Pfarre und Schule. Dritter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Pfarre und Schule. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich

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aus Besorgniß um diesen als um den Hasen, den er den Bauern gern gelassen hätte, knüpfte jetzt Fritz rasch seine Leine vom Ring der Jagdtasche los, und folgte so schnell er konnte dem Hund; die übrigen Jäger gingen aber indessen ruhig ihren Schritt weiter, nur ein paar blieben stehn, um zu sehn, ob Hektor den Hasen, dem einige der Bauerburschen schon den Weg abzuschneiden suchten, wirklich bringen werde oder nicht, und wandten sich dann auch, als sich die Sache in die Länge zu ziehn schien, ab von dem so oft gesehenen Schauspiel.

      Fritz war der Einzige, der von der ganzen Jagdgesellschaft mit seinem Hund zwischen den Skorditzer Bauern zurückblieb.

      Hektor hatte sich indessen durch all das Schreien und Rennen der Skorditzer, unter denen es sogar der Schulze des Dorfe für passend gehalten, als Hasendieb aufzutreten, keineswegs abschrecken lassen und ruhig und unverdrossen den armen flüchtigen Lampe im Auge behalten, der seiner Seits durch Hakenschlagen den Dauerlauf in die Länge zu ziehn und seinen, ihm an Kräften so weit überlegnen Feind zu ermüden suchte. Hektor war jedoch nicht der Hund, sich durch einen Hasen ein x für ein u machen zu lassen, er paßte mit unverwüstlicher Geduld auf, in welcher Richtung Lampe die Absicht hatte auszustreichen, ließ sich nie durch eine plötzlich fingirte Richtung beirren, rannte nicht toll und blind in's Zeug hinein, sondern hielt lieber seine Distance, wo ihm die Beute doch über kurz oder lang werden mußte, und überzeugte bald den armen gehetzten Hasen, daß er in seinem ganzen Leben noch nie einen schlimmeren Feind hinter sich gehabt, und auch wohl nie einen anderen wieder hinter sich haben werde. Seine Laufbahn war beendet, und an einem schmalen Streifen hochgeackerten Sturzlandes, den er mit dem kranken Lauf nicht so schnell überspringen konnte, faßte ihn Hektor, endete mit einem Biß seine Leiden, und hob ihn dann, mit dem Schwanze freundlich dazu wedelnd, stolz aus, seinem Herrn das so mühsam errungene Stück zu überbringen.

      Hektor sollte sich aber in seinen, doch wahrlich nur gerechten Erwartungen, getäuscht sehn – die Bauernschaar, die durch den Anblick des angeschossenen Lampe zu voller Erwartung auch auf den Braten selber gebracht und dadurch erst recht hitzig geworden war, hatte den Hund jetzt umzingelt und warf sie von allen Seiten auf den überrascht und erstaunt stehen bleibenden.

      So unerwartet Hektor aber auch ein solcher Angriff, der ihm in seiner ganzen Praxis noch gar nicht vorgekommen war, sein mochte, dachte er doch gar nicht daran, seine Beute auch nur einen Augenblick aufzugeben und als Einer der Bauerburschen endlich, seiner Meinung nach so »glücklich« war, den Hasen an einem Lauf zu erwischen und ihn nun den Hund aus den Fängen reißen wollte, ließ dieser, der wohl fühlen mochte, daß er dem vollen Gewicht des Angreifers nicht ganz gewachsen sei, plötzlich los, fuhr dem erschreckt Aufschreienden mit kräftigem Biß in die Wade, griff dann den Hasen wieder auf und wollte seinen Weg ruhig fortsetzen.

      Wie aber einem alten Sprichwort nach, »viele Hunde des Hasen Tod« sind, so waren hier viele Bauern des Hasen, nicht gerade Retter, aber doch Rächer an seinem Sieger.

      »Luderkriate, willst de baißen?« schrie ein vierschrötiger Knecht und schlug nach dem armen Thiere mit einer Mistgabel und zwar so gut gemeint, daß, hätte er ihn so getroffen, wie seine Absicht gewesen, Hektor wohl sein ganzes übriges Leben hindurch kreuzlahm geblieben wäre.

      »Laßt den Hund gehn,« schrie da der herbeieilende junge Jäger und riß in allem Eifer und in Besorgniß um seinen armen Hektor, die Doppelflinte von der Schulter, »laßt den Hund gehen, sag' ich – verdammte Canaillen Ihr.«

      »Hoho, ist das Fritzchen auch wieder hier?« rief Müllers Friede, durch die Stimme erst auf den Herbeieilenden aufmerksam gemacht – »jetzt haben wir einmal die Karten in Händen, und wollen sehn, ob wir nicht Trumpf spielen können. Luderkröte!« schrie er dann, und trat dabei das arme Thier, das sich jetzt, da sein Herr in der Nähe war, jedes weiteren Selbstschutzes enthoben glaubte, dermaßen in die Rippen, daß es laut aufheulend gegen die Beine ein paar anderer Bauerburschen auflog und wie todt und nach Luft schnappend, den Hasen aber jetzt natürlich loslassend, auf dem Platze liegen blieb – »warte Beest – willst Du beißen.«

      »Schuft!« schrie Fritz und sprang in wilder Wuth auf den Buben zu, der seinen treuen Hund auf so niederträchtige Weise mißhandelte, und den er, ehe es die Umstehenden verhindern konnten, mit kräftigem gutgemeinten Faustschlag in's Gesicht traf.

      »Hollo Ferschterchen!« riefen aber Krautsch und Andere dazwischen springend, »hier wird nischt gereecht – Euer Handwerk is Uech gelegt, un jetzt braucht er nich mehr dumm zu thun. – Uff uns Bauern sidd er lange genug herim getrappelt, jetzt wullen mer emol e Wailchen oben uf sitzen.«

      »Hund verdammter!« brüllte aber jetzt auch Müllers Friede, der von dem Schlag betäubt zurücktaumelte, und sein rechtes Auge im Nu fast aufschwellen fühlte – »er hat mich geschlagen.«

      »Ei Du Wetterkriate!« schrie Krautsch und wollte auf den Jäger zuspringen, dieser aber trat rasch einen Schritt zurück, wo er rings um sich her einen kleinen Raum frei hatte, und rief, die Flinte im Anschlag, die Schaar mit finsterem drohenden Blicke überfliegend:

      »Wer mich anrührt, ist ein Kind des Todes – zurück da – oder beim ewigen Gott, ich mache eine Leiche aus ihm.«

      »Ah, Papperlapapp,« lachte Krautsch, »'s wird nich gleich so gefährlich sin – här mit 'er Muschkete, Mosjechen, Ihr sidd hier uf fremmen Grund un Boden, un hat mer meine ooch weggenommen – Wurscht wieder Wurscht.«

      Es hatte sich indessen um den Jäger, den in seiner drohenden Stellung doch keiner, selbst Krautsch nicht, anzugreifen wagte, ein Kreis von Bauern gebildet, als Müllers Friede, durch den erhalten Schlag, wie durch den Schmerz seines Auges zur wildesten Wuth angestachelt, ausrief:

      »Der Hund darf nicht gesund wieder fort, so lange ich noch ein Glied am Leibe rühren kann, aber erst wollen wir ihn einmal nackt durch Skorditz jagen, wie sie's dem Jäger in Hohenbuchen auch gemacht haben – nehmt ihm das Schießeisen ab und reißt ihm die grünen Fetzen vom Leibe und nachher soll er Spießruthen laufen!«

      »Zurück da!« schrie Fritz, die Hand am Drücker, obgleich aber jetzt von allen Seiten die jungen kräftigen Bursche, die auch selbst nicht recht glaubten, daß er wirklich schießen würde, zusprangen, konnte er es nicht über's Herz bringen, abzudrücken – es war ein Menschenleben, das auf dem Spiele stand, und hier wehrte er sich vielleicht seiner eignen Haut auch noch so. Die Flinte also hoch haltend, um sie den Händen der danach Greifenden zu entziehen, schlug er mit der Rechten so tüchtig und kunstgerecht um sich her, daß er für wenige Momente die Andrängenden kräftig im Schach hielt und mit nur einiger Hülfe von Außen den Leuten wohl zu schaffen genug gemacht hätte; so aber konnte er gegen die Uebermacht doch nicht lange ankämpfen. Von hinten fielen sie ihm in die Arme, entrissen ihm das Gewehr, faßten ihm die Ellbogen, und hielten ihn so, daß er sich nicht regen und rühren konnte.

      »Nun 'runter mit den Kleidern!« schrie Müllers Friede, der in dem letzten Kampfe noch einen Schlag bekommen hatte, vor Wuth schäumend – »runter damit und dann die Canaille durch's Dorf gejagt.«

      »Runger mit den Lumpen!« rief die rohe Schaar jubelnd, in den niederträchtigen Vorschlag eingehend, und da das Ausziehn der Kleider mit zu viel Umständen verknüpft gewesen wäre, trennte ein Schnitt mit einem Genickfänger die grüne Piquesche über den Rücken herunter in zwei Hälften und von allen Seiten niedergezerrt, hing ihm das Kleidungsstück augenblicklich in Fetzen vom Leibe herunter.

      »Laßt mich gehn!« rief da Fritz, der den Wüthenden doch jetzt am Ende die Ausführung ihrer schändlichen Drohung zutrauen mochte, »laßt mich gehn, oder beim – ewigen – Gott!«

      »Hoho Birschchen,« lachte Krautsch, der ihm hinten die Ellenbogen mit Riesenkräften zusammenhielt – »nur nich so schtrampeln, das hilft doch niche – nur hibsch dusemang – so – nu halt emal de Beene.«

      »Hülfe!«

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