Кавказ и Чечня – обзор европейских ученых. Caucasus and Chechnya – a review of European scientists. Муслим Махмедгириевич Мурдалов
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Die Tschetschenzen sind im Ganzen schönere Gestalten als die Lesghier und Osseten und auch ein demokratisches Volk, das keine Stände kennt und darin wesentlich von den Tscherkessen, die überhaupt edler von Natur und Sitten sind, unterschieden. Sehr auffallend ist der so vielfach verbreitete jüdische Typus, der in Itschkerien und Auch besonders stark und fast allgemein hervortritt, während der spezifisch arabische nur selten, aber stets auffallend edel vorkommt. Aus den kurzen historischen Andeutungen und besonders aus der Verbreitung des jüdischen Glaubens unter den Chasaren, der wohl durch zahlreiche Juden eingeführt und erhalten wurde, lässt sich diese auch im Daghestan und sonst im Kaukasus auffallende Erscheinung theilweise erklären. Eigenthümlich tritt es hervor, dass besonders gebildete Tschetschenzen und höhere Befehlshaber noch aus der Zeit von Schamyl mit am meisten den jüdischen Typus zeigen, sich selbst aber als aus Scham (Damaskus) herstammend ausgeben, um ihre (vornehme) arabische Abstammung aus der Zeit der Einführung der Lehre Muhamed́s zu beweisen, die bis uḿs Jahr 1840 unter den Tschetschenzen nur sehr lauen Anhang gefunden hatte.
Aber auch in der Art zu sprechen, d. h. die Worte zu ziehen, erinnern die Tschetschenzen an Juden. Der Tschetschenze ist im Ganzen besser und geschmackvoller gekleidet als der Lesghier, dem er im Charakter, da er schlauer und listiger ist, nachsteht, obwohl solche Gesammturtheile schwer zu fällen und auszusprechen sind. Die Weiber sind hübscher und weniger bedrückt, als bei den Lesghiern, dergestalt, dass bei dem Besuch im Aul und dem ostensiblen Empfang von Seiten der Bewohner an der Flanke der Männer einige zu dem Hause gehörige Weiber standen, in welchem der Besuch erwartet wurde.
Schön und malerisch durch landschaftlich ansprechende Gebirgs- und Bergbildungen, von Flüssen durchströmt und von zusammenhängenden und einzelnen Baumgruppen durchsetzt, mit fruchtbaren, häufig durch heftige Regengüsse hinabgespülten Feldern bedeckt, sind die beiden östlichen Gebiete der Tschetschenzen, die der Auch́er und Itschkerier, auch traditionell-militarisch für die kaukasischen Kriege die reichste und interessanteste Gegend; diese wird nach Osten hin deutlich durch einen Gebirgsrücken begrenzt, der rippenartig von dem hohen und steilen Kamm nach Norden ausläuft, der den Daghestan von dem Lande der Tschetschenzen trennt; dieser Gebirgsrücken heisst Sala- (Ssala) Tau, d. h. vornehmes Gebirge. Auf dem kurzen Ostabfall dieser Gebirgsrippe zum Sulak (Ssulak) wohnen bereits Lesghier, die aber, als Tawliner oder Tawlinzen (Bergbewohner), einen etwas gemischten Typus aufweisen. Infolge der Richtung der Flussläufe nach Norden, wohin auch die kommerziellen Verbindungen nach der nördlichen Ebene und der grossen von West nach Ost, von Wladikawkas nach dem Hafen von Petrowsk und der Hauptstadt des Daghestan, Temir-Chan-Schurá, gehenden Strasse führen, ist das Eindringen nach Itschkerin und dem Lande Auch besonders leicht und belohnend, wenn man ihren vielfach gewundenen Thälern aufwärts folgend aus der Steppe durch das Gelände zu Berg- und Gebirgslandschaft aufsteigt; und hierbei machen die Erhebungen als Wasserscheiden zwischen den Flüssen meist keine besonderen Schwierigkeiten, wenn auch natürlich von Fahrwegen im europäischen Sinne des Wortes abgesehen werden muss, obwohl die zweirädrige Arba vermöge der Einfachheit ihrer Construktion viel leichter als vierrädrige Fuhrwerke durchkommt. – Wesentlich wird Itschkerien durch eine grosse und durch Naturschönheiten herrliche Strasse begrenzt, welche aus dem westlichen und Central-Daghestan über das Gebirge nahe bei Andi in das Thal des Chorotschoi führt, der im Unterlauf Bjelaja heisst und in die Ssunsha fliesst. Diese Strasse führt weiterhin nach Grozny, einem Verwaltungscentrum und früheren wichtigen Militairposten; an ihr liegt in beinahe 1000 Meter Höhe Wedén (Wedenó), die letzte Residenz Schamyĺs, in einem länglichen, von waldigen Höhen romantisch eingefassten Thale. Wer nicht grossartige Naturschönheiten, aber schöne, ansprechende und durch Berge, Gewässer und Wald interessante und wechselvolle Landschaftsbilder sucht, der wird auf Ritten durch diese Gegenden reich belohnt. Selten schroff ist in Natur und Erhebung der plötzliche, ganz unvermittelte Gegensatz zwischen dem grauen, rauhen und todten Felslande des Daghestan und dem grünen, milden und lebensvollen Itschkerien; beide sind nur durch einen hohen Scharfen Gebirgswall getrennt, zu dem Itschkerien und Auch das davorliegende bewachsene Glacis bilden.
Die oben erwähnte, südlich vom Terek von West nach Ost führende Strasse läuft in der Ebene unmittelbar längs des Fusses dieses Glacis, und wenn der Terek den Vorgraben darstellt, so war er zugleich die erste russische Hauptangriffslinie und Parallele, längs welcher die Linienkasaken angesiedelt wurden, welche die Tschetschenzen von Norden und Westen her, von der Ssunsha, einengten. Die nächste Angriffsparallele gegen sie lag dann südlicher, am Fusse des eben erwähnten Glacis, an dem Austritt der Flüsse aus dem Berggebiet, bezeichnet durch die heute noch vorzugsweise, ja theilweise ausschliesslich eine militarisch-polizeiliche Bedeutung hebenden Ortschaften, Stabsquartiere genannt, da Regimentsstäbe hier lagen und liegen: Tschir-Jurt, Chassaw-Jurt, Gersel-Aul und westlicher am Argun Wosdwischenskaja.
Wedén und früher Dargo, nahe östlich davon, wie auch früher schon Achulgo, waren die zeitweisen Residenzen Schamyĺs, und wurden deshalb zu spezifischen Angriffsobjekten für russische Kriegsoperationen gewählt, deren Unhaltbarkeit im Prinzip und daher nicht entsprechende Ausführung, bei der die aufgewendeten Mittel und Opfer in gar keinem Verhältnisse zu dem zu theuer erkauften Erfolge standen, mehrfach deutlich zu Tage trat. Jede Uebertragung von Begriffen, die ihren Ursprung der Kombination, der Reflektion verdanken, darf nur statt haben und kann nur erfolgreich sein, wenn die Grundbedingungen, die zu ihnen führten, dieselben oder sehr ähnliche sind. Wenn in Europa die Eroberung und Besitznahme der Hauptstadt eines feindlichen Landes meist den entscheidensten Wendepunkt des Krieges bezeichnet und als Hauptziel ińs Auge gefasst werden muss, so konnte solches, ganz abgesehen von der Kleinheit der Verhältnisse nach Lokalotät und Macht, hier im Daghestan und der Tschetschna während der Kriege gegen Schamyl durchaus keine Stelle finden, obwohl man wiederholt glaubte, dass mit dem Falle seiner Residenzen gar keine politische oder strategische Bedeutung hatten. Ob Schamyl mit seinen in tiefster Armuth lebenden Stämmen zeitweilig oder dauernd hier oder dort seinen Wohnsitz aufschlug, von dem aus er herrschte und die Operationen leitete, war vollständig gleichgültig. Eine Ortschaft, ein Felsennest war wie das andere und hatte spezifisch gar kleine besondere Bedeutung; sie war nur der zeitweilige Lagerplatz, die Lagerstätte für Schamyl, der mit seinen Müriden (von ihm gewählten, zuverlässigsten, ergebensten, energischsten und gewandtesten jungen Männern) über Alles und wachte, denen er zugleich religiöses Oberhaupt war. – Die Orte selbst boten dazu nichts und konnten nichts dazu bieten, sie hatten gar keinen Vorzug noch Bedeutung vor andern voraus und wurden nur je nach den gerade herrschenden Umständen gewählt. Anders war es mit der letzten Residenz Schamyĺs, Wedén; hier aber lagen die früheren Residenzen glaubte man mit dem Fall derselben Schamyĺs Herrschaft zu stürzen, vergass aber, dass nicht der Ort seine Herrschaft begründete, sondern dass dies nur seine Person war und es auf diese allein ankam, ganz gleichgültig, wo sie sich aufhielt und von wo sie wirkte. Nachdem der Statthalter des Kaukasus, Fürst Barätinski, eine durch Menschenkenntniss, europäise Bildung und Kultur, durch Geburt und Erziehung, Persönlichkeit und Charakter, selten vornehme und ächte Soldatennatur, in richtiger Erkenntniss der Sachlage durch Erfahrung und Kampf Schamyĺs Fall wenige Jahre zuvor schon berechnend vorausgesehen hatte, schloss er ihn in dem ihm untergebenen Gebiete immer mehr ein und liess ihm nur Wedén als letzte Residenz, da Schamyl, obwohl selbst ein Daghestaner, und vom Daghestan ausgehend in Gewalt und Operationen, doch der Tschetschna hauptsächlich bedurfte, sowohl deren militairischer wie strategischer Hülfe, als auch ihrer materiellen Mittel wegen, die der arme Daghestan nicht dauernd liefern konnte. So fiel auch mit der letzten Veste in der Tschetschna, Weden, plötzlich und vollständig seine ganze Macht und sein ganzer Einfluss.
Es handelte sich also bei Weden nicht um Schamyĺs Residenz, sondern um Schamyl selbst und in erster Linie um sein letztes Gebiet und seine Macht bei den Tschetschenzen. Wenn einige Monate später sich Schamyl im Daghestan dem Fürsten Barätinski