Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма

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Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма

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ihm schrieb er an die Wand mit einem Stücke von der Decke abgelösten Gyps den 30. Juli 1816, und von diesem Augenblick an machte er jeden Tag eine Kerbe, damit ihm das Maß der Zeit nicht entgehe.

      Die Tage verliefen, dann die Wochen, dann die Monate: Dantes wartete immer. Er hatte damit angefangen, daß er für seine Befreiung einen Termin von vierzehn Tagen feststellte. Setzte er die Hälfte der Teilnahme für seine Angelegenheit, welche der Gouverneur gehabt zu haben schien, so waren vierzehn Tage hinreichend zur Verfolgung derselben. Als diese vierzehn Tage abgelaufen waren, sagte er sich, es wäre albern von ihm, zu glauben, der Inspector würde sich vor seiner Rückkehr nach Paris mit ihm beschäftigen; seine Rückkehr könnte aber nicht eher stattfinden, als bis er seine Rundreise vollendet hätte, und diese Rundreise dürfte einen bis zwei Monate dauern. Er gab sich also drei Monate, statt der vierzehn Tage. Als die drei Monate abgelaufen waren, kam ihm eine andere Betrachtung zu Hilfe, und er bewilligte sechs Monate. Als aber diese sechs Monate abgelaufen waren, fand es sich, daß er zehn und einen halben Monat gewartet hatte. Während dieser zehn Monate hatte sich nichts in Beziehung auf seine Behandlung im Kerken verändert; keine tröstliche Nachricht war zu ihm gelangt, der Gefangenenwärter blieb bei seinen Fragen stumm wie gewöhnlich. Dantes fing an, an seinen Sinnen zu verzweifeln und zu glauben, das, was er für eine Erinnerung des Gedächtnisses hielt, wäre nichts als die tolle Ausgeburt seines Gehirnes, und der tröstende Engel, der in seinem Gefängnisse erschienen, sei auf den Flügeln eines Traumes herabgekommen.

      Nach Verlauf eines Jahres wurde der Gouverneur verändert. Er hatte die Direction der Festung Ham bekommen und nahm den Schließer von Dantes mit. Ein neuer Gouverneur kam an; es wäre für ihn zu lang gewesen, sich nach allen Namen der Gefangenen zu erkundigen; er ließ sich nur ihre Nummern vorlegen. Dieses furchtbare Hotel garni bestand aus fünfzig Zimmern: ihre Bewohner wurden mit der Nummer des Zimmers, das sie inne hatten, vorgerufen, und der unglückliche junge Mann hörte auf, seinen Vornamen Edmond oder seinen Namen Dantes zu führen; er hieß Numero 34.

       Fünfzehntes Kapitel.

      Die Nummer 34 und die Nummer 27

      Dantes durchlief alle Stufen des Unglücks, welchen sich die in einem Kerker der Vergessenheit überantworteten Gefangenen zu unterziehen haben.

      Er fing mit dem Stolze an, der eine Folge der Hoffnung und eines unschuldigen Gewissens ist. Dann kam er dazu, daß er an seiner Unschuld zweifelte, was die Ansichten des Gouverneur über eine Geistestörung einigermaßen rechtfertigte. Er fiel aber von der Höhe seines Stolzes herab, er flehte noch nicht zu Gott, sondern zu den Menschen, denn Gott ist die rechte Hilfsquelle. Der Unglückliche, der mit dem Herrn anfangen sollte, gelangt erst dazu, auf ihn zu hoffen, wenn er alle andern Hoffnungen erschöpft hat.

      Dantes flehte also, man möchte ihn aus seinem Kerker ziehen, um ihn in einen andern zu bringen, und wäre er auch finsterer und tiefer. Eine Veränderung, und wenn auch eine unvorteilhafte, war doch immer eine Veränderung, und verschaffte Dantes wenigstens eine Zerstreuung von ein paar Tagen. Er bat, man möchte ihm den Spaziergang die Luft, Bücher, Instrumente bewilligen. Nichts von Allem wurde ihm bewilligt; aber gleichviel, er flehte immer. Er hatte sich daran gewöhnt mit seinem neuen Gefangenenwärter zu sprechen, obgleich dieser wo möglich noch stummer war, als der vorhergehende; aber mit einem Menschen sprechen, sogar mit einem stummen, war noch ein Vergnügen. Dantes sprach, um den Ton seiner eigenen Stimme zu hören. Er hatte es versucht, zu sprechen, wenn er allein war, aber dann machte er sich selbst bange.

      In den Tagen seiner Freiheit hatte sich Dantes ein Schreckbild aus den Kameradschaften von Gefangenen, bestehend aus Landstreichern, Banditen und Mördern, gemacht, die sich in gemeiner Freude an unbegreiflichen Orgien ergötzen und furchtbare Freundschaften schließen. Jetzt kam er dazu, daß er in eine von diesen Höhlen versetzt zu werden wünschte, um andere Gesichter zu sehen, als das seines Gefangenenwärters, welcher nicht sprechen wollte. Er sehnte sich gleichsam nach dem Bagno mit seiner entehrenden Tracht, mit der Kette am Fuß und mit der Brandmarkung auf der Schulter. Die Galeerensklaven waren doch wenigstens in der Gesellschaft von ihres Gleichen, sie atmeten die Luft, sie sahen den Himmel, die Galeerensklaven waren sehr glücklich.

      Er bat eines Tages den Kerkermeister, er möge einen Gefährten für ihn begehren, und wäre dieser Gefährte auch der verrückte Abbé, von dem er hatte sprechen hören. Unter der Rinde eines Kerkermeisters, so roh er auch sein mag, bleibt doch immer noch etwas von einem Menschen, dieser hatte oft im Grund seines Herzens, und obgleich sein Gesicht nichts davon sagte, den unglücklichen jungen Menschen beklagt, für den die Gefangenschaft so hart war. Er überbrachte die Bitte von Nummer 34 dem Gouverneur; aber klug, als wäre ein Politiker gewesen, bildete sich dieser ein, Dantes wolle die Gefangenen aufwiegeln, irgend ein Komplott anzetteln sich der Unterstützung eines Freundes bei einem Entweichungsversuche bedienen, und schlug ihm seine Bitte ab.

      Dantes hatte den Kreis menschlicher Hilfsmittel erschöpft und kehrte, wie dies, kommen mußte, zu Gott zurück. Alle fromme, in der Welt zerstreute Gedanken, welche die unter dem Geschicke gebeugten Unglücklichen zusammenlesen, erfrischten nun seinen Geist, Er erinnerte sich der Gebete, die ihn seine Mutter gelehrt hatte, und fand in denselben einen ihm früher unbekannten Sinn; denn für den glücklichen Menschen bleibt das Gebet eine eintönige, leere Zusammenfassung, bis zu dem Tage wo der Schmerz dem Unglücklichen die erhabene Sprache erläutert, mit deren Hilfe er zu Gott spricht.

      Er betete also, nicht mit Inbrunst, sondern mit Wut. Während er laut betete, erschrak er nicht mehr über seine Worte, sondern er gerieth in eine Extase; er sah Gott bei jedem Worte erscheinen, das er aussprach. Alle Handlungen seines bescheidenen Lebens bezog er auf den Willen dieses mächtigen Gottes, entnahm sich Lehren daraus und stellte sich Aufgaben, die er erfüllen wollte, und am Ende jedes Gebetes schlich sich der eigennützige Wunsch ein, den die Menschen viel öfter an ihre Mitmenschen, als an Gott zu richten Gelegenheit haben: Und vergib uns unsere Schuld wie wir vergeben unsern Schuldnern!

      Trotz seiner heißen Gebete blieb Dantes gefangen.

      Sein Geist wurde nun düster. Die Wolke vor seinen Augen, wurde immer schwerer. Dantes war ein einfacher Mensch ohne Erziehung. Die Vergangenheit war für ihn mit dem dunkeln Schleier bedeckt geblieben, welchen die Wissenschaft lüftet. In der Einsamkeit seines Kerkers, in der Wüste seines Geistes war er nicht im Stande, abgelaufene Jahrhunderte wieder zusammenzufügen, erloschene Völker wiederzubeleben, alte Städte wieder aufzubauen, welche die Einbildungskraft vergrößert und in ein dichterisches Gewand kleidet, welche riesenhaft und von dem Feuer des Himmels erleuchtet, wie die babylonischen Gemälde von Martin, vorüberziehen. Er hatte nichts, als seine so kurze Vergangenheit, seine so düstere Gegenwart, seine so zweifelhafte Zukunft: neunzehn Jahre Licht, um vielleicht in einer einzigen Nacht darüber nachzudenken. Keine Zerstreuung vermochte ihm zu Hilfe zu kommen: sein energischer Geist, der wohl nur zu gern durch Zeitalter hingeflogen wäre, war genötigt wie ein Adler in seinem.Käfig gefangen zu bleiben. Er klammerte sich dann an einen einzigen Gedanken, an den seines, ohne eine scheinbare Ursache und durch ein unerhörtes Mißgeschick zerstörten Glückes an. Er ergriff mit aller Leidenschaft diesen Gedanken, drehte ihn auf alle Seiten, und zerbiß ihn gleichsam mit gierigen Zähnen, wie in der Hölle von Dante der unbarmherzige Ugolin den Schädel des Erzbischof Robert zermalmt.

      Die Wut folgte auf sein ascetisches Dasein. Edmond schleuderte Gotteslästerungen von sich, bei denen der Kerkermeister vor Abscheu zurückwich. Er raste mit seinem Leibe gegen die Mauern des Gefängnisses, er griff in voller Wut nach Allem, was ihn umgab, und besonders nach sich selbst bei dem geringsten Ärger, den ein Sandkorn, ein Strohhalm, ein Windhauch bei ihm erregte. Dann erinnerte er sich des denunzierenden Briefes, den er gesehen, den ihm Villefort gezeigt, den er berührt hatte, und jeder Buchstabe kam wie ein leckendes Feuer aus der Mauer hervor. Er sagte sich, es wäre der Haß der Menschen, und nicht die Rache Gottes, die ihn in diesen Abgrund gestürzt. Er übergab diese unbekannten Menschen allen Strafen, die seine glühende Einbildungskraft zu ersinnen vermochte, und fand, daß die furchtbarsten

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