Der Arzt auf Java. Александр Дюма
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»He, he, he, he!« sagte der Doctor. »Wahrlich, ich muß lachen, wenn Ihre schönen europäischen Romane den Augen ihrer Leser die Brustkranken zeigen, lieblich und rosig, wie die abscheulichen Pastellbilder, welche die Franzosen Gemälde nennen. Köstliche Kranke, welche die Luft von Nizza einathmen, oder das Wasser von Cauxbonnes trinken, voll Anmuth husten und mit Gefühl ohnmächtig werden. – Sagen Sie, mein Herr van der Beek, hat Ihre Esther in den letzten Tagen diesen hübschen kleinen Brustkranken geglichen?«
»Ach nein, Doctor, aber ungeachtet der Veränderungen, welche die Krankheit bei ihr hervorgebracht hat, liebe ich sie nicht weniger, wie sonst, und beschwöre Sie daher nochmals, heilen, retten Sie sie!«
»Mein lieber Freund,« sagte der Doctor mit seinem wunderlichen Lachen, »ich wünschte nichts sehnlicher; aber es ist ein wenig spät.«
»Wie so, ein wenig spät!« rief Eusebius, indem er den Arzt mit starren Blicken ansah.
»Allerdings, denn Ihre Frau hat die Seele um 8 1/2Uhr Abends ausgehaucht, gerade in dem Augenblicke, als Sie den ersten Schlag an die Thüre meines Hauses thaten.«
Eusebius stieß einen fürchterlichen Schrei aus und stürzte auf das Bett zu; der Körper seiner Esther war schon eiskalt und zeigte jene Steifheit, welche die Wissenschaft mit dem Namen der Leichenstarre bezeichnet.
»Ach, es ist unmöglich!« schrie der unglückliche junge Mann, indem er sich über das Bett warf, seine Frau in die Arme nahm und seine Lippen auf die bereits eiskalten der Todten preßte. – »Ach mein Gott, mein Gott, Doctor, kommen Sie mir zu Hilfe! – Aber sie ist nicht todt, sie kann nicht todt, sie kann nicht gestorben sein, ohne mir, Lebewohl zu sagen – Und ich, der ich Alles ruhig anhörte, was dieser Mensch mir sagte! Esther! Esther! – Ach, Doctor, ich beschwöre Sie – als ich sie verließ, war sie ruhig, lächelnd; sie sagte mir, daß sie sich seit dem Anfange Ihrer Krankheit nie sowohl gefühlt hätte!«
»So ist es stets, mein junger Freund,« sagte der Doctor. »Das Leben ist Denen, die es verlassen wollen, ein Lächeln schuldig.«
III.
Der Vertrag
Als Eusebius die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß seine Frau todt sei, verfiel er in die fürchterlichste Verzweiflung; er stieß herzzerreißendes Geschrei aus, stürzte sich auf den leblosen Körper, den er mit seinem Athem zu erwärmen versuchte, riß sich die Haare aus und erhob händeringend die Arme zum Himmel.
Der Doctor Basilius blieb während dessen ruhig auf seinem Schemel sitzen, stopfte seine Pfeife mehrmals neu und rauchte sie mit der vollkommensten Gleichmüthigkeit. Er sprach kein Wort und machte keine Bewegung, um diese Aeußerungen des Schmerzes zu unterbrechen; allmälig beruhigte sich derselbe oder er erlosch vielmehr wie eine Flamme« die allzu schnell gebrannt und ihren Nahrungsstoff verzehrt hat. In Folge einer nervösen Krisis fühlte Eusebius seine Augen sich mit Thränen füllen; er weinte heftig und seine Seele wurde erleichtert. Dann setzte er sich auf den Rand des Bettes, schob die Haare zurück, mit denen er in dem Uebermaß seines Schmerzes das Gesicht der Todten bedeckt hatte, ergriff die Hand Esthers und sagte, indem er sich zu Basilius zurückwendete:
»Ach« mein Herr, Sie können nicht begreifen, was ich verliere! Denken Sie sich, daß wir mit einander erzogen wurden, daß wir Thür an Thür wohnten, daß ich alle ihre Freuden theilte, alle ihre Spiele, wie sie meine Noth. Sie war so hübsch mit zehn Jahren, als sie mich schon ihren kleinen Mann nannte, sie hatte so lange blonde Locken, so schöne blaue Augen, wie die Vergißmeinnichte, die wir am Rande des Baches pflückten und aus denen ich ihr Kränze wand, mit denen ich ihre Stirn schmückte. Ach, wer hätte mir damals gesagt, daß ich sie so bald bleich, kalt, todt sehen würde! O mein Gott, mein Gott! meine Esther!« rief Eusebius, indem er auf’s Neue laut schluchzte.«
»Das ist das gewöhnliche Gesetz, mein Junge,« sagte der Doctor, indem er mit dem Gefühle der Wollust die Dünste des Opiums ein schlürfte; »wir blühen nur, um zu verweilen; wir wachsen, um gemäht zu werden, und dürfen uns noch glücklich schätzen, wenn die Sichel des Todes uns in der Zeit unserer Jugend, unserer Schönheit trifft; wenn wir die Luft um uns her noch würzen und nicht erst, wenn der Herbstwind uns ausgetrocknet«, der Winter uns mit Schnee bedeckt hat. – Auch ich, so wie Sie mich hier sehen, war ein hübsches, blondes, rosiges Kind. He, he, he! Wer sollte das jetzt noch glauben! Wie?«
Dabei brach er in jenes krampfhafte Lachen aus, welches einen so eigenthümlichen Eindruck machte, besonders da es an dem Sterbebette einer Todten ausgestoßen wurde.
Eusebius erbebte und stand auf, aber er sank wieder zurück, denn seine Beine versagten ihm den Dienst. »Mein Gott, mein Gott!« rief er, »was soll nun aus mir werden.«
»Ganz gut,« sagte der Doctor, »beklagen Sie sich über Ihr eigenes Unglück, mein guter Freund; lassen Sie in Ihrem Schmerze dem menschlichen Egoismus freien Lauf; gestehen Sie, daß Sie Ihre Frau Ihretwegen und nicht wegen der armen Todten beklagen und Sie haben die Wahrheit gesagt.« »Egoismus!« rief Eusebius; »Sie nennen das, was ich empfinde, Egoismus? Nun wohl, Doctor, dieser Egoismus wird auch mich tödten, denn ich fühle es, daß ich nicht im Stande bin, Die zu überleben, die ich so sehr geliebt habe.«
»Desto besser für Sie, mein junger Freund,« sagte der Doctor, »und wenn Sie Ihr Wort halten, so werde ich Sie ebenso wenig bedauern, wie die junge Frau, die soeben das Leben verlassen hat, ohne von demselben etwas Anderes gekannt zu haben, als dessen Schönheiten.«
Eusebius preßte sein Gesicht in beide Hände, ohne zu antworten. Indeß hörte man von Zeit zu Zeit sein Schluchzen, welches jedes Mal von dem schneidenden Gelächter des Doctors begleitet wurde.
Plötzlich sprang Eusebius auf, denn dieses Lachen schnitt ihm in das Herz. Es war ihm unmöglich, dasselbe länger zu ertragen.
»Herr,« sagte er zu dem Doctor, »ich bin in Verzweiflung, daß ich einem Manne Ihres Alters und Ihres Standes eine Lehre geben muß. Aber wahrlich, seitdem Sie hier sind, haben Sie nicht einen Augenblick aufgehört, die Rücksicht zu verletzen, die Sie meinem Schmerze schuldig gewesen wären.«
»In meinem Alter, mein junger Freund,« erwiederte ruhig der Doctor, »hängt man an seinen Gewohnheiten, und ich habe die, nur das zu achten, was ich verstehe.«
»Nun wohl, mein Herr,« sagte Eusebius mit trockenen Augen und schneidender Stimme, »ich werde ebenso handeln und meine Zeit dabei nicht verlieren, die Erklärung Ihres auffallenden Skepticismus zu suchen. – Haben Sie die Güte, sich zu entfernen; Ihre Gegenwart, die meine Thränen trocknet, ist mir unerträglich.«
Der Doctor zog gelassen eine große Uhr aus der Tasche und sagte, indem er auf das Zifferblatt derselben sah: »Die Dankbarkeit, von der Sie soeben sprachen und die ich dafür erlangt hatte, daß ich umsonst wegen einer Person, die ich nicht kannte, mich bemühte, hat gerade eine Stunde und 47 Minuten gedauert. He, he, he! das ist sehr lange, junger Freund;ich habe Viele gesehen, bei denen sie nicht solange dauerte.«
Er nahm seinen Hut von gewichstem Leder den er in eine Ecke geworfen hatte, auf, zog seine getheerten Lederhosen in die Höhe und schritt auf die Thür zu.
Die Antwort erschien Eusebius hart, und da sie nicht ganz unbegründet war, machte er unwillkürlich eine Bewegung, den Doctor zurückzuhalten.
Dieser stand bereits auf der Schwelle der Thür, allein als er Eusebius Bewegung sah, blieb er stehen. »Soeben,« sagte er, »haben Sie geschworen, daß Sie Ihre Frau nicht überleben werden. Wenn es sich nicht um die Dankbarkeit handelt, kann man dem Worte eines redlichen Menschen glauben, und Sie behaupten ein redlicher Mensch zu sein. Ist es wirklich Ihre Absicht, zu sterben, da