Der Arzt auf Java. Александр Дюма
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Der Notar schob ihr artig einen Stuhl zu.
»Vor allen Dingen, Madame,« sagte er mit dem theilnahmvollsten Tone, »will ich mich nach der Gesundheit des Herrn van der Beek erkundigen.«
»Es geht mit meinem Manne besser,« antwortete die junge Frau. »Zum Glück für ihn sind von allen Orakeln die mindest zuverlässigenden der medicinischen Facultät, denn sein Arzt hat mich wahrhaft in Verzweiflung gebracht.«
Meister Maes lächelte und Madame van der Beek fuhr fort: »Die Jugend und die kräftige Constitution meines Mannes haben über die Krankheit triumphirt und er ist glücklich von dem entsetzlichen Delirium geheilt, während dessen er von furchtbaren Visionen gemartert wurde. Auf diesen Zustand fieberhafter Aufregung folgte eine noch beunruhigendere Betäubung, über die wir jedoch zu triumphiren hoffen.«
»Ich glaube,« unterbrach sie der Notar, welcher dem Anstande ein hinlängliches Opfer gebracht zu haben meinte, und der bei der vorgerückten Stunde zu dem Geschäfte zu gelangen wünschte, »ich glaube, daß Madame van der Beek zu mir gekommen sind, um mit mir über die Erbschaft ihres Onkels, des Doctor Basilius, zu sprechen.«
»Ganz gewiß, mein Herr, denn Ihr Schreiber, den Sie gestern zu uns schickten, sprach von einem Codicill, welches gewisse Bedingungen enthielte, die die Bestimmungen aufheben könnten, deren wesentlichen Inhalt sie uns mitgetheilt hatten.«
»In der That, Madame; aber beginnen wir bei dem Anfange. Gestatten die Madame van der Beek mir daher zunächst den Erfolg von der Aufnahme des Inventars zu berichten, das ich dem Gesetze gemäß über die beweglichen und unbeweglichen Güter des verstorbenen Doctor Basilius aufnehmen mußte.«
»Wie Sie wollen, mein Herr,« erwiederte, sich verneigend, Madame van der Beck.
»Ich werde daher die Ehre haben, Madame zu sagen,« fuhr der Notar fort, »daß diese Erbschaft bedeutend ist, bedeutender, als dieselbe und ihr Gatte sie vernünftiger Weise vermuthen konnten. Ich finde ein Activum von nicht weniger als 1 1/2 Millionen Gulden. Was die Passiva betrifft, so hatte der Doctor Basilius eine solche Ordnung in seinen Geschäften, daß er nie eine Centime schuldig war.«
»Ach, mein Gott!« rief die junge Frau, »Mein armer Eusebius! Welche Freude für mich, ihn reich zu sehen, all den Luxus genießend, den wir gleich den übrigen Armen beneideten, als wir ihn in der Ferne erblickten, ohne Hoffnung, ihn jemals selbst kennen zu lernen.«
»Fügen die Madame nach hinzu,« sagte Meister Maes, »daß deren Befriedigung doppelt groß sein muß durch das Glück, den Gatten zu bereichern, denn die Erbschaft kommt von Ihrer Seite.«
Die bleichen Wangen Esthers färbten sich roth und sie sagte: »Ich gestehe Ihnen, mein Herr, daß ich meinen armen Eusebius innig liebe, denn er selbst hat mir so große Beweise seiner Liebe gegeben!«
Der Notar richtete einen Blick auf die Uhr und schien zu bereuen, von der Sache abgeschweift zu sein. Er fuhr daher eilig fort: »Ich habe die Ehre, der Madame van der Beek hier eine Abschrift des Inventars vorzulegen – das Vermögen des Doctor Basilius, gegenwärtig das der verehrten Dame, besteht demnach in Folgendem: Erstens in einer Pflanzung in dem Districte von Buytenzorg, geschätzt aus 600, 000 Gulden.
»Zweitens in 400, 000 Gulden, angelegt bei dem Hause van der Broik, einem der solidesten in Batavia.
»Drittens 230, 000 Gulden, baar vorgefunden in der Wohnung des Verstorbenen, und nach meinem Domicil gebracht.
»Viertens in verschiedenen Waaren, theils nach meinem Domicil, theils nach der Niederlage geschafft.«
Madame van der Beek unterbrach den Notar.«
»Ich zweifle nicht, mein Herr,« sagte sie, »daß Ihr Inventar vollkommen in der Ordnung ist. Ich bitte Sie daher, uns zu dem erwähnten Codicill kommen zu lassen.«
Diese Abweichung von der strengen Regel schien Meister Maes etwas in Verlegenheit zubringen. Er hustete, trocknete sich langsam das Gesicht mit dem Taschentuche, runzelte die Stirn, schob die Brille in die Höhe, die er trug, solange er Notar war, nicht nur als Schmuck seines Gesichtes, sondern auch als Anhängsel seines Amtes, und indem er mit seiner goldenen Uhrkette spielte.
»Ich werde die Ehre haben, der Madame van der Beek-Menuis zu sagen, daß ich es vorziehe, die Wiederherstellung des Herrn Eusebius van der Beek, ihres Gatten, zu erwarten, um ihr diese höchst sonderbare Klausel in dem Testamente des verstorbenen Herrn Doctor Basilius mitzutheilen, eine Klausel, welche übrigens lediglich Herrn van der Beek interessirt, wo nicht an und für sich selbst, wenigstens durch ihre Wirkungen. Herr van der Beek ist der natürliche und gesetzmäßige Vormund der Legatarin. Es scheint mir daher möglich, ausführbar und zweckmäßig, den Genannten in Besitz der Güter Ihres verstorbenen Onkels zu setzen, und so lange das Codicill ruhen zu lassen, welches nichts Dringendes enthält, besonders während der Krankheit des Herrn van der Beck. Nach seiner Genesung wird Herr van der Beek dieses Codicill seiner Frau mittheilen, nachdem er selbst davon Kenntniß genommen hat.«
»Wahrlich, mein Herr,« entgegnete die junge Frau, »Sie machen mich sehr gespannt. Indeß ist es nicht blos die Neugier, welche mich auf meinen Wunsch bestehen läßt. Eusebius kann noch längere Zeit nicht die Leitung unserer Angelegenheiten übernehmen; überdies halte ich es, nach manchen Aeußerungen seines Fieberwahnsinns, für zweckmäßig, daß die Erinnerung an gewisse Episoden seines Verkehrs mit meinem Onkel aus seinem Gedächtnisse entfernt werde. Ich beschwöre Sie daher, sprechen Sie und theilen Sie mir dieses Codicill in seiner ganzen Sonderbarkeit mit.«
»O, es ist in der That durchaus sonderbar, Madame,« entgegnete der Notar, »so sonderbar, daß ich nicht weiß, wie ich der Madame van der Beek-Menuis den Gedanken des Testators auf eine passende Weise erklären soll, ohne die Achtung zu verletzen, die ich derselben so wie mir selbst schuldig bin. – Wenn es noch allenfalls sechs Uhr Abends wäre,« fügte er lachend hinzu.
»Jedenfalls, mein Herr,« erwiederte Esther, indem sie ebenfalls zulächeln suchte, »brauchen Sie darauf nicht lange zu warten, denn eben schlägt es sechs Uhr.«
In diesem Augenblicke und während noch der letzte Schlag der sechsten Stunde ertönte, öffnete sich die Thür, und eine kleine Frau tobte wie ein Sturmwind herein. Es war die ehrenwerthe Madame Maes.
»Nun, woran denkst Du denn heute?« rief sie, ohne zu bemerken, daß ihr Mann nicht allein war. »Es sind wenigstens zehn Minuten her, seitdem es an der Gouvernementsuhr sechs schlug; die Schreiber haben das Comptoir verlassen; weshalb zögerst Du, es eben so zu machen, wie sie?«
Der Notar zeigte seiner Frau die Madame van der Beek, welche aufgestanden war.
»Wilhelmine,« sagte er, »dies ist Madame van der Beck, die ich die Ehre habe, Dir vorzustellen; Madame van der Beek – Madame Maes.«
Diese erwiederte den Gruß der jungen Frau durch eine tiefe Verbeugung.
Madame Maes war ein ganz eigenthümliches Gegenstück ihres Mannes. Sie war ungestaltet wie er, doch nicht in der Länge, sondern in der Breite, und hatte in dieser Richtung eine solche Entwickelung gewonnen, daß es wenig Thüren gab, durch die sie anders als von der Seite zu gelangen vermochte. Ihre kleinen lebhaften und funkelnden Augen, ihre aufgestülpte Nase, ihr breiter Mund, geschmückt mit zweiunddreißig Zähnen, die sie bei jeder Gelegenheit zeigte, gaben ihrer Physiognomie einen umso sonderbareren Ausdruck, als der Himmel sie reichlich mit der männlichen Zierde geschmückt hatte, die ihrem Gatten fehlte, so daß ihr ganzes Gesicht mit einem weißlichen Flaum bedeckt war.
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