Waldröschen VI. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 1. Karl May

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Waldröschen VI. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 1 - Karl May

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»Auch keine anderen Verwandten?« – »Nein.« – »O Dios! Was tut Ihr denn da mit dem Gold, was Ihr findet?« – »Ich hebe es für meine Verheiratung auf.« – »Ach so! Da seid Ihr also bereits verlobt?« – »Auch noch nicht.«

      Der Blick des Kapitäns fiel dabei auf das Mädchen; der Alte bemerkte dies und wurde dadurch in die beste Laune versetzt.

      »Wie heißt Ihr denn eigentlich?« setzte er sein Examen fort. – »Mein Name ist Pedro.« – »Gut. Señor Pedro, sagt einmal, was Ihr heute zum Abendbrot wollt!« – »Was Ihr habt.« – »Wir haben alles!« meinte der Wirt stolz. – »Ich wünsche nur ein Schinkenbrot und Wein.« – »Das ist sicher so Euer Geschmack?« – »Natürlich.« – »Welchen Geschmack habt Ihr denn eigentlich in Beziehung auf Blumen?« – »Ich liebe Reseda am meisten«, antwortete der Kapitän, weil er wußte, daß die Tochter Resedilla hieß.

      Abermals warf der Alte einen triumphierenden Blick auf das Mädchen und fragte weiter:

      »Und in Beziehung auf die Frauen?« – »Sie müssen blond sein.« – »Und das Gesicht?« – »Schön weiß und die Wangen fein rötlich angehaucht.« – »Der Mund?« – »Klein und so recht zum Küssen, mit kleinen, weißen Zähnen.« – »Die Gestalt?« – »Nicht zu lang, aber doch hoch und voll, ich hasse die mageren Frauen.« – »Die Hand und der Fuß?« – »Nicht gar zu zierlich, aber auch nicht zu plump.«

      Der Kapitän beschrieb Resedilla ganz, wie sie war. Der Alte war entzückt.

      »Ihr habt ganz meinen Geschmack, Señor«, sagte er erfreut. »Meine selige Frau hatte zwar dunkles Haar, war aber ganz so, wie Ihr jetzt die Beschreibung geliefert habt. So ist nun auch meine Tochter geworden, wozu mein blondes Haar gekommen ist. Das ist nämlich die richtige Vererbung vom Vater auf die Tochter. Pirna ist ja auch berühmt wegen seiner blonden Haare.« – »Pirna? Wer ist das?« – »Pirna ist meine Vaterstadt. Sie ist weit größer als Niederpoyritz oder Schönefeld und hat das beste Klima für blonde Köpfe.«

      Der Alte hätte seine Vaterstadt noch mehr gelobt, aber da ertönte draußen die Klingel, zum Zeichen, daß er in dem Laden gebraucht werde. Er ging daher hinaus, warf aber dabei dem Mädchen einen Blick zu, durch den er es aufmerksam machen wollte, wie diplomatisch schlau er seine Sache angefangen habe.

      Kaum war der Vater fort, so erhob sich der Kapitän und schritt im Zimmer auf und ab, indem er dabei verschiedene Bemerkungen machte, um ein intimes Gespräche zustande zu bringen. Doch es gelang ihm nicht Resedilla konnte die Unterredung mit Gerard nicht aus dem Gedächtnis tilgen. Am liebsten wäre sie allein gewesen, um sich recht ausweinen zu können. Nun kam dieser Mensch, der den Vater zu allerhand Lächerlichkeiten verleitete und auch ihr zumutete, auf ein leichtfertiges Gespräch mit ihm einzugehen. Sie antwortete kurz und abweisend, und als er es doch wagte, den Arm um ihre Stuhllehne zu legen, erhob sie sich, um ihm zu entfliehen.

      »Verzeiht, Señor!« sagte sie. »Ich muß in die Küche, um das Abendbrot zu bereiten.« – »Von so schönen Händen muß es doppelt gut munden«, meinte er, indem er ihre Rechte ergriff.

      Sie entzog ihm dieselbe sofort und eilte hastig zur Tür hinaus. Er blickte ihr lächelnd nach und murmelte:

      »Aha, schnippisch kann sie also auch sein! Das ist mir lieb, denn das gibt ihr einen neuen Reiz. So ein Vater ist solch schönes Kind gar nicht wert. Ich werde mir die möglichste Mühe geben, meine Wette zu gewinnen.«

      Da der Alte im Laden und seine Tochter in der Küche zu tun hatte, so blieb der Gast bis zum Abendbrot allein und begab sich, nachdem er gespeist, in sein Schlafzimmer. Dort zog er, um ganz sicher zu gehen, den Drücker ab und probierte denselben an Resedillas Tür. Er schloß, und so waren alle Vorbereitungen zu dem geplanten Überfall getroffen.

      Gerard hatte erst längere Zeit nach dem Dunkelwerden das Fort erreicht und eilte daher sofort nach dem Hause Pirneros, um nicht zu spät zu kommen, denn er wußte, daß man dort sehr zeitig zur Ruhe gehe.

      Als er das Haus umschlich, bemerkte er zu seiner Beruhigung, daß die Geliebte noch in der Küche tätig sei. In dem offenen Verschlag, in dem er sein Pferd einzustellen pflegte, lag eine Leiter, die jedenfalls bis zum Fenster der Bedrohten reichte. Sollte er sie holen und anlegen? Sollte er Resedilla von außen beschützen? Nein, denn das gab jedenfalls einen Lärm, der den Ruf des Mädchens in Gefahr bringen konnte. Er beschloß also, es anders anzufangen.

      Er schlich in das Haus und stieg die Treppe hinauf. Dort auf dem Boden lag ein Haufen leerer Säcke und alter Decken, der ihm mehr als hinreichenden Schutz bot. Er wühlte sich so tief in ihn hinein, daß von ihm nicht das mindeste zu sehen war, und wartete nun der Dinge, die da kommen sollten.

      Zunächst kam der Kapitän, der scheinbar zur Ruhe ging; aber Gerard bemerkte, daß er dann vorsichtig und leise das Schloß versuchte. Darauf kam Resedilla, später ihr Vater, der unten den Eingang verschloß, und endlich auch das Hausgesinde. Die Vaqueros schliefen in einem Nebengebäude. Jetzt war es ruhig und vollkommen finster. Gerard konnte sich denken, daß der Kapitän warten werde, bis das Mädchen eingeschlafen sei; daher fühlte er sich vollkommen sicher. Leise kroch er aus seinem Versteck heraus und schlich sich zur Tür, hinter der die Mägde verschwunden waren, drehte dort den Drücker so leise ab, daß im Innern nichts gehört wurde und ging zur Tür der Geliebten, die ihren Drücker mit in ihr Zimmer genommen hatte, und probierte. Er bemerkte bereits bei der ersten Umdrehung, daß auch dieser Drücker das Schloß schließe; darum kehrte er beruhigt in sein Versteck zurück.

      Es verging weit mehr als eine Stunde, bis sich ein knisterndes Geräusch vernehmen ließ, das nur für das scharfe Ohr des Präriejägers hörbar war.

      »Jetzt kommt er«, dachte dieser.

      Er horchte noch gespannter als vorher und hörte nun von der Seite her, wo die Tür zum Schlafzimmer der Geliebten lag, ein leises, leises Klingen, als wenn Eisen Eisen berührte.

      »Jetzt steckt er den Drücker an!«

      Bei diesen Gedanken schob Gerard den Kopf unter den Säcken hervor und sah ganz deutlich, was geschah. Der Kapitän öffnete vorsichtig die Tür. In dem Zimmer brannte ein Nachtlicht, und Resedilla lag so, daß der Lauscher sie erblicken konnte.

      Sie hatte, in ihrer Kammer angelangt, noch eine lange Zeit mit Weinen und trübem Sinnen zugebracht und sich dann schlafen gelegt, und erst vor wenigen Minuten hatte der Schlummer sie übermannt. Leise zog der Kapitän die Tür hinter sich zu und huschte in das Gemach.

      Im Nu war Gerard an der nun wieder verschlossenen Tür, befeuchtete den Drücker mit Speichel, um das verräterische Geräusch zu vermeiden, drehte um und öffnete eine schmale, kleine Lücke, durch die er alles beobachten konnte.

      Der Kapitän stand dicht am Lager der Schlummernden, in demselben Augenblick aber erhielt er von Gerard einen Schlag, der ihn betäubt zu Boden warf. Das war alles so blitzschnell geschehen, daß das erwachende Mädchen gar keine Zeit gefunden hatte, einen Laut auszustoßen. Jetzt stieß es mit unterdrückter Stimme hervor:

      »Señor Gerard! Mein Gott, was ist das?« – »Fürchtet Euch nicht vor mir, Señorita«, beruhigte sie der Gefragte in bittendem Ton. »Ich bin nicht gekommen, Euch ein Leid zu tun, sondern Euch beizustehen.« – »Ist das wahr?« flüsterte sie, befreit aufatmend. – »Ich schwöre es Euch bei allem, was mir und Euch heilig ist! Ich habe großes Unrecht getan, aber einen Schurkenstreich könnte ich niemals begehen.« – »Ich danke Euch! Welch ein Schreck! Welch eine Angst! Aber wie kamt Ihr dazu?« – »Ich belauschte im Wald zwei französische Offiziere, von denen der eine wettete, daß er heute nach hier eindringen werde. Ich eilte herbei, um Euch zu helfen. Erst hatte ich den Gedanken, ihn durchs Fenster zu erschießen, aber das wäre nicht klug gewesen, denn man hätte geglaubt, er sei als begünstigter

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