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Das Flugzeug stieg immer höher, bald würden sie die Wolken weit unter sich lassen.
Da sie nun endlich etwas Ruhe und Frieden hatte, holte Keira den Terminplan hervor, den Heather ihr zusammengestellt hatte. Und wieder kamen damit auch die Erinnerungen an den letzten Auftrag zurück. Heather hatte hatte dieselbe Schrift, dasselbe Layout benutzt, mit denselben Überschriften. In dem einen Monat in Irland, hatte Keira das Ding komplett zerlegt, Guinness darüber gekippt und es mit Fett vom herzhaften irischen Frühstück beschmiert, welches sie mit Shane gegessen hatte. Es war unwahrscheinlich, dass ihr das dieses Mal wieder passieren würde. Schon jetzt war sie sich darüber bewusst, wie anders sich alles anfühlte bei diesem neuen Auftrag. Sie fühlte sich älter, abgestumpfter.
Und dann las sie auch noch dieses Wort auf dem Terminplan, das ihr das Herz in die Hose sacken ließ: Tourguide.
Natürlich würde sie einen ortskundigen Begleiter für die Reise haben, das hätte ihr doch klar sein müssen. Nur weil sie sich beim letzten Mal Hals über Kopf in den verliebt hatte, um sich anschließend von ihm das Herz brechen zu lassen, bedeutete das nicht, dass es dieses Mal keinen geben würde. Irgendwie fühlte sie sich bei dem Gedanken unbehaglich. Lag es daran, was beim letzten Mal geschehen war? Oder hatte sie etwa ein Fünkchen Hoffnung, dass es gar wieder geschehen könnte?
Sie schüttelte diese Gedanken ab und konzentrierte sich auf ihre Reiseziele. Sie würde in Neapel landen und dort eine Nacht verbringen, anschließend ging es per Zug weiter an die Amalfiküste. Dann die Fähre nach Capri. Eine Fahrt mit der Gondel zu einem Ort namens Blaue Grotte. Rom. Der Vatikan.
Wäre es eine Urlaubsreise, hätte Keira an diesem Terminplan ihre helle Freude. Sie betrachtete auf ihrem Tablet die Bilder der Orte, die sie besichtigen würde und alles sah atemberaubend aus. Perfekt für einen romantischen Urlaub. Aber genau da lag das Problem. Sie würde diese wunderbaren Orte besuchen, in dem romantischsten Land der Welt, aber eben ohne Shane.
Und um alles noch schlimmer zu machen, sollte sie über etwas schreiben, was sie nicht mehr empfand. Sie würde sich Tag für Tag der geballten Dröhnung Romantik aussetzen, Salz in ihre Wunden reiben, alles mit dem Wissen, ihre wahre Liebe verloren zu haben. Das war einfach nicht fair. Ausgleichende Ungerechtigkeit. Sie konnte sich einfach nicht über diese Reise freuen.
Da sie spürte, wie sie in eine depressive Stimmung verfiel, rief sie nach dem Service und bestellte einen Drink. Dann steckte sie ihre Arbeitsmappe wieder weg und warf einen Blick auf ihre sozialen Netzwerke. Damit konnte sie sich immer prima ablenken.
Man brachte ihr den Drink und sie nippte daran, während sie sich durch zahllose Katzenbilder auf Instagram scrollte, Bryns Fotos von dem katastrophalen Date bei Gino und Maxines letzten Marathon, den sie zu wohltätigen Zwecken gelaufen war. Dann bemerkte sie, dass Shelby auch etwas gepostet hatte, das mehrere tausend Mal angeklickt worden war. Es war einfach nur ein Foto ihrer Hand, mit einem Ring auf dem Ringfinger daran.
„Wie bitte?“, rief Keira aus und verschüttete dabei beinahe ihren Drink.
Neben ihr rührte sich Garrett und schaute sie irritiert an. „Ist alles in Ordnung?“
Keira winkte ab. Sie konnte nicht glauben, was sie da sah. Shelby hatte mit keiner Silbe erwähnt, dass eine Hochzeit bevorstand. Sie sprach dermaßen selten über ihren Lebensgefährten David, dass Keira schon manchmal den Verdacht gehabt hatte, die beiden hätten sich heimlich getrennt. Wie man sich doch täuschen konnte!
Die beiden waren seit dem College zusammen, also schon seit gut sieben Jahren. Da war eine Hochzeit durchaus naheliegend. Und dennoch versetzte es Keira einen Stich.
Sie rief noch einmal nach dem Service und bestellte einen weiteren Drink.
Sie brauchte etwas, um ihre Nerven zu beruhigen. Der Mann neben ihr schaute misstrauisch herüber. Keira blickte ihn kühl an und er wandte sich wieder dem Film zu, während er so tat, als habe er überhaupt nicht versucht, einen Blick auf ihr Handy zu werfen.
Sie schickte schnell ein paar Glückwünsche an Shelby und David, auch wenn ihr nicht nach feiern zumute war. Sie wollte nicht verbittert sein. Sie wollte sich vielmehr für ihre alte Studienfreundin freuen. Aber sie fühlte sich einfach zu elend, das Herz war ihr schwer.
Sie warf einen Blick auf ihr Handy und fragte sich, ob Shane wohl überhaupt noch versuchen würde, in Kontakt zu bleiben. Sie hatten vor wenigen Tagen das letzte Mal miteinander gesprochen und seither war Funkstille. Er hatte behauptet, sie könnten ja Freunde bleiben, aber das war wohl nur so dahingesagt. Sie bezweifelte, dass er das ernst gemeint hatte. Er hatte nicht einmal eine Nachricht geschickt, um ihr mitzuteilen, wie es Calum ging oder seinen Schwestern. So viel zum Thema Freundschaft.
Sie kippte den zweiten Drink herunter und spürte die Wirkung des Alkohols. Sie machte es sich in ihrem Sitz bequem und machte ein Nickerchen.
Sie konnte ihr Unglück auch einfach verschlafen.
Schließlich begann sie auch noch zu träumen. Da tauchten Bilder von den Orten in Italien auf, die sie eben noch betrachtet hatte. In ihrem Traum trug sie einen Sportdress und war mit Schlamm verdreckt. Sie musste einen Marathon bis zur Amalfiküste laufen, um an Shelbys und Davids Hochzeit teilzunehmen. Aber als sie da endlich ankam, total außer Atem und verdreckt, trugen alle anderen eine Maske. Als David seine abnahm, kam Shane darunter zum Vorschein. Und die Frau, die er heiratete, war Bryn.
Keira stolperte über den Strand auf sie zu.
„Wie konntest du mich so hintergehen?“, rief sie und starrte Shane schockiert an. „Ich dachte, dein Vater wäre krank und deshalb könnten wir nicht mehr zusammen sein.“
Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Das habe ich mir nur ausgedacht“, antwortete er kühl. „Ich habe mir dir Schluss gemacht, weil deine Schwester viel heißer ist als du.“
Keira wandte sich zu Bryn um. „Du hast mich die ganze Zeit angelogen! Meine eigene Schwester!“
Aber Bryn schien das gar nicht zu beeindrucken. „Was hätte ich denn machen sollen?“, fragte sie schulterzuckend. „Er hat einen heißen Körper.“
Von ihren Gefühlen überwältigt, schaute Keira sich verzweifelt um. Nach und nach nahmen alle anwesenden Hochzeitsgäste ihre Masken ab. Zu Keiras größtem Entsetzen, war da noch ein Shane. Und der war mit Julia da, der Frau, mit der Zach Keira betrogen hatte. Und ein dritter Shane stand an der Seite von Maxine. Und noch einer und noch einer und noch einer, Shane mit Shelby, Shane mit Tessa, dem Mädchen aus Irland, das sie von Anfang an in Verdacht gehabt hatte, dass da etwas mit Shane lief. Shane mit ihrer Mutter. Und immer noch mehr. Wohin auch immer Keira schaute, verwandelten sich alle männlichen Gäste in Shane.
Sie sank auf die Knie und begann zu weinen. Aber plötzlich packte sie jemand am Ellenbogen. Sie blickte auf, die Sonne blendete sie ein wenig. Dann schaute sie in die schönsten brauen Augen, mit den dichtesten Wimpern, die man sich vorstellen konnte.
„Keira, weine doch nicht“, sagte der Mann mit leiser Stimme und einem melodischen italienischen Akzent.
„Wer bist du?“, fragte sie und ließ sich von ihm auf die Füße ziehen.
„Erkennst du mich denn nicht?“, fragte er lächelnd.
Sein Gesicht war wundervoll, perfekt, bemerkte Keira, als sie ihn