Pfarre und Schule. Dritter Band.. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Pfarre und Schule. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich страница 8
Und der Postdirector von Gaulitz?
Der lag drei Tage besinnungslos auf seinem Bett – und phantasierte, als er endlich wieder zu sich kam, von entsetzlichen Sachen, die den Umstehenden das Haar zu Berge sträubten. Die Frau von Gaulitz ließ auch endlich gar Niemanden weiter in's Krankenzimmer, als den Arzt, dem überhaupt gleich ein kleines Gemach im Gute eingeräumt worden war, damit er, wenn sein Aufenthalt nicht ganz unumgänglich nothwendig in der Residenz war, hier bleiben und schlafen konnte, denn das Leben des Postdirectors schwebte lange in höchster Gefahr.
Im Anfang hieß es dabei sogar, der Jägerbursche, dessen drohende Stimme Poller unten in seiner Stube gehört haben wollte, hätte den alten Mann, der dem Mörder seinen Schutz verweigert, die Treppe hinabgeschleudert, Wahlert trat dagegen aber augenblicklich und auf das nachdrücklichste als Zeuge auf, und sagte aus, wie er dabei gestanden habe, als der Postdirector, die Stufe verfehlend, hinabgestürzt sei, ohne daß ihm der Jäger auch nur auf sechs Schritte zu nahe gekommen wäre. Das rechtfertigte diesen allerdings von der Anklage, half aber dem Postdirector nur wenig, der sich auch noch, wie eine spätere, allerdings zu späte Untersuchung, darthat, die Hüften ausgerenkt und zwei Rippen gebrochen hatte.
Der Jäger war indessen glücklich in seinen Versteck entkommen, durfte aber gar nicht daran denken, selbst in späterer Zeit nach Horneck zurückzukehren, und mußte sich nun einen Ort in der weiten Welt suchen, wo er sich einen Heerd, eine neue Heimath gründen könne. Ohne Abschied von Lieschen zu nehmen, war er aber, selbst an dem Abende nicht, von Horneck geschieden; trotz der Gefahr, in der er sich befand, schlich er von hier zur Schulwohnung hinüber, das bekannte Zeichen rief sein darüber zum Tod erschrockenes Mädchen, der das entsetzliche Gerücht schon zu Ohren gekommen, vor die Thür hinaus, und dort gelobten sich die beiden armen Kinder noch einmal – unter dem freien hellbestirnten Himmelszelt, ewige Liebe und Treue, wie das Schicksal auch ihre Bahnen werfen, ihr Leben gestalten möge. Fritz war dabei schon fest entschlossen, was seinen künftigen Plan betraf – er wollte nach Amerika, dort sich mit Fleiß und Sparsamkeit so viel verdienen, um eine kleine Farm kaufen zu können, und dann sein Lieschen, sein liebes gutes Lieschen, nachholen. Dazu schüttelte aber diese gar traurig den Kopf, den armen Vater hier in all seinem Elend, in seiner Krankheit allein zurück lassen – nein, das ging unmöglich an. – Aber der Vater bekam bald Zulage – eine Unterstützung vom Ministerium – und der Pastor hatte ihm ja ebenfalls Hülfe zugesagt – Das waren Alles fremde Menschen, wie das arme Mädchen mit recht traurigem Ausdruck in den Zügen sagte, die versprachen Alle, aber sie hielten Nichts, und dann blieb der arme Vater doch nur immer wieder allein und ganz allein auf sie angewiesen, und hätte sie den Greis in dem Zustande verlassen können, Fritz selbst würde ihr das, bei kaltem Blute und ruhiger Ueberlegung, nicht zugemuthet, ja wenn sie selbst wollte, es nicht gestattet haben.
Dagegen half keine Einsprache – Fritz nahm Abschied von ihr, mit dem ausdrücklichen Versprechen jedoch ehe er das Vaterland verließ, jedenfalls noch einmal zu ihr zu kommen, um den gemeinschaftlichen künftigen Lebensplan zu bereden, und als Lieschen weinend am Gartenzaune stand und mit ängstlichen Blicken, mit fieberhaft schlagenden Pulsen den mehr und mehr in der Ferne verhallenden Schritten des Geliebten horchte, eilte dieser, so schnell ihn seine Füße trugen, dem ihm von Wahlert bezeichneten, wohlbekannten Versteck zu, und blieb dort, bis ihn Abends spät der Bachstettener Schullehrer – der Wahlert zu Liebe noch an dem nämlichen Abende in sein Dorf zurückkehrte – abholte und mit sich zu Hause nahm.
Mehrere Tage vergingen so, und trotz des gegen Fritz Holke, Jägerburschen aus Horneck erlassenen Steckbriefs, war keine Spur des total von der Erde Verschwundenen aufgefunden worden. Fritz Holke war aber nicht der Einzige, dessen Aufenthalt ganz urplötzlich nicht mehr ermittelt werden konnte, auch Marie Meier und der alte Musikant hatten – Niemand wußte wohin, in derselben Nacht das Dorf verlassen und Wahlert bot vergebens Alles auf, um die Spuren der Entflohenen zu finden. Selbst der Wirth, bei dem sie gewohnt, schien gar Nichts von ihrer Abreise vorher erfahren zu haben, denn nicht eine mal die paar Thaler Miethzins hatte der alte Mann bezahlt und der Hausbesitzer, ein reicher Bauer aus Horneck, der zwei kleine Häuser einmal um eine Schuldforderung angenommen, fluchte und wetterte über das »Gesindel«, bis ihm Wahlert den rückständigen Zins in die Hand drückte und den Zürnenden dadurch zum Schweigen brachte.
Was konnte er jetzt thun, um die Unglücklichen wieder aufzufinden? – Er schrieb augenblicklich in die Residenz, sandte Boten auf alle umliegenden Dörfer aus und versprach Gensdarmen und Forstläufern ansehnliche Summen, wenn sie ihm Kunde von dem alten Musikanten brächten, oder gar seinen Aufenthalt anzugeben wüßten, doch Alles ohne Erfolg.
So sicher sich jene Beiden aber auch ihr Versteck gewählt hatten, so viel unsicherer wurde mit jedem Tage des armen Jägerburschen kaltes Dachstübchen, in dem er jetzt, bei plötzlich eintretendem Frost, besonders in der ersten Nacht fast erfroren wäre. Dort konnte er nicht länger bleiben, als ihn aber der gutmüthige Kraft die nächste Nacht herunter in seine eigene Kammer nahm, war es die Magd gewahr geworden, und auf rasche Entfernung, sollte nicht die Entdeckung die übelsten Folgen nach sich ziehen, mußte so schnell als möglich gedacht werden.
Fritz verließ am nächsten Abend bei Dunkelwerden Bachstetten und floh – natürlich augenblicklich nach Horneck in die Schule, wo ihn der jetzt davon in Kenntniß gesetzte Hennig zwei Tage, mit größter Gefahr für sich selbst, zu verbergen wußte. Indessen hatten sie aber auch nun den Plan entworfen, den sie künftig verfolgen wollten, Lieschen ward sogar mit in den Kriegsrath gezogen und der Beschluß gefaßt, daß Fritz jetzt ohne Weiteres voraus nach Amerika überfahren und dort das Land einige Monate durchziehen solle. Zum Frühjahr, wo er schon einen Platz zur Ansiedlung ausgewählt haben konnte, kam Wahlert mit seiner jungen Frau nach.
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