Pfarre und Schule. Dritter Band.. Gerstäcker Friedrich

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Pfarre und Schule. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich страница 6

Pfarre und Schule. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich

Скачать книгу

um sich her werfen, und seine Briefe und Gespräche damit würzen könnte. Ich fand daß ich mich nicht geirrt.«

      »Diese Unverschämtheit ist so originell,« sagte endlich der Oberpostdirector mit einem erzwungenen Lachen »daß sie wirklich interessant wird – fahren Sie fort,« und er biß seine Lippen fest zusammen, verschränkte die Arme, und stand, die Augen mit einem recht boshaft tückischen Ausdruck auf das offene Angesicht des ihm gegenüber Stehenden geheftet, still und schweigend dem weiteren Verlauf der Rede lauschend, da.

      »Das ist meine eigene individuelle Meinung,« fuhr Wahlert fort, »und die braucht Sie wenig zu kümmern; andere Thaten aber ruhen im Mund Ihrer Untergebenen, und nur an einem unerschrockenen Auftreten hat es bis jetzt gefehlt, ihnen Worte zu geben. – Die Sünde, die Sie an Marien begangen, brauche ich Ihnen nicht zu wiederholen – sie allein wäre hinreichend, tausendfältigen Fluch auf ihr schuldbeladenes Haupt herab zu rufen – andere Verbrechen sind es aber noch, deren Sie bezüchtigt werden, und soll mir Gott in meiner letzten Stunde beistehen, wie ich auftreten will gegen Sie, fügen Sie sich nicht dem, was ich jetzt von Ihnen fordere.«

      »Was wissen Sie von mir, Herr?«

      »Gut denn, wenn Sie es nicht anders wollen,« sagte Wahlert, mit düsterer Entschlossenheit im Blick, »so hören Sie, und urtheilen Sie dann selber, ob ich im Stande wäre, Ihnen gefährlich zu werden. – Auf dem Verbrechen, das Sie an Marien begangen, steht Eisenstrafe, daß Sie Ihnen freundlich gesinnte Dirnen an Ihre Untergebenen verheirathet, und diese dann ungerechter Weise bevorzugend, in höhere Stellen einrücken ließen, wie vor gar nicht langer Zeit auf solche Art einen Postillon, der schurkisch genug war, sich Ihrem Willen zu fügen, in eine Secretariatsstelle, glaub' ich – das sind Nebensachen. Das vornehme ›Gesindel‹ in den Städten liebt dergleichen Unterhaltungen, und lohnt stets auf anderer Leute Kosten; aber ich weiß auch, daß Sie des Ehebruchs, selbst in neuster Zeit überführt sind, und kann Ihnen die – falschen Zeugen vor Gericht bringen, die Sie gegen Ihr armes Weib gedungen. Jetzt also, Herr Oberpostdirector, frage ich Sie zum letzten Mal, wollen Sie es, mir gegenüber, zum Aeußersten kommen lassen; wollen Sie Alles leugnen, und dann versuchen, wie weit ich die Sache treibe?«

      Der Oberpostdirector schwieg, und schaute, an den Nägeln der linken Hand kauend, stier vor sich nieder.

      »Gut – es steht in Ihrer Gewalt!« sagte Wahlert plötzlich nach einer langen Pause, in der er auf eine Antwort gewartet zu haben schien – »thun Sie, was Sie für sich selber als das Beste halten – aber bedenken Sie auch, daß wir nicht mehr das alte System haben, unter dem die ›Großen des Reichs‹ wie fast unverletzliche Personen standen, und Einer durch den Anderen beschützt wurden – Gerechtigkeit herrscht jetzt im Lande, Herr Oberpostdirector, und denken Sie sich Ihr fürchterliches Loos, wenn Ihnen Gerechtigkeit würde.«

      »Sie häufen Beleidigungen auf Beleidigungen,« sagte Herr von Gaulitz mit leiser, heiserer Stimme, verließ seinen Platz am Tisch, und ging mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab –

      »Und Ihre Antwort?« frug Wahlert ernst.

      Der Gutsherr, dessen Gesicht eine Leichenfarbe angenommen hatte, blieb plötzlich stehen, sah den jungen Mann mit einem Blick des tiefsten, bittersten Hasses an, den dieser jedoch mit einem trotzigen Lächeln erwiederte, und sagte schnell:

      »Sie können mir Nichts beweisen, Herr, nicht das Mindeste – alle Ihre Beschuldigungen sind falsch – falsch, wie die Hölle, in der sie gebraut wurden. – Wagen Sie es, mit solchen Klagen gegen den Oberpostdirector von Gaulitz vor Gericht zu treten – wagen Sie es, aber ›der Herr wird seine Feinde vernichten, und die in den Staub werfen, so wider Ihn die Waffen ergreifen – das Licht des Gottlosen wird verlöschen, und der Funke seines Feuers wird nicht leuchten.‹«

      »Herr Oberpostdirector,« erwiederte ihm leise der junge Mann, »ich könnte Sie vielleicht selbst mit Bibelversen schlagen, läge mir daran, einen Wortstreit mit Ihnen zu haben. ›Ein falscher Zeuge bleibt nicht ungestraft, und wer Lügen frech redet, wird nicht entrinnen‹ – was sagen Sie z. B. zu der Stelle. – Doch genug der Worte – Thaten will ich jetzt, und die letzte Frage möchte ich hiermit an Sie richten – wollen Sie sich meiner Forderung fügen?«

      »Was wollen Sie von mir!« sagte der Oberpostdirector, die Nägel seiner linken Hand noch immer mit den Zähnen beschneidend, während er sich halb von dem jungen Manne abwandte, als ob er den Blick desselben nicht ertragen könnte – »was ist es – was fordern Sie?«

      »Nichts für mich,« entgegnete ihm Wahlert ruhig, »nur die Unterschrift dieser Zeilen.«

      Der Oberpostdirector nahm sie schweigend aus seiner Hand, und überflog sie rasch mit dem Blick –

      »Sind Sie wahnsinnig?« frug er da rasch und plötzlich – »halten Sie mich für einen Crösus?«

      »Ich weiß, daß der Herr Oberpostdirector gute Geschäfte mit Geld auf Zinsen zu leihen nicht verschmäht, und arme Teufel, die von ihm ein Capital geborgt, plötzlich sehr geschickt und zur rechten Zeit um ein halbes oder ganzes Procent zu erhöhen weiß – natürlich nur der ›schlechten Zeiten‹ wegen, aber stets unter Androhung der Aufkündigung des Capitals. Was sind dreihundert Thaler jährlich für ein armes Mädchen, deren Lebensglück auf das Schändlichste, Nichtswürdigste zerstört und vernichtet wurde, und die dieser Summe nur eigentlich zu Nichts weiter bedarf, als – um nicht auch noch betteln zu gehn.«

      »Es thut mir leid, daß sich Marie Meier in so traurigen Umständen befindet,« versicherte der Oberpostdirector – »und ich will gern Alles thun, was –«

      »Wollen Sie dieses Papier unterschreiben?« frug ihn Wahlert eintönig.

      »Was in meinen Kräften steht, will ich thun,« sagte von Gaulitz – »aber das – das ist zu viel.«

      »Zu viel für ein Menschenleben,« lachte der Doctor im zornigen Unmuth – »es wäre wahrlich eine Verlockung, sich dem Teufel zu verschreiben, wenn man nur vermuthen müßte, daß solche Menschen einst in den Himmel kämen. Doch genug der Worte, ich habe Sie nicht aufgesucht, um mit Ihnen zu feilschen und zu handeln und um Procente zu streiten. Meine Frage gilt einfach dem Mann, dem ich als Mann gegenüber stehe, und die Alternative ist die, daß ich mich von hier aus auf ein Pferd werfe und morgen früh schon in der Residenz die Klage gegen den Oberpostdirector von Gaulitz beim Criminalgericht eingebe, und daß ich die Zeugen stelle, darauf können Sie sich verlassen. Einfach also Ihre Antwort – hier ist das Papier – dort steht Feder und Dinte – wollen Sie, oder nicht?«

      »Mit der Pistole auf der Brust« – sagte verlegen der Gutsherr.

      »Bitte um Verzeihung, Herr von Gaulitz,« erwiederte mit besonderem Nachdruck der junge Mann »ich bin unbewaffnet – die Pistole wäre nur – Ihr Gewissen, die Ihnen hoffentlich geladen und gespannt bis zu Ihrer letzten Todesstunde vor den Schläfen stehen soll. – Ich bitte um Ihre Entscheidung.«

      »Dreihundert Thaler jährlich? –«

      »Bis zu ihrem Tod – in dem Fall aber hundert Thaler an ihren Vater.«

      Der Oberpostdirector ging mit verschränkten Armen wohl fünf Minuten lang rasch und schweigend im Zimmer auf und ab; Wahlert lehnte an der Ecke eines Spieltisches und sprach kein Wort, störte sein Nachdenken durch keinen Laut, durch keine Bewegung, nur sein Auge haftete mit seiner Adlerschärfe auf ihm, und folgte ihm, wohin er sich wandte, und es schien fast, als ob der Gutsherr das wisse, und der Blick gerade es sei, der ihn so unruhig herüber und hinüber jage, denn nicht ein einziges Mal schlug er das Auge zu dem so unwillkommenen Besuch empor. Endlich, doch wohl einsehend, daß ihm hier wirklich nur die Wahl zwischen öffentlicher Schmach und einem, wenn auch bedeutenden Geldopfer liege, schien sein Entschluß gefaßt.

Скачать книгу