeit wieder von Chihuahua hier sein können?« – »Ja. Ich werde viele Pferde nehmen und gebe dir jetzt das meinige mit, daß es dann frisch und kräftig ist. Aber noch eins habe ich gehört.« – »Was?« – »Diese Leute sind bei den Komantschen gewesen, von denen sechshundert ihnen beistehen werden, den Präsidenten Juarez zu besiegen.« – »Wann kommen sie?« – »Ich weiß es nicht.« – »Welcher Häuptling ist ihr Anführer?« – »Auch das haben sie nicht gesagt; ich werde es aber sicher noch erfahren.« – »So werde ich jetzt von meinem Bruder scheiden, denn er wird das Fort Guadeloupe allein finden können.« – »Dort wird heute der eine von den beiden Leuten schlafen, die wir belauschten.« – »Uff!« sagte der Häuptling verwundert. – »Er ist der Kapitän der Kompanie, die wir vernichten werden. Er bleibt im Fort, um sie zu erwarten und das Fort vorher kennenzulernen.« – »Was wird mein Bruder mit ihm tun?« – »Ich werde ihn vielleicht töten, um ihn für eine Tat zu bestrafen, die er begehen will.« – »Darf ich meinen Bruder fragen, welche Tat dies sein soll?« – »Er will ein Mädchen überfallen.« – »Dann ist er ein Hund, der geschlagen werden muß, bis er stirbt. Hat mein weißer Bruder mir noch etwas zu sagen?« – »Heute nicht mehr.« – »So möge ihn der große Gott beschützen. Ugh!«

      Die Männer trennten sich. Bärenauge ritt, das Pferd Gerards an der Leine führend, nach Westen zurück, der Franzose aber wanderte zu Fuß auf das Fort Guadeloupe zu. Er nahm sich dabei Zeit, denn er durfte sich nicht sehen lassen. Erstens hatte er ja von Resedilla für immer Abschied genommen, und zweitens konnte er, wenn ihn der Kapitän sah, leicht erkannt werden. Es war also Zeit, wenn er das Fort noch vor Schlafenszeit erreichte.

      4. Kapitel

      Um die Zeit der Dämmerung saß der alte Pirnero abermals am Fenster und seine Tochter an ihrem gewöhnlichen Platz. Der Alte hatte noch immer schlechte Laune, und da der Wind auch noch immer den Staub aufwirbelte, so war es kein Wunder, daß Wind, Laune und Staub in seinem Inneren zu einem trüben Ganzen zusammenschmolzen.

      Er trommelte kräftig an die Fensterscheibe und sagte:

      »Verdammter Wind!«

      Die Tochter achtete auf ihre Arbeit und antwortete nicht; daher brummte er weiter:

      »Ganz armseliger Staub!«

      Auch für den Staub wollte sich das Mädchen nicht interessieren; darum beschloß der Alte, einen spitzen Pfeil zu versenden, und fuhr fort:

      »Den ganzen Tag kein Gast dagewesen; nur der zerlumpte Kerl.«

      Als auch jetzt die Tochter nicht antwortete, fuhr er zornig auf und rief:

      »Nun, war er es etwa nicht? War es etwa ein anderer?« – »Er war‘s«, antwortete sie kurz. – »Das will ich dir auch geraten haben. Wie hast du ihn denn behandelt?« – »Wie du es wolltest.« – »Wie denn? Hast du ihn diplomatisch angelächelt?« – »Ja.« – »Hast du in ihm einen Spion entdeckt?« – »Nein.« – »So sind deine diplomatischen Blicke keinen Heller wert, und die Vererbung vom Vater auf die Tochter existiert nicht. Nun weiß ich endlich auch, warum du gar nicht daran denkst, einen Mann zu nehmen. Dir fehlt nämlich die Begabung, ihn politisch zu behandeln. Aber das soll sich schon noch finden. Ich selbst werde dir einen Mann suchen, und wenn du den nicht nimmst, schicke ich dich ins Kloster. Da ist der rechte Ort für dich. Es ist freilich ein sonderbarer Schritt, nämlich vom Pirnschen Stammbaum mit Schornsteinen und Meerrettich in das Kloster; aber du willst es ja nicht anders haben! Halt, dort kommt ein Reiter! Wenn er hier einkehrt, so fragst du ihn, ob er ledig ist!« – »Das schickt sich nicht« – »Was? Das schickt sich nicht? Ich muß wissen, wer bei mir verkehrt Ich habe eine heiratsfähige Tochter und leide keinen Gast der verheiratet ist. Ah, Himmel, es ist der reiche Goldsucher, der schon viermal bei uns geblieben ist Kannst du dich besinnen, ob er eine Frau hat oder nicht?« – frage ihn doch selbst«, antwortete sie, ärgerlich über die Launen des Vaters, die sich zu manchen Zeiten fast zur Manie verwandelten. – »Ja, das werde ich auch tun; ich bin es ja, der das richtige Geschick dazu hat, denn ich bin drüben in Pirna drei Jahre lang Kurrendaner gewesen und habe gesungen wie eine Heidelerche.«

      Bei diesen Worten ging Pirnero hinaus, um den willkommenen Gast zu empfangen. Er trat bald mit ihm ein. Es war der französische Kapitän, der sich also hier für einen Goldgräber ausgegeben hatte.

      »Kann ich diese Nacht abermals hier bleiben, Señorita?« fragte er höflich. – fragt meinen Vater«, antwortete sie. – »Er hat es mir erlaubt« – »So bedarf es meiner Zusage nicht. Vater ist Herr im Hause.«

      Sie sagte dies in einem zwar höflichen, aber doch kurzen Ton. Der Mann, der sie immer mit verlangenden Blicken verfolgte, war ihr nicht sympathisch.

      Er bestellte sich ein Glas Pulque, das ihm der Alte selbst brachte, dann setzte sich der letztere an das Fenster und überlegte, in welch glanzvoller Weise er dem Fremden entlocken werde, ob er noch ledig sei.

      »Starker Wind!« begann er endlich. – »Sehr unangenehm«, meinte der Fremde. – »Entsetzlicher Staub!« – »Nur hier am Ort, draußen aber ist es reine Luft« – »Reine Luft? Ja, das ist die Hauptsache. Da muß man aber verheiratet sein, damit die Frau darauf sieht, daß die Türen und Fenster offen sind. Habt Ihr auch eine Frau, Señor?«

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